Die Diskussion der selbsternannten Tugendwächter um die Essener Tafel ist unanständig.
Nichts und niemand ist sicher vor unseren unbestellten Tugendwächtern. Am wenigsten sie selber. Wenn sie die Moralkeule schwingen wie der Athlet seinen Hammer, ist der Verstand, so vorhanden, bereits in der Umkleide abgegeben. Es muss einfach raus, das so Gute, das so Moralische, das so Richtige! Die Schar der ewig Besserwissenden kümmert nicht Fakten, nicht mal sich verändernde Stimmungen, schon gleich nicht die Menschen, für die dazu sein sie unermüdlich vorgeben.
Aber wollen wir nicht verzagen, es naht Hoffnung. Diese Tage werden vielleicht dermal einst im Sinn bleiben, wenn wir des Endes der Heuchler gedenken. Denn nun haben sie es endgültig übertrieben, sich mit den „Falschen angelegt“ (Henryk M. Broder). Wer das Ehrenamt in diesem Land verantwortlich macht für eigene Schwächen, wer sich moralisch erhebt über Bürger, deren unentgeltliches Tun mehr zum lebenswerten Zustand dieser Gesellschaft beiträgt als auch nur ein wohlfeiles Politikerwort, dem ist endgültig die Maske vom Gesicht gefallen. Der glaubt wirklich an sein Moralin wie der Junkie an seine Spritze!
Die Diskussion um die Zustände bei der Essener „Tafel“ und deren Beschluss, vorläufig nur noch Deutsche und keine Ausländer mehr aufzunehmen, ist widerwärtig, ja, sie ist wirklich unanständig. Hier engagieren sich Bürger, nehmen Lasten und Pflichten auf sich, von denen die Moralkeulen-Schwinger noch nie etwas gehört haben, geschweige je selbst verrichtet hätten. Nicht nur diese Ehrenamtlichen in Essen, alle in der Tafel oder sonst wo ehrenamtlich Tätige tragen mit ihrem Engagement, mit ihrer großen Empathie, mit ihrer Leidenschaft und emotionalen Intelligenz zum Gelingen dieser Gesellschaft bei, zeigen, dass eine „Bürgergesellschaft“ keine leere Worthülse ist.
Der übliche Pharisäer-Shitstorm
Mehr noch: auch wenn viele Hilfsprojekte in der Tat die teilweise eklatanten sozialpolitischen Versäumnisse des Staates abmildern, so ist dieses für die überwiegende Mehrheit der freiwilligen Helfer nicht das Grundmotiv ihres Tuns. Es ist durchaus der zunächst vorurteilsfreie Wunsch, zu helfen, etwas zu verbessern, etwas „mitzugestalten“, ganz ein einfach ein bisschen menschliche Nähe zu zeigen. Wer so tickt, der braucht vieles, aber ganz sicher nicht (neben der gelegentlichen Verunglimpfung als „Gutmensch“) die emotionale Eiseskälte seiner Kanzlerin, das fahrlässige Geschwätz seiner Sozialministerin und eine verbale Unverschämtheit aus vielen Kommentarspalten.
Die jeder persönlichen Empathie unverdächtige Angela Merkel ließ sich so ein: „Da sollte man nicht solche Kategorisierungen vornehmen. Das ist nicht gut“. Frau Kanzlerin, ich werde Ihnen sagen, was „nicht gut“ ist: die Menschen, die Ihr „wir schaffen das“ wirklich geschafft haben, auf solche Weise von oben herab in den Senkel zu stellen und wie kleine Schulbuben zu belehren! Es waren die Ehrenamtlichen, die den ungebremsten und durch die Bundesregierung hundserbärmlich organisierten Ansturm von Geflüchteten professionell und menschlich gemanagt haben. Ohne diese engagierten Bürger, die nicht diskutiert, sondern angepackt haben, wäre Ihnen, Frau Merkel, das Ding noch viel mehr um die Ohren geflogen als ohnehin schon.
Brandstifter als Feuermelder
Und so geht es weiter mit den bezahlten Tugendwächtern: die offenbar zu höherem berufene Bundessozialministerin Katarina Barley schwang ihre Moralkeule wirklich sehenswert: „eine Gruppe von Menschen pauschal auszuschließen, fördert Vorurteile und Ausgrenzung“. Es müsse klar sein, so setzt sie hinzu, dass Bedürftigkeit das Maß sei und nicht der Pass. Verehrte Frau geschäftsführende Sozialministerin Barley: vielleicht ist wirklich besser, wenn Sie Ministerin des Äußeren werden, denn von den Zuständen im Inneren haben Sie keine blasse Ahnung! Die Zustände von Chaos, von reihenweise schlechtem Benehmen und rotzigem Ton der überheblichen Erwartungshaltung haben schon längst vor Essen viele „Tafelverantwortliche“ so reagieren lassen!
Die Bedürftigkeit ist längst das Maß, denn der Schutz vor verbalen oder gar körperlichen Angriffen von Bedürftigen (übrigens egal welcher Nationalität) liegt genauso in der Verantwortung der Ehrenamtlichen wie die eigentliche Essensausgabe. Solche Zustände bei vielen Einrichtungen der Tafel hätte ein ministerieller Besuch durchaus aufzeigen können. Aber Aufklärung und Fakten vertragen sich halt nicht mit Moralin, gell, Frau Barley, Abstoßungsreaktion nennt das der Fachmann!
Und, leider wieder mal, ein Wort zu den Medien. Dass sie sich nun plötzlich für das Thema Tafel interessieren (plötzlich können die sich vor aufkreuzenden Journalisten kaum retten), ist ja mit dem Phänomen „Rudeljournalismus“ (ausgerechnet Leyendecker) hinreichend beschrieben und beklagt und deswegen, wenn auch kopfschüttelnd, hinzunehmen. Weit ärgerlicher ist die triefende Arroganz, die sich mal wieder in einigen einschlägigen Kommentaren zeigt: dort ist, in wechselnden Kombinationen, von der „Überforderung“ der Ehrenamtlichen die Rede. Einkleiden wir das mal seiner nur zur Tarnung doppelten Bedeutung: gemeint ist weniger die Überforderung mit der Bewältigung des Ansturms, sondern die des richtigen Umgangs mit der Causa „Integration“. Hier bricht sich ein Hochmut Bahn, der diese Freiwillige für gerade, aber etwas einfach tickende Zeitgenossen hält, die vielleicht Bananen verteilen können, aber für die schwierige Handhabung von „Eingliederung“ doch bitte lieber die Sozialindustrie mit ihren Moralapostel-Truppen ranlassen sollten.
Die Diskussion ist abstoßend in ihrem schlechten Stil und deswegen unanständig! Aber sie ist das wahrscheinlich letzte Gefecht der moralinsauren Truppen. Denn jetzt regt sich Widerstand bei denen, die das Land und seine Würde aufrechterhalten, weil sie gute Arbeit tun und nicht dummes Zeug schwätzen!