Tichys Einblick
Einäugig mit gut verwechseln

Politik und Polizei: Demonstrationsrecht ausgehöhlt

Die Politik beteiligt sich an der Aushöhlung des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung aktiv. Das Demonstrationsrecht ist zum Privileg der Herrschenden und ihrer Unterstützer verkommen, die sich im Zweifel auf linke Schlägertruppen verlassen.

Symbolbild

© Getty Images

Die Wellen schlagen hoch, der genehmigte Frauenmarsch zum Bundeskanzleramt wurde am 17.02.2018 durch Gegendemonstranten gewaltsam unterbrochen. Antifa und weitere linksgrüne Blockierer verhinderten den Weitermarsch der Demonstrationsteilnehmer. Die Medien jubeln über den Erfolg der angeblichen „Zivilgesellschaft“, da die Anmelderin der AfD angehören würde. Ein No-Go in der zu Stigmatisierungen neigenden Medienwelt.

Der Weitermarsch der „rassistischen Hetzer“, wie immer wieder in den Medien und auf linksradikalen Plattformen in trauter Eintracht kolportiert, konnte über Stunden verhindert werden. Livestreams im Internet zeigten, dass die Blockade lange fortbestehen konnte. Die Bemühungen der Polizei, die Blockierer zu bewegen, den Platz freiwillig zu verlassen, hatten über einen langen Zeitraum keinen Erfolg. Die Demonstration steckte fest und kam zum Erliegen. Einer Anzahl von Personen gelang es, bei bereits eingetretener Dunkelheit, auf Umwegen doch noch zum Demonstrationsziel, dem Kanzleramt, vorzudringen. Der Weg dahin soll aufgrund der Gegendemonstranten nicht ungefährlich gewesen sein.

Als ehemaliger Zugführer, mit den verschiedensten Einsatzerfahrungen weiß ich, dass der Teufel manchmal im Detail liegt und für Außenstehende mitunter schwierig zu verstehen ist. Ein Polizeiführer vor Ort hat viele Entscheidungen emotionsfrei und klug abzuwägen, die er später auch nachvollziehbar begründen muss. Deshalb möchte ich die getroffenen Maßnahmen zum Ablauf der Demonstrationen und Gegendemonstrationen nicht bewerten. Dafür bitte ich um Verständnis.

Die spannende Frage lautet für mich, gab es eine politische Einflussnahme auf die Tätigkeit der Polizei vor Ort? Auch hier war ich nicht dabei. Ausschließen möchte ich diese Versuche nicht. Denn ich kann auf vergangene Beobachtungen zurückgreifen.

Im „Kampf gegen rechts“ verschieben sich schon einmal die Koordinaten. Linke Gewalt wird als „grandiose Zivilcourage“ im öffentlichen Bewusstsein hochgelobt, das müsse doch schließlich auch mal erlaubt sein. Linksextreme sind plötzlich „Aktivisten“, Wutbürger der linksgrünen Art, habe ich auch schon in Anzug und Krawatte erlebt. Deren Verhalten aus einer bunten Masse heraus, erinnerte mich an kleine wütende Jungs, denen Mutti soeben ihr rotes Feuerwehrauto entzogen hatte.
Berlin ist keine Einzelfall sondern neue deutsche Normalität:

In Hamburg demonstrierte ein Frau mit einem Schild „Merkel muss weg“. Eigentlich ein normaler Vorgang in einer Demokratie. Während der Regierung Schröder/Fischer demonstrierten jeden Montag in dutzenden von Städten gegen die Hartz-Reformen. Man kann dafür sein, oder dagegen – so ist Demokratie. Nicht mehr in Deutschland. Der Demonstrantin in Hamburg wurden die Scheiben zum Kinderzimmer mit Steinen eingeworfen, die Reifen der Autos zerstochen, das Haus beschmiert. Bei der nächsten Demo waren 100 Bürger da und ein Heer von Gegendemonstranten. Die Merkel-Kritiker wurden mit Bussen der Polizei aus der Gefahrenzone gebracht. Vielleicht eine pragmatische Lösung – das Demonstrationsrecht aber sieht anderes vor.

Frau Ogilvie gab auf. Eine Woche später gab es wieder eine Demonstration, wieder Straßenterror von Links. Auch die Nachfolgerin gibt auf.

Der linke Terror schüchtert die Andersdenkenden ein, die Straße gehört den Schlägern und Schreiern der Antifa. Die dürfen sich allerdings als Demokraten fühlen. Sie haben den Staat nicht nur finanziell auf ihrer Seite:

In Frankfurt sollte eine Tagung zu „Ehe für Alle“ stattfinden. Eigentlich auch eine normale Sache – hatte der Bundestag doch auch nur mit knapper Mehrheit zugestimmt. Auch hier vertrieb eine linke Demo unter jubelnder Anteilnahme beispielsweise der „Frankfurter Rundschau“ die Tagungsteilnehmer an einen geheimgehaltenen Vorort.

Besonders peinlich: Frankfurts Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD)
tobte über die Veranstaltung: „Wir haben keinen Platz und kein Verständnis für homophobe Gruppen, Diskriminierung und Ausgrenzung.“ Er hat damit seine eigenen Wort widerlegt: Er würdigt Frankfurt als eine offene und tolerante Stadt. Genau das ist die Stadt nicht. Auf ihren Straßen und in ihren Sälen ist nur die eine, die linke Meinung erlaubt. „Kraftvoll für Vielfalt und Liebe“ titelt die FR dazu; ohne Gespür für die Eigen-Ironie.

