Ursprünglich sollte Anne Will am Sonntag vor dem Rosenmontag ausfallen. Als dann die Koalitionsverhandlungen doch ein Ende mit Ergebnis fanden, wollte Frau Will das und die Kritik an Martin Schulz angeblich mit einer Runde am Sonntagabend besprechen. Dass es trotzdem einen Will-freien Abend gab, dürfte eine Premiere gewesen sein. Die dürre ARD-Mitteilung sagte: „Allerdings hatten sich potenzielle Gäste für eine einstündige Gesprächssendung an diesem Sonntag offenbar Zurückhaltung auferlegt“. Die Anne-Will-Redaktion war noch wortkarger und verwies lediglich auf den ARD-Text.
Wollte denn niemand bei Will Platz nehmen, wo doch diese Stühle bei den üblichen Verdächtigen mehr als begehrt sind, kann man sich doch sonst keinem so großen Publikum zeigen? Oder wollen hätten sie sie schon gemocht, aber trauen haben sie sich nicht gedurft?
Die Erklärung, die bei den Medien durchschimmert, aber merkwürdig unberichtet und unkommentiert blieb, wäre die Angst gewesen, bei der Kuchenverteilung leer auszugehen. Die andere leuchtet mir mehr ein. Frau Merkel wollte die Aufmerksamkeit des Sonntagabends ganz auf ihre Rede an die CDU in Berlin direkt konzentrieren und nicht durch Anne Will mit wem auch immer wenig später überdecken lassen. Wobei die Profis alle wissen, dass es die Berichte von zwei Stunden vor Beginn der Sendung auf allen Kanälen und die Fortsetzung dieser Berichterstattung den ganzen Abend über und am folgenden Tag ist, auf die es ankommt. Die Sendung selbst ist der unwichtigste Teil der Kampagne. Außerdem ohnedies nur die Abspielung der Aufzeichnung.
Und so macht die Pause bei Anne Will doppelt Sinn. Erstens den geschilderten. Und zweitens hebt sich Frau Merkel den Einzelstuhl bei Anne Will für den Fall auf, dass sie ihn vor oder nach dem CDU-Bundesparteitag am Montag, dem 26. Februar braucht: für ihr einziges Ziel, das Kanzleramt. Ich darf erinnern, dieser Parteitag liegt mitten in der SPD-Mitgliederabstimmung vom 20. Februar bis zum 2. März.
Ich frage mich auch hier wieder, warum klären die früheren Meinungsführer-Medien Genannten darüber ihre Leser, Zuschauer und Zuhörer nicht auf.
Wer sich zwischen beiden Erklärungen nicht entscheiden kann, für den habe ich eine alte schwäbische Weisheit: man kann Läuse und Flöhe zugleich haben.
Am Mittwoch wiederum springt Sandra Maischberger in die Will-Bresche; man spürt die Konkurrenz zwischen den Formaten. Das fördert die Wahrheitsfindung. Schauen Sie hinein; TE-Autor Wolfgang Herles diskutiert über das Thema „Das GroKo-Drama: Zerlegen sich die Volksparteien?“