Die Zwangsumarmung der CDU beschleunigte den Erstickungstod der SPD, während die AfD in aller Seelenruhe einen Platz nach dem anderen besetzt, den SPD und CDU frei machen.
Die Schlange hat zugebissen. Das angestrengte Starren der Maus entwickelte keine hypnotischen Kräfte, die AfD ist jetzt erstmals in einer Umfrage an der SPD vorbeigezogen. Eine Zäsur? Wird der 19. Februar 2018 in Zukunft der Tag sein, der immer wieder zitiert werden wird, wenn jemand die Frage stellt, wie es zum Niedergang der SPD kommen konnte?
Laut INSA-Umfrage von heute kommt die SPD auf 15,5 Prozent der Stimmen der Befragten und die AfD auf 16 Prozent. Da fällt es kaum noch auf, dass die CDU mit 32 Prozent gegenüber der SPD mehr als doppelt so viele Stimmen auf sich vereinen konnte. So fällt auch nicht einmal mehr auf, wie viel grotesker sich jetzt noch einmal die Ministerpostenverteilung der Koalitionsverhandlungen zwischen SPD und CDU ausmacht.
Nun sollten sich aber die Jubelstürme auch in der AfD in Grenzen halten. Hier hat ein Hase-und-Igel-Rennen stattgefunden mit der SPD als Hasen. Schneller kann man der AfD kaum entgegenkommen. Wir erinnern uns: Wenige Wochen vor der Bundestagswahl sah es so aus, als würden sich die umwälzenden Veränderungen im Land kaum auf die Wahlprognosen auswirken, die SPD näherte sich der 30-Prozent-Marke an und wollte mit Kanzlerkandidat Martin Schulz stärkste Kraft im Bundestag werden.
Der positive Schulz-Effekt allerdings entwickelte sich zum negativen Schulz-Gabriel-Maas-Scholz-Dreyer-Klingbeil-Schwesig-Stegner-Heil-usw.-Drall. Die AfD überholt in der ersten Umfrage überhaupt die SPD. Und das ausgerechnet in einem Moment, als sich mit André Poggenburg ein führender AfD-Politiker die wohl bisher schlimmste Entgleisung in der gesamten AfD-Historie erlaubte und es damit schaffte, sogar noch Björn Höcke zu überholen.
Das allerdings ist noch aus einem ganz anderen Grunde schlimm, erzählt es doch, dass der Aufstieg der AfD zur zweiten Kraft im Lande abgekoppelt ist von irgendwelchen Sympathiepunkten für Vertreter der parlamentarischen Rechten, sondern viel mehr der Ratlosigkeit der SPD ebenso geschuldet ist wie der auch von konservativen Bewegungen innerhalb der CDU nicht mehr umkehrbaren Sozialdemokratisierung der Christdemokraten.
Die SPD hat fertig. Zuerst kam sie ins Schwitzen und gab ihre Kernkompentenzen an der GroKo-Garderobe ab, dann ließ sie es zu, dass sich die CDU die wattierte Jacke stibitzte und der AfD auch noch den rechten Ärmel der abgewetzten Arbeiterjoppe überließ, die dann mit ein paar wenigen sozialistischen Einfärbungen im Wettlauf um die Wählergunst an ihr vorbeizog.
Jetzt könnte man dieses Überholmanöver von Seiten der SPD zur Lappalie erklären, zu einer Momentaufnahme, die sich schnell wieder umdrehen wird. Aber es war die SPD selbst, die das neue Zwischenergebnis dieses Wettlaufs als Worst Case für die eigene Partei verstand. Wer über Jahre einen Alarmismus gegenüber der Gauland-Weidel-Partei pflegt, weil das so bedeutend einfacher ist, als eigene positive Signale für die Zukunft zu setzen, der muss sich nicht wundern, wenn ihm die Wähler davonlaufen.
Wofür steht die SPD heute? Kaum einer weiß es noch genau. Die Zwangsumarmung der CDU hat den Erstickungstod der SPD beschleunigt, während die AfD in aller Seelenruhe einen Platz nach dem anderen besetzt, einfach deshalb, weil er frei geworden ist. Oder anders gesprochen: Während die AfD weiter bei ihrem Masterthema Massenzuwanderung bleibt, weil die Verursacher sich immer noch stur weigern, dieses Problem nachvollziehbar anzupacken.
Unterschätzen sollte man so eine Prognose übrigens auch aus einem weiteren Grund nicht: Umso mehr Befragte sich für die AfD aussprechen, desto weniger Bedeutung haben die Ausfälle einzelner Parteimitglieder. Der deutsche Wähler ist treu. Auch wenn heute das Gegenteil behauptet wird und von so viel unentschlossenen Wählern wie nie die Rede ist, so war auch das häufig nur eine SPD-Alibibehauptung aus der Erklärungsnot des eigenen Versagens heraus.
Sollten sich aber erst einmal bis zu zwanzig Prozent der Wähler für die AfD entscheiden, dann nähern sie sich dem Schlagbaum zur Volkspartei an. Dann gilt die Partei noch einmal mehr als ihre einzelnen Vertreter. Dann wird sich die AfD in der Bundesrepublik langfristig etablieren. Und das auf Augenhöhe mit den beiden ehemaligen Volksparteien. Eine Erfolgsgeschichte, welche die FDP nicht einmal angepeilt und um die die Grünen Jahrzehnten vergeblich gerungen haben.
Eine Zäsur? Vielleicht. Aber auf jeden Fall ein Datum, dass Sie sich merken dürfen.
Wenn Ihnen unser Artikel gefallen hat: Unterstützen Sie diese Form des Journalismus. Unterstützen