Die Politik beteiligt sich an der Aushöhlung des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung aktiv.

Bundespolitiker wie Heiko Maas, der am Potsdamer Berta von Suttner-Gymnasium eine Sitzblockade gegen eine sogenannte Pogida-Demonstration (Potsdamer Ableger von Pegida) gegenüber Schülern explizit als „cool“ hervorhob. Leider vergaß er zu erwähnen, dass die Polizei das Demonstrationsrecht unabhängig von der politischen Botschaft zu gewährleisten und durchzusetzen hat.

Auch der Bundestagsabgeordnete der Linken, Norbert Müller, kommt gern zur Sache, so zeigte er die Polizeiführung in Potsdam strafrechtlich an, da sich die Polizei erdreistete, den Weg der (linken) Gegendemonstranten zu versperren. Der Kreisvorsitzende der Linken, Sascha Krämer gar „erwartete eine Änderung der Polizeitaktik“, als wenn dieser Politiker ein Polizeifachmann für Großeinsätze mit Hundertschaften und Wasserwerfern wäre. Offensichtlich herrscht in manchen Politikerköpfen immer noch die Ansicht, nur ihre Partei habe Recht. Vor allem, wenn es dem „Kampf gegen rechts“ diene. Dem ist aber keineswegs so. Für die Polizei darf es keine Rolle spielen, welche politischen Inhalte durch eine Demonstration an die Öffentlichkeit transportiert werden. Straftäter bleiben Straftäter, egal mit welcher politischen Motivation.

So klagte der Präsident der Brandenburger Polizei im Innenausschuss des Landtages, über 300 gewaltbereite linke Gegendemonstranten. Ich war selbst als Zuhörer im Innenausschuss zugegen. Eine lokale Zeitung machte aus dessen Angaben später neutrale „300 gewaltbereite Demonstranten“. Gewalt von links? Gibt es gar nicht!

Die Brandenburger Polizei musste bereits in einem ähnlichen Fall wie dem in Berlin eine Niederlage vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg einstecken. Dieses bestätigte ein Urteil zu einem NPD-Aufmarsch im September 2012 in Potsdam: Die Polizei handelte rechtswidrig und hätte die Blockaden räumen müssen. Damals hatte sich der SPD-Oberbürgermeister von Potsdam und andere Stadtverordnete an einer Blockade beteiligt, um der NPD den genehmigten Demonstrationsweg zu versperren. Nach meiner Erinnerung wurde dabei aktiv gegen die Absicht der Polizei Einfluss genommen, den Weg frei zu machen. Die NPD klagte gegen diesen Rechtsverstoß und gewann in beiden Instanzen. Das OVG urteilte:

„Es ist Aufgabe der zum Schutz der rechtsstaatlichen Ordnung berufenen Polizei, in unparteiischer Weise und ungeachtet der jeweils vertretenen politischen Ansichten auf Verwirklichung des Versammlungsrechts hinzuwirken“. Wegen der grundlegenden Bedeutung der Versammlungsfreiheit müsse dieses Recht „auch mit Zwangsmitteln gegenüber störenden Gegendemonstrationen durchgesetzt werden“. Bliebe die Polizei untätig, wäre das Grundrecht „inhaltsleer und dem Druck der Straße schutzlos ausgeliefert.“

Erschwerend kam damals hinzu, die Polizei sah sich plötzlich auf dem angemeldeten Demonstrationsweg mit einer „Spontandemonstration“ der Gegner konfrontiert.

Zum weiteren „politisch korrekten“ Vorgehen gegen die Polizei gehört es auch, einen ständigen Generalverdacht gegen die Polizei zu suggerieren. Angeblich wäre sie „auf dem rechten Auge blind“, wenn sie das im Grundgesetz verbürgte Gebot auf Versammlungs- und Demonstrationsrecht durchsetzen will. Wer dieses Recht etc. verhindert, begeht nach dem Versammlungsgesetz eine Straftat. Diese sind durch die Polizei gemäß Strafprozessordnung zu verfolgen. Dabei sind alle be- und entlastenden Umstände gleichermaßen zu erforschen.

Nach meiner Einschätzung wird sich die Polizei auch zukünftig einem verstärkten politischen Druck ausgesetzt sehen. Das lässt sich in einer pluralistischen Gesellschaft auch gar nicht vermeiden. Deshalb sollten wir die Polizisten an Ort und Stelle auch unterstützen, nicht nur bei Demonstrationen. Ob die Blockade von Berlin aufgelöst, nicht aufgelöst oder zu spät aufgelöst wurde, kann meines Erachtens nur der Rechtsweg klären – wie bei dem o.g. Fall.

Das Demonstrationsrecht in Deutschland wurde zum Privileg der Herrschenden und ihrer Anhänger verkürzt. Wer gegen die Politik der Herrschenden demonstriert, muss mit Steinen ins Kinderzimmer rechnen. Polizeischutz für die betroffene Familie Ogilvie in Niedersachsen gibt es nicht, nur ein Streifenwagen fuhr öfter als sonst mal vorbei. Die Steinewerfer kamen zwischen den Touren.


Steffen Meltzer, Buchautor von „So schützen Sie Ihr Kind! Polizeitrainer vermittelt Verhaltensrichtlinien zur Gewaltabwehr“ und „Ratgeber Gefahrenabwehr: Wie Sie Gewalt- und Alltagskriminalität in der Gesellschaft begegnen“.

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