Im Mai 1832 versammelten sich 20.000 bis 30.000 Bürger im pfälzischen Neustadt für ein großes Freiheitsfest und zogen zur Hambacher Schlossruine hinauf. Darunter waren national-liberale Studenten, einfaches Volk und auch einige Abgeordnete. Das Fest fand statt in die Zeit der Repression und der Restauration. Die Fürsten erstickten in den deutschen Landen die Freiheit, die Presse- und Redefreiheit; hohe Steuern bedrückten das Volk. Gegen diese Obrigkeit begehrte die Menge auf. Ihre Forderungen waren: nationale Einheit und Freiheitsrechte. Das Hambacher Fest, ein Höhepunkt der bürgerlichen Opposition, wurde zum Meilenstein auf dem Weg zur 1848er-Revolution. Und es ist ein Vermächtnis für das deutsche Freiheitsstreben geworden.
Heute scheint es zuweilen, dass wir in Deutschland in einer ähnlichen Situation leben, die Freiheit ist gefährdet. Nun hatte der bekannte Wirtschaftsprofessor und Publizist Max Otte die Idee, eine Neuauflage des Hambacher Festes zu organisieren: als Signal für eine bürgerliche Opposition.
Am 5. Mai soll am Hambacher Schloss ein Kongress stattfinden, der gedanklich an das Fest von 1832 anknüpft. „Ich will das Hambacher Schloss als positives patriotisches Symbol wiederbeleben“, sagt Otte. Der „Mainstream“ möge keine positiven patriotischen Symbole, er wolle das ändern. Das Neue Hambacher Fest solle außerdem einer Vernetzung kritischer Geister dienen. Es soll den Besuchern Mut machen, eine „Fackel des intellektuellen Widerstands“ entzünden, sagt Otte, der von einer „rot-grünen Gesinnungshegemonie“ spricht, der er entgegentreten will. Außerdem solle das Treffen schlicht Spaß machen, ein richtiges Volksfest sei geplant. Imbissstände verkaufen pfälzischen Spezialitäten, zuletzt gibt es einen Musik- und Liederabend.
Mehrere prominente Redner erwarten die Besucher. Nach Ottes Begrüßung wird Bestsellerautor Thilo Sarrazin programmatisch über „Deutschland schafft sich ab“ sprechen – jüngst hat der SPD-Querdenker Sarrazin wieder viel Aufmerksamkeit erregt mit seinem Artikel „Die AfD löst die SPD ab“. Anschließend steht auf dem Programm eine Rede des FDP-Abgeordneten und Euro-Rebellen Frank Schäffler („Der Freiheit eine Gasse“), gefolgt nach dem Mittagessen vom CDU-Abgeordneten, Euro-Kritiker und Merkel-Kritiker Klaus-Peter Willsch. Am Nachmittag sprechen noch der langjährige CDU-Staatssekretär Willy Wimmer sowie die ehemalige DDR-Bürgerrechtlerin Vera Lengsfeld („Das Ende des Rechtsstaates“).
Willsch sagt: „Zuletzt war ich 1985 auf dem Hambacher Schloss, als Präsident Ronald Reagan zur deutschen Jugend sprach. Wenn ich mich der Forderungen der Festteilnehmer von 1832 nach nationaler Einheit, Freiheit und Volkssouveränität erinnere, gehe ich gerne auf die Burg. Mein Impulsvortrag trägt den Titel ‚Von Rettern und Rebellen – Für ein Europa der Eigenverantwortung und der Subsidiarität‘. Wir brauchen dringend einen politischen Diskurs in Deutschland über die Zukunft des institutionellen Europa.“
Der FDP-Querdenker Schäffler will vor allem für eine neue Freihandelspolitik werben. „Freihandel schafft Wohlstand für alle Beteiligten. Der Freihandel trägt auch dazu bei, das Verständnis und die Toleranz gegenüber anderen Kulturen zu fördern. Daher ist der Freihandel friedensstiftend“, erklärt er, „Gegen die TTIP- und CETA-Verweigerer gilt es, ein starkes Bekenntnis für den Freihandel und die Marktwirtschaft auszusenden. Das Hambacher Fest steht für diese Tradition der Freiheit. Daran möchte ich anknüpfen, damit das Hambacher Fest nicht von Freiheitsgegner instrumentalisiert werden kann“, betonte er.
Vera Lengsfeld kam in der DDR als Oppositionelle in Haft, heute ist die Publizistin eine der mutigsten Stimmen in der bleiernen Merkel-Zeit. „Wir leben wieder in Zeiten wie damals, beim Hambacher Fest“, meint sie. Dem „Abgleiten in einen neuen Gesinnungstotalitarismus“ müsse die Gesellschaft Widerstand leisten. „1832 war klar, dass es Zensur gibt. Heute ist die Situation komplizierter: Viele Leute wirken wie gehirngewaschen, dagegen müssen wir ankämpfen“, sagt Lengsfeld, die mit scharf regierungs- und medienkritischen Artikeln auf ihrem Blog eine große Fangemeinde angesammelt hat. Die Eurorettungspolitik, die unkontrollierte Zuwanderungspolitik der Merkel-Regierung und den damit einhergehenden Anstieg der Kriminalität und den Vormarsch von Islamisten prangert sie an. Auch einige andere Ex-DDR-Bürgerrechtler tun dies. Dafür wurden sie jüngst vom „Spiegel“ als paranoid denunziert.
„Hoffnung auf die Politik habe ich überhaupt keine mehr“, sagt die ehemalige Bürgerrechtlerin, die sechzehn Jahre lang Bundestagsabgeordnete war und sich in der Merkel-CDU nicht mehr heimisch fühlt. Sie habe nur noch Hoffnung, dass sich in der Bevölkerung genügend Freiheitsfreunde fänden, die Widerstand leisteten. „Leider haben sich die Deutschen die verdammte Untertanenmentalität und Obrigkeitshörigkeit bewahrt“, sagt sie.
Otte hofft auf große Beteiligung am Neuen Hambacher Fest. „Eine Zahl von 20.000 Teilnehmern werden wir nicht schaffen, ich wäre bei 500 zufrieden und bei 1.000 happy“, sagt der kämpferische Professor. Profit machen wird er mit dem Kongress nicht. „Allein die Ausgaben für die Miete, die Musik, die Tontechnik, die Sicherheit sind hoch“, sagt er. Das Hambacher Fest werde wohl mit Defizit abschließen, erwartet Otte. Das bezahlt er aus seiner Privatkasse. Aber er hofft auf großen politischen Gewinn.
Das historische Hambacher Fest war ein Signal des nationalen Aufbruchs, gleichzeitig hatten die Organisatoren wie der Publizist Philipp Jakob Siebenpfeiffer hohe Achtung vor anderen freiheitsliebenden Nationen. Am Fest nahmen Vertreter aus Polen und Frankreich teil. Auf der bekannten schwarz-rot-goldenen Fahne, die der Teilnehmer Johann Philipp Abresch für das Fest anfertigte und auf den Schlossturm steckte, stand in Stickerei „Deutschlands Wiedergeburt“. Sie ist heute auf dem Schloss in einer Ausstellung zu sehen.