Haben die Bertelsmann Stiftung und die Arbeitsagentur ein viel kritisiertes Projekt zur Aushebelung des Dualen Systems der Berufsausbildung einfach umetikettiert? „BKE-Berufliche Kompetenzen erkennen“ heißt jetzt jedenfalls in neudeutsch „myskills.“
Und es funktioniert: Die Medien folgen der Umetikettierung willig. Der Focus berichtet aktuell: „Neuer Test macht berufliches Wissen sichtbar.“ Der Focus glaubt also an eine Bertelsmann-Alchemie? An die erstaunliche Fähigkeit, auch fehlendes Wissen wundersam sichtbar zu machen?
Aber nicht alleine diese Neuverpackung eines längst von Handwerkskammern und dem deutschen Industrie- und Handelskammertag kritisierten Projektes ist kühn. Wer sich eine beispielhafte „Ergebnisübersicht“ dieser teilweise auf Comic-Basis erstellten Testfragen anschaut, entdeckt eine an Banalität kaum zu überbietende Beliebigkeit, die den Charakter einer Willensbekundung nicht überschreitet und Qualifikationen abzubilden in keiner Weise gerecht werden kann. Woher auch sollen qualifizierte Aussagen kommen? Die Tests sind „spracharm“ gestaltet. Der Fokus liegt auf einem bildgestützten System. Die stundenlangen „Interviews“ mit den Zuwanderern und Flüchtlingen werden also nicht nur in Farsi und anderen Sprachen geführt, sondern bebildert wie in einem Comic.
Auf der Website der Bertelsmann Stiftung zum Projekt – oder Produkt? – heißt es weiter:
„Wir wollen das Unsichtbare sichtbar machen. Denn wenn informell erworbene Kompetenzen zu Tage treten, dann dient das der gesellschaftlichen Integration von Geflüchteten und hilft gegen den Fachkräftemangel in vielen Branchen. Dies gilt insbesondere für das Handwerk. Unter den Geflüchteten und Arbeitssuchenden gibt es Talente, die viele Betriebe händeringend suchen. Wir müssen sie nur zusammenbringen, und dabei soll MYSKILLS helfen.“
Beachtlich ist hier, wie unverdrossen unter neuem Etikett (myskills) an der Mär von der massenhaften Einwanderung von Fachkräften festgehalten wird und am „händeringenden“ Verlangen der Betriebe. Frei nach dem Motto: Es mag nicht nachweisbar sein, aber Bertelsmann schafft es, „das Unsichtbare sichtbar“ zu machen.
Kurz zur Chronologie:
„BKE-Berufliche Kompetenzen erkennen“ – Die Kritik an diesem Projekt haben wir damals so zusammengefasst: „Es schafft sofort neue Arbeitsplätze: jede Menge gesicherte Stellen für Soziologen und Pädagogen und viele neue Stellenangebote zum BKE im Internet. Aber keine für Zuwanderer.“
Auch der Deutsche Industrie- und Handelskammertag zog die Reißleine, als er an die Öffentlichkeit ging mit der eindringlichen Warnung, die Bertelsmann Stiftung hätte die Duale Ausbildung zum Auslaufmodell erklärt.
Der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) protestierte ebenfalls energisch.
Tatsächlich hat sich die Bundesarbeitsagentur zu einem privaten Player ins vergoldete Bett gelegt und Streit mit den Kammern in Kauf genommen, die längst ein Projekt zur Kompetenzfeststellung haben, das jetzt Konkurrenz bekommen hat unter der Regie einer privaten Stiftung.
Aber kommen wir jetzt zu den Ergebnissen dieser Tests. Dankenswerterweise findet sich auf der Internetseite der Bundesarbeitsagentur ein Beispiel für eine Ergebnisübersicht für den Beruf „KFZ-Mechatroniker/-in“. Es lohnt sich wirklich, sich das pdf dieses anderthalb Seiten schwachen Testergebnisses einmal genauer anzuschauen.
Denn was da nach einem angeblich vierstündigen Einzelinterview mit Einwanderern mit Bilder- und Videounterstützung zustande gekommen ist, ist tatsächlich schockierend, wenn die BKE-Projektmacher, die jetzt myskills-Produktmacher genannt werden wollen allen Ernstes behaupten: „Es entsteht ein differenziertes Bild, in welchen Tätigkeitsbereichen der Teilnehmer handlungssicher ist.“
Und vor allem: Zu welchem Zweck werden hier Millionen von der Bundesagentur für solche völlig unbrauchbaren Ergebnisse ausgegeben? Nein, hier entsteht kein differenziertes Bild, in welchen Tätigkeitsbereichen der Teilnehmer handlungssicher ist.
Das Projekt „BKE-berufliche Kompetenzen erkennen“ hat jetzt allenfalls mit „myskills“ einen tollen neuen Produktnamen bekommen. Aber was ändert das alles, wenn der eigentliche „Rohstoff“ fehlt, gut ausgebildeten Fachkräfte? Die Bertelsmann Stiftung möchte „das Unsichtbare sichtbar machen.“ Die Alchemie hat also Einzug gehalten in die Bewältigung der Masseneinwanderung. Und diese Alchemie wird Millionen kosten und lediglich Arbeitsplätze schaffen für einheimische Soziologen und Pädagogen, die vorgeben, aus Stroh Gold machen zu können. Eine erstaunliche Rumpelstilzchen-Dialektik: Oh, wie gut, das niemand weiß….