Tichys Einblick
Spanien und Europa

Zuwanderung: Druck aus Subsahara Afrika steigt

Hunger, tägliche Gewalt und schlichte Ausweglosigkeit treiben derzeit immer mehr Afrikaner nach Europa. 2018 wird eine Herausforderung für Spaniens Küsten- und Grenzkontrollen.

© Marcos Moreno/AFP/Getty Images

Spanien ist vieles, aber solidarisch mit Hilfesuchenden ist das Land sicherlich nicht, zumindest nicht die Regierung. Die von der konservativen PP praktizierte Immigrationspolitik ist voller Scheinheiligkeit. Der Druck aus Subsahara Afrika steigt jedoch, trotz der Kälte des Winters. Nur, wenn, wie gerade, wieder 18 Menschen in den kalten Gewässern vor Spanien ertrinken, dann ist Immigration den spanischen Medien eine Nachricht wert. „Sehr traurig,“ findert der in Barcelona lebende Abuy Nfubea, afrikanischer Experte für Inmigration und Buch-Autor.

Ceuta und Melilla werden regelrecht attackiert

Dabei ist das Thema so brennend wie noch nie: Die europäische Küstenpolizei Frontex rechnet damit, dass Spanien in diesem Jahr noch mehr Druck auf seine Küsten und Grenzen erwarten muss. 2017 strandeten 22.000 Hilfesuchende in Spanien, einige Hunderte davon gelangten über die Grenzzäune in Ceuta und Melilla nach Europa. In den spanischen Exklaven auf marrokanischem Boden gibt es seit Anfang des Jahres wieder regelrechten Attacken auf die Grenzübergänge. Mitte Januar wurden zwei marrokanische Frauen durch die Menschenansammlungen auf der Brücke von Biutz (Ceuta), wo täglich 10.000 Marrokaner rein und rausgehen, zu Tode getrampelt.

Frontex-Direktor Fabrice Leggeri glaubt, dass auch die niedrigeren Preise der Schleuser für die Maghreb-Route Spanien derzeit attraktiv machen: „Aber auch die zunehmende stabile wirtschaftliche Situation treibt die Menschen an, diesen langen und gefährlichen Weg einzuschlagen.“ Für Abuy Nfubea ist es ein Drama, wie die Hilfesuchenden durch ihre TV-Realität vom europäischen Konsum angezogen werden und dann gleichzeitig an den Grenzen zu Europa nach monatelangen gefährlichen Reisen wieder zur Rückkehr gezwungen werden: „Die ehemaligen Kolonialländer müssen sich mehr um die Probleme vor Ort kümmern, nicht nur da, wo eigene wirtschaftliche Interessen sind. Die Waffenlieferungen von Deutschland und Spanien an viele afrikanische Diktaturen müssen eingestellt werden.“

Cristiano Ronaldo und Werbung treibt die Armen nach Spanien

Abuy Nfubea kommt selber aus Äquatorialguinea. Er versucht in seinen Vorträgen und Artikeln klar zu stellen, wie die Immigration wirklich funktioniert: „Der illegale Weg ist der einzige, den viele wählen können, wenn sie kein Recht auf Visum oder Flüchtlingsstatus haben. Dass da Menschen sind, die aus dieser Not ein Geschäft machen ist normal. Sind das Mafias?“ Mit Spanien verbinden die meisten Afrikaner gemäβ seiner Erfahrungen Cristiano Ronaldo und Reichtum. Ob das Gründe sind, um sich auf eine gefährliche Reise nach Europa zu begeben, ist anzuzweifeln.

Wichtiger ist es, darüber zu sprechen, wie die für dieses Jahr erwartete neue Welle von Hilfesuchenden zu managen ist. „Aber das wird nicht in der Gesellscahft diskutiert und auch in den Medien ist es kaum ein Thema,“ beklagt Abuy Nfubea.

Hilfsorganisationen schrien jedoch auf, als Spaniens Regierung vor zwei Jahren begann, Immigranten in Melilla, die versuchten illegal die Grenzzäune zu überwinden, direkt wieder zurück zu schicken auf die marrokanische Seite, wo eine harte Polizei und Gefängnis auf sie wartet. Zwei der Betroffenen schafften es dann ein Jahr später dennoch nach Spanien zu kommen, wo sie das Geschehene denunzierten und sie bekamen nicht nur Recht, sondern jeder auch noch eine Entschädigung von 5.000 Euro.

Spaniens Grenzpraktiken sind umstritten

Der europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat diese Praxis aus dem Jahr 2016 angeprangert und Spanien verurteilt, da man den Hilfesuchenden keinen Zugang zu Rechtsanwälten oder Hilfsorganisationen gegeben habe, wie es das internationale Recht vorsieht. Die spanische Regierung ging in Berufung. Diese wurde jetzt gerade vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zugelassen. Dennoch der Druck auf den aus Sevilla stammenden spanischen Innenminister Juan Ignacio Zoido Álvarez steigt.

Die Situation in Ländern wie Mali, Nigeria, Elfenbeinküste, Guinea und Mauretanien verschlechtert sich. Viele von denen, die sich aufmachen nach Europa, bekommen dennoch keine Aufenthaltsgenehmigung, weil keine direkte politische Verfolgung vorliegt. In den Boomjahren war illegale Einwanderer in Spanien kein Problem, irgendwie kamen sie auch ohne Aufenthaltsgenehmigung in der Landwirtschaft oder im Bau unter, aber jetzt will Zoido den Ball möglichst flach halten. Das Land hat mit Katalonien schon genug Probleme und schlechte internationale Presse. Für Abuy Nfubea, der aus einer ehemaligen spanischen Kolonie kommt, ist das Verhalten Spaniens nicht aktzeptabel:

„Für viele Menschen aus Äquatorialguinea ist Spanien wie das Mutterland. Es ist normal, dass sie hier leben wollen. Das muss die Regierung verstehen und sich mehr in die Politik dort einmischen, dort investieren.

Es ist eine historische Verantwortung. Diese hat das Land übrigens noch mehr in Lateinamerika, wo fast tägliche Tausende von Venezuelaner vor Hunger und der aussichtslosen politischen Lage flüchten. Spanien schaut weg.“

Die mobile Version verlassen