Für mich ist es das politische Rätsel schlechthin. Während der Volkszorn sich seit Jahren auf die politischen, gesellschaftlichen und materiellen Kosten der Migration konzentriert, ist der privilegierte Beamtenstatus weitgehend aus dem Blick geraten.
Dabei kennen die Personalausgaben für die rund 1,8 Millionen aktiven Beamten bei Bund und Ländern, vor allem die Versorgungsausgaben für die bereits in den Ruhestand getretenen Beamten (1,13 Millionen) nur eine Richtung: Sie steigen schier unaufhaltsam. Ein Blick in die Versorgungsberichte einzelner Bundesländer, die sie inzwischen einmal pro Legislaturperiode vorlegen, macht die Dramatik deutlich. Denn vor allem die Bundesländer haben große und teure Beamtengruppen in ihrem Personalbestand: Schuldienst, Polizei, Justiz. In Baden-Württemberg hat sich das Verhältnis der Versorgungsausgaben für Pensionäre zu den Gesamtausgaben des Landeshaushalts innerhalb von 30 Jahren nahezu verdoppelt.
1985 lag der Pensionsausgabenanteil bei 6 Prozent, heute bereits bei 11,3 Prozent. Weil in den nächsten Jahren die stärksten Beamtenjahrgänge (1954 – 1956) in Pension gehen, muss der Landeshaushalt statt für 88.700 Beamte (Stand: 2013) schon im Jahr 2026 (!) für knapp 120.000 Pensionäre aufkommen. Im Jahr 2040 werden es in der Spitze dann 153.600 Pensionäre sein. Schon heute entfällt fast ein Drittel aller Personalausgaben im Stuttgarter Landeshaushalt auf Pensionszahlungen.
Einmal dabei, immer dabei!
Wer keine Angst vor Kündigungen haben will und eine lebenslange Dauerbeschäftigung ebenso schätzt wie eine ordentliche Versorgung im Ruhestand, der fühlt sich im grundgesetzlich verbrieften Beamtenstatus (Art. 33, Abs. 5) mit seinen „hergebrachte(n) Grundsätzen des Berufsbeamtentums“ wohl. Und dass die Sehnsucht nach unkündbarer Lebensanstellung recht verbreitet ist, stellt man fest, wenn man sich den veränderten Anspruch vieler junger Ärzte oder Juristen anschaut, die lieber geregelt beim Staat arbeiten, als sich in die freiberufliche Wildbahn mit ihren unternehmerischen Risiken zu begeben. Ja wenn die Privatwirtschaft und das Unternehmertum vergleichbare Arbeitsplatzgarantien wie der Staat böten, dann wäre für viele wohl alles gut. Auf diesem Anspruchs-Trip bewegt sich auch die aktuelle Politik, die im Arbeitsrecht so tut, als ob staatliche Beschäftigungsgarantien durch detaillierte bürokratische Vorgaben auch auf die private Wirtschaft übertragen werden könnten. Doch ohne unternehmerische Freiheit gibt es keine wirtschaftliche Prosperität. Das zeigen alle gesellschaftspolitischen Experimente der Wirtschaftsgeschichte. Reine Staatswirtschaft mündet oft genug im Staatsbankrott. Dass sich auch in Deutschland der öffentliche Dienst aus der Wertschöpfung der Privatwirtschaft speist, wird von Politik und Beamtenlobby gern unterschlagen.
Mehr Netto vom Brutto, mehr für Kinder, günstige private Krankenversicherung
Beamte vergleichen ihre Bruttogehälter gern mit den Bruttogehältern von Beschäftigten in der Privatwirtschaft. Sie unterschlagen dabei, dass ihre Bezüge bei gleicher Höhe zu einem deutlich höheren Nettoeinkommen führen, weil sie weder mit Renten- noch mit Arbeitslosenbeiträgen belastet sind. Allein dieser kleine Unterschied macht derzeit 10,8 Prozent Mehrwert monatlich aus. Beamte profitieren im Gegensatz zu den Tarifbeschäftigten in der Privatwirtschaft auch von Familienzuschlägen. Je nach Besoldungsgruppe sind das derzeit beim Bund zwischen 140 und 260 Euro monatlich allein für den Ehestand. Für das erste und zweite Kind gibt es zusätzlich knapp 120 Euro, ab dem dritten Kind rund 370 Euro monatlich. Das normale Kindergeld kommt selbstverständlich zusätzlich obendrauf.
