Tichys Einblick
Proporz statt Kompetenz

Warum hat keiner „Nein“ gesagt?

Die Kabinettsbildung war mehr Personal-Roulette nach Proporz als Auswahl nach Kompetenz. Und die jetzt schon Überforderten haben alle "Hier" gerufen.

© Sean Gallup/Getty Images

Nun haben wir also wieder das, was die Zwangs-Koalitionäre eine Regierung nennen. Ob es wahrlich eine ist, wollen wir anständigerweise erst nach den berüchtigten 100 Tagen eingehend bewerten. An einige Mitglieder des neuen wie alten Kabinetts aber muss die Messlatte schon ran: die Messlatte des Anstands und Stils. Nicht dass es uns noch gewundert hätte: aber die Kabinettsbildung war mal wieder mehr Personal-Roulette nach Proporz als Auswahl nach Kompetenz. Und eben dieses traurige Schauspiel verführt doch zu einer Frage, einer ganz ehrlichen (und nicht ansatzweise so naiv gemeint, wie es sich liest): ist von den Damen und Herren eigentlich noch keiner auf die Idee gekommen, aus Einsicht über eigene abzusehende Überforderung „Nein“ zu sagen? „Nein“ zum Antrag auf Ministerehren, üppigem Kontor und geräumiger Droschke? Verzicht aus Einsicht in eigene Begrenzung, Dienst am Vaterland durch Ablehnung? Lachen Sie nicht an dieser Stelle, das muss doch denkbar sein, das wäre ja sogar anständig, das hätte nämlich am End sogar Größe und Stil!

Machen wir den Test am neuen Medienstar der SPD, Franziska Giffey, der bisherigen Bezirksbürgermeisterin von Neukölln und nun neue Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Wer glaubt, sie habe diesen Aufschwung ins richtige Berlin ihrer Fachkenntnis zu verdanken, der glaubt auch an die Fertigstellung des dortigen Flughafens. „Jung, Frau, Ost“ waren die Kriterien. Liebe Frau Giffey, was haben Sie in Neukölln denn über Familien gelernt, was die Republik dringend als bereichernden Erkenntnisgewinn verbuchen könnte? Was über Senioren? Und was über Frauen? In diesem Pfuhl von misslungener Integration ist nichts allgemeingültig, nichts davon wollen die von der Fahne gegangenen SPD-Wähler als Passepartout für Regierungshandeln!

Warum haben Sie nicht „Nein“ gesagt, sind dageblieben, hätten Ihre nicht unerfolgreiche harte Linie durchgezogen und Ihre von Integrationsträumen nach wie vor besoffene Partei durch weitere realpolitische Taten endlich zum Baum der Erkenntnis geführt? Und alsbald den hoffnungslos überforderten „Regierenden“ zum Teufel gejagt, der die Hauptstadt schon jetzt mehr beschädigt hat als alle seine Vorgänger (und das will was heißen!)? Die Berliner, ach was, die ganze Republik hätten Ihnen zu Füßen gelegen. Stattdessen machen Sie jetzt lieber vier Jahre „Gedöns“ (G. Schröder)?

Suboptimal
Angela Merkel: Dieser Weg wird steinig und schwer
Die gleiche Frage muss sich auch Fr. Schulze, die neue Bundesumweltministerin, gefallen lassen. Ihre Kriterien: NRW, muss weg, Umwelt kann se lernen! Die in Trümmern liegende SPD in NRW, die immer noch glaubt, bei den Bundessozen der ganz große Maxe zu sein, brauchte einen Skalp. Was besser, als eine sichtlich überforderte und/oder gelangweilte Generalsekretärin zu entsorgen. In ein Ministerium, wo der zweiten und dritten Ebene eh egal ist, wer unter ihr Ministerin wird. Den ganzen ideologischen Quark von CO₂, Diesel, böser Kernenergie und guter Energiewende breittreten werden Sie, Frau Schulze, schon hinbekommen, gelle?

Sagen Sie es uns doch mal offen: warum hat Ihre eklatante Folgenlosigkeit von sechs Jahren Ministerin für Innovation, Wissenschaft und Forschung in Nordrhein-Westfalen Sie nicht eines Besseren belehrt, warum haben Sie nicht „Nein“ gesagt?

Folgenlos war sie wahrlich nicht, die Amtszeit des Horst Seehofer. Er war, bei Lichte besehen, wahrscheinlich ein ordentlicher Ministerpräsident. Aber eben einer in der Tradition des großen Cunctators Strauß: viel gackern, keine Eier legen. Nur rhetorisch der große Antipode zur Langzeitkanzlerin Merkel, auf der politischen Habenseite steht da nichts, nicht mal die ominöse Obergrenze. Und sowas ist irgendwann ein Elfmeter für die bösen jungen Buben, die ihm nach der Krone trachteten. Und deswegen musste und wollte er weichen: ins künstlich aufgeblähte Innenministerium, dass nur dadurch schon eine Brutstätte der Überforderung ist. Man stelle sich vor, er hätte statt „Heimatmuseum“ den Eisenbahnkeller in Ingolstadt gewählt, man stelle sich vor, auch Horst Seehofer hätte „Nein“ gesagt, man stelle sich vor, was uns erspart geblieben wäre.

Der eklatanteste Fall in diesem Zusammenhang ist nun ganz sicher Heiko Maas. Vom Justizministerium ins Außenamt! Was, zum Teufel, befähigt ihn zu diesem Umschwung? Die intellektuellen wie charakterlichen Beschränkungen des Saarländers sind ja bereits hinlänglich und anschaulich auch auf dieser Site dargestellt worden. Es kommt aber in seinem Fall noch etwas hinzu: zu keinem Zeitpunkt ist auf diesem Stuhl solch ein hartnäckiger Ideologe, solch ein verbohrter Rächer der vermeintlich Enterbten wie Maas gesessen. Der Mann hat ganz offenkundig auch Beschränkungen im seinem demokratischen Weltbild.

Unvergessen und auch unverziehen, wie er 2014 Demonstrationen (deren politische Richtung ihm nicht passten) als „Schande für Deutschland“ bezeichnet hatte. Es raubte einem dem Atem (und tut es bis heute): der Justizminister, der ja auch immer Verfassungsminister ist, sprach öffentlich den Menschen seines Landes das verfassungsrechtlich verbriefte Versammlungsrecht ab! Es gehörte damals zu den niederschmetternsten Erfahrungen, dass dieser Herr nicht augenblicklich seines Amtes enthoben wurde und sich in seinem Politikerleben höchstens noch mit der Friedhofsordnung von Saarlouis beschäftigen durfte.

So einer sagt natürlich nicht „Nein“, so einer ist umwölkt von seiner „demokratischen“ Mission, bei so einem ist für Anstand, eigene Überforderung einzugestehen und nicht anzutreten, kein Platz. Es ist angesichts dieser grausigen Fehlbesetzung nur ein kleiner Trost: tatsächliche (Außen)Politik wird im Kanzleramt gemacht. Klein-Heiko darf mit den abständigen Regierungsmaschinen und der schauspielenden Lebensabschnittsgefährtin ein paar Meilen sammeln. So kommt er ein bisschen rum, ist aus den Füßen und hält die anderen nicht über Gebühr vom Regieren ab. Würden wir die beiden SPD-Verweser Nahles und Scholz nicht besser kennen: es hätte Absicht sein können!

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