Tichys Einblick
2018: Jahr der Lawine

Frau Merkel regiert die CDU mit der SPD

Mehrere Schneebälle liegen schon ganz oben im politischen Hang. Einer, den ich und Sie noch nicht genau ausmachen können, wird die Lawine auslösen. Setzen sich Lawinen einmal in Bewegung, hält sie nichts mehr auf.

© Tobias Schwarz/AFP/Getty Images

Hier bei TE stand gestern nicht zum ersten, sondern Xten Mal, aus der Feder einer ganzen Reihe von Autoren, worum es Angela Merkel immer einzig und allein ging und geht: um sich selbst.

Gestern Nacht schrieb BILD online:

«Ungezählte Male ist Kanzlerin Angela Merkel vorgeworfen worden, man könne nicht erkennen, um was es ihr in der Politik eigentlich geht. Das kann nun niemand mehr behaupten.

Angela Merkel geht es in der neuen Regierung um: Angela Merkel.

Um ihre Macht zu erhalten, hat sie den Sozialdemokraten die wichtigsten Ministerien überlassen und damit die erste SPD-Regierung unter Führung einer CDU-Kanzlerin geschaffen.»

Zum weiteren Procedere steht bei Welt online: «Die CDU will bei einem sogenannten ordentlichen Parteitag mit 1001 Delegierten am 26. Februar in Berlin über die Koalition abstimmen. Bei der SPD haben die 463.000 SPD-Mitglieder das letzte Wort. Sie stimmen bis zum 2. März über den Koalitionsvertrag von Union und SPD ab, am 4. März wird das Ergebnis bekanntgegeben.»

Koalitionspartner MSM
Nach der Kanzlerwahl hat der Kanzler Narrenfreiheit
Dass Frau Merkel in Wahrheit seit langem immer nur einen Koalitionspartner hatte, nämlich die Meinungsführer-Medien, habe ich hier auch einmal beschrieben: Die Bestätigung dieser Behauptung konnte jeder jeden Tag seit dem 24. September in den Mainstreammedien (MSM) verfolgen und kann das bis zum Ergebnis der Mitglieder-Abstimmung der SPD weiter tun. Wenn die MSM nun rauf und runter melden und kommentieren, dass die SPD ihre Chance genutzt und der CDU zentral wichtige Ministerien wie das Finanzministerium und so weiter weggenommen hätten, beeinflussen sie die Abstimmung in der SPD massiv zugunsten der SPD-Führung und damit für eine erneute Kanzlerschaft von Frau Merkel. Je mehr das Personenkarussell der künftigen Ministerriege gedreht wird, desto mehr wird die NoGroKo-Kampagne der Jungsozialisten übertönt.

Voll in dieses Horn stößt etwa Nikolaus Blome: «Operation gelungen, Patient (fast) tot. Doch der Patient, das ist nicht die SPD, sondern die CDU – und Angela Merkel.» Auch Holger Steltzner, der mit seiner negativen politischen Folgenabschätzung in der FAZ weitgehend recht hat, hilft der Folgenverursacherin Nr. 1 ins Amt, wenn er den Ausgang der GroKo-Verhandlungen als Sieg der SPD darstellt. Egal wer in welchem Medium, allein mit der Wahl der Themen befördern sie das einzige Ziel von Frau Merkel: im Kanzlersessel sitzen bleiben zu können. Ich traue übrigens so gut wie niemandem in den Chefredaktionen hinter dem allen Strategie zu. In erster Linie schreiben sie alle nicht für Leser und senden nicht für Zuschauer, sondern für die anderen Journalisten.

Herles fällt auf
Merkel, Steinmeier und Jahresendgelaber
Es ist ein unglaublicher Vorgang, dass die Wahl eines Parteivorsitzenden durch einen Parteitag – womöglich mit mehreren Kandidaten – ausgerechnet bei der SPD nun zum zweiten Mal in Folge durch die Erbfolge-Entscheidung des noch auf dem Königsthron sitzenden geregelt wird. Von hoher Symbolik ist das für den Niedergang der ehemaligen Arbeiterbewegung und darüber hinaus für den Bankrott des ganzen Parteiensystems. Aber in den MSM ist das kaum mehr als ein Randthema.

CDU, CSU und SPD führen den Bürgern vor, dass sie nichts mehr sonst sind als die Jobbörse der Berufspolitiker, dem Personal des Parteienstaats. Wie lange dauert es eigentlich noch, bis die Zahl der Wähler solcher Parteien identisch ist mit den von ihnen in ihrer beruflichen Existenz direkt oder indirekt Abhängigen in öffentlichen Verwaltungen, NGOs, Wohlfahrtsverbänden, Gewerkschaften, Medien, Kirchen, subventionierten Unternehmen und so weiter und so weiter?

Dass Andrea Nahles SPD-Vorsitzende wird, stand hier bei TE auch schon. Das drängte sich beim SPD-Parteitag, der den Weg für GroKo-Verhandlungen freigab, auf, als sie sich lautstark in die Wortschlacht warf und einen aus Brüssel keinen Widerspruch gewohnten, schwach argumentierenden Schulz ausstach.

Nun also geht es in die Abstimmung bei den Mitgliedern der SPD. Bei dieser wird nicht über die 177 Seiten Koalitionsvertrag abgestimmt, weil das schon technisch nicht geht. In Wahrheit wird abgestimmt über das Attest, das die MSM der SPD-Führung in diesen Tagen und Wochen ausstellen. Mit dem Bild des Sieges der SPD über die CDU, mit dem Bild des Sieges von Frau Nahles über Frau Merkel verhelfen sie Frau Merkel zum einzigen Sieg, an dem diese interessiert ist: zum Sitzenbleiben im Kanzlerstuhl.

Übrigens: Wie die künftigen Bundesminister heißen, ist belanglos, Frau Merkel, als Kanzlerin wiedergewählt, macht, wenn sie will, was sie will. Sie hat sogar formal die Richtlinienkompetenz. Und das Parlament braucht sie nicht, wo es kein Gesetz braucht, sondern einfach nur Regierungshandeln. Wäre Frau Merkel nicht so feige, hätte sie das in einer Minderheitsregierung viel einfacher haben können.

Sollte die Mitgliederabstimmung der SPD zu meinem Erstaunen negativ ausgehen, kann Frau Merkel Herrn Steinmeier noch immer sagen: ich kandidiere. Es bliebe dem wohl nichts übrig, als sie dem Bundestag als Kandidatin vorzuschlagen.

Wie auch immer: 2018 ist das Jahr der Lawine. Mehrere Schneebälle liegen schon ganz oben im politischen Hang. Einer, den ich und Sie noch nicht genau ausmachen können, wird die Lawine auslösen. Setzen sich Lawinen einmal in Bewegung, hält sie nichts mehr auf.

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