Alle Beamten sind privat krankenversichert, weil sich der Dienstherr über die Beihilfe an den Kosten beteiligt. Je nach Familienstand und Kinderzahl trägt der jeweilige Dienstherr zwischen 50 und 80 Prozent der Rechnungen. Das Restkostenrisiko versichert der Beamte dann jeweils individuell über einen Beihilfetarif bei seiner privaten Krankenversicherung. Schließlich summieren sich auch kleine Sondervergünstigungen für Beamte bei der KfZ-Versicherung und in zahlreichen Sachversicherungen ganz schnell zu einem Vorteil von einigen Hundert Euro im Jahr.
Beförderung als „Aktion Abendsonne“
Rund 33 Millionen sozialversicherungspflichtige Arbeitnehmer bezahlen über ihre komplette Erwerbsbiografie monatlich Pflichtbeiträge in die Rentenversicherung. Zeiten von unterschiedlichen Einkommen bilden sich exakt in den sogenannten Entgeltpunkten des gesamten Arbeitslebens ab, die das jeweilige individuelle Jahreseinkommen ins Verhältnis zum durchschnittlichen Bruttoarbeitsentgelt aller Versicherten setzt. Nur bei Beamten gibt es eine besonders begünstigende Regelung: Das ruhegehaltsfähige Einkommen der letzten beiden Dienstjahre ist Basis für die Berechnung der Pensionshöhe. In den beiden letzten Dienstjahren ist das Einkommen in der Regel am höchsten. Auch eine Beförderung kurz vor den beiden letzten Dienstjahren wirkt wie eine „Aktion Abendsonne“, weil dieser Gehaltssprung dann mit bis zu 71,75 Prozent pensionssteigernd wirkt. Die maximale Pensionshöhe erhalten übrigens Beamte bereits nach 40 Dienstjahren, während in der gesetzlichen Rentenversicherung die Höchstrente erst nach 45 Versicherungsjahren erreicht wird. Im Gegensatz zu allen anderen rentenversicherungspflichtigen Arbeitnehmern werden bei Beamten nach wie vor bis zu zweieinhalb Jahre der Hochschulausbildung als Dienstzeit angerechnet. Auch der Nachhaltigkeitsfaktor, der in der gesetzlichen Rentenformel eingebaut ist und das Rentenniveau wegen des demografischen Wandels bremst, ist bisher in der Beamtenversorgung mitnichten „wirkungsgleich“ umgesetzt, obwohl das die Beamtenlobby gern verkündet.
Abgeordnetenversorgung de luxe
Eingangs habe ich die Abgeordneten als Schutzpatrone des Beamtenstatus apostrophiert. Sie genießen auch weiter ein Privileg, von dem andere Berufsgruppen nur träumen können. Wer mehr als 8 Jahre dem Deutschen Bundestag angehört, kann mit jedem weiteren Jahr seiner Abgeordnetentätigkeit ein Jahr früher als dem regulären Renteneintrittsalter in Ruhestand gehen. Bis zu zehn Jahre kann sich so ein Berufspolitiker früher die Pension gönnen, wenn er dem Bundestag mindestens 18 Jahre angehört hat. Diese vorgezogene Altersgrenze ist abschlagsfrei und erlaubt einen unbegrenzten Hinzuverdienst bereits ab dem 55. Lebensjahr. Damit ich nicht missverstanden werde: Ich will gute Leute in der Berufspolitik. Die sollen auch anständig bezahlt werden. Doch eine anständige Bezahlung soll auch dazu dienen, dass sie eigene Versorgungsanwartschaften mit Beiträgen aufbauen. Für mich hat der beamtenähnliche Status von Abgeordneten genauso ausgedient wie der Beamtenstatus. Die althergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums sind weder zeitgemäß, noch bezahlbar. Ich halte dieses System für eine moderne Form des Hofschranzentums, das mit dem Absolutismus eigentlich ausgestorben sein sollte.
Persönlicher Nachtrag eines „Pensionisten“
In meiner aktiven politischen Zeit im Deutschen Bundestag (1994 – 2002) wie auch im Stuttgarter Landtag (2006 – 2008) habe ich den Beamtenstatus und die Privilegien in den Abgeordnetengesetzen offen kritisiert – sowohl in Parlamentsreden als auch in Interviews und TV-Runden. Nie habe ich mehr Hass erfahren als bei diesem Thema – auch von manchen Kollegen, erst recht von der organisierten Beamtenlobby. Der Vorwurf „Nestbeschmutzer“ war noch die harmloseste Variante.
Seit Januar 2018 erhalte ich mit Vollendung des 63. Lebensjahres Versorgungsbezüge als Abgeordneter mit zehn „Dienstjahren“. Weil ich als Versorgungsempfänger auch einen Beihilfeanspruch von 70 Prozent habe, hat sich meine private Krankenversicherung zum gleichen Zeitpunkt um fast 500 Euro monatlich verringert. Mit Neid hat dieser Text also nichts zu tun. Denn ich bin persönlich Profiteur.