Im laufenden Gesetzgebungsprozess zur Novelle der Erbschaftsteuer wird das Vererben und Erben und das Schenken und Beschenkt-Werden immer wieder lautstark ganz generell für sozial ungerecht erklärt. Dagegen hat der Familienunternehmer und Publizist Gerd Maas eine Argumentationshilfe verfasst, die im September als Buch erschienen ist: „Warum Erben gerecht ist: Schluss mit der Neiddebatte“. Für Tichys Einblicke hat Maas eine Reihe seiner Gedanken zusammengestellt. In Teil 1 ging es um die zahlreichen Schimären in der Rechtfertigung einer hohen Besteuerung von Erbschaften und Schenkungen. In Teil 2 um die haltlosen Axiome der Debatte.
Egal wie man im Detail die Besteuerung von Erbschaften begründet, es erfordert jedenfalls, dass Erben und Erblasser auseinanderdividiert werden. Es darf dann – realitätsbeugend – keine Rolle spielen, dass ein Vermögen sehr häufig gar keiner einzelnen Person einwandfrei zugeordnet werden kann. Tatsächlich ist Vermögen sehr oft das Resultat eines familiären Miteinanders. Tatsächlich ist die Urform von Besitz und Eigentum der Familienbesitz.
Familienbesitz als Moment der Menschheitsgeschichte
Mit dem Sesshaftwerden der Menschen in der Jungsteinzeit wurden vor 12.000 Jahren erstmals materielle Güter wesentlich. Hütten, Einfriedungen, Haushaltswaren, Werkzeug und dann nach und nach auch Schmuck und Zierrat. Die Verfügung darüber oblag den Familien und es wurde über die Generationen weitergegeben. Der Familienbesitz, die gemeinsame Arbeitskraft und die Kooperation in der Dorfgemeinschaft, naturgemäß stark von blutsverwandtschaftlichen Beziehungen durchwoben, waren über Jahrtausende die Eckpfeiler der Daseinsvorsorge. Von der Jungsteinzeit bis zur industriellen Revolution. Relativ unabhängig von übergeordneten Herrschaftssystemen – nur mehr oder weniger dadurch drangsaliert.
Durch die Kontinuität des Familienbesitzes konnten viele landwirtschaftliche Kulturen überhaupt erst entstehen. Das Paradebeispiel hierfür ist sicherlich die Forstwirtschaft. Von der Pflanzung bis zur Ernte liegen bei der modernen forstwirtschaftlichen Nutzung auch heute noch Jahrzehnte bis Jahrhunderte. Diese Umtriebszeiten sind bei Fichten 80 bis 120 Jahre, bei Buchen 120 bis 160 Jahre und bei Eichen 180 bis 300 Jahre. Mindestens 180 Jahre bis eine Eiche schlagreif ist, sodass aus ihr rentabel Eichenbretter geschnitten werden können. Nimmt man unseren heutigen durchschnittlichen Generationsabstand von rund 30 Jahren, dann kann eine Eiche frühestens die sechste Generation nach dem Pflanzer ernten – die Ururururenkel. Gegebenenfalls auch erst die zehnte – die Ururururururururenkel. Wenn jede Generation Steuern auf das jeweilige ganze Waldvermögen zahlt, dann kommt das per Saldo einer Enteignung gleich.
Solche Steuerpolitik behindert also systematisch das langfristige familiäre Wirtschaften. Die Familie ist aber bis heute die grundlegende Einheit der Subsidiarität geblieben. Die Familie bildet die entscheidende materielle Grundlage für Kulturschaffen, die Kapitalstöcke für Unternehmungen und die Fonds für die eigenverantwortliche Vorsorge. So hat sich das Ludwig Erhard in der sozialen Marktwirtschaft auch vorgestellt: „Ich will mich aus eigener Kraft bewähren, ich will das Risiko des Lebens selbst tragen, will für mein Schicksal selbst verantwortlich sein. Sorge du, Staat, dafür, dass ich dazu in der Lage bin“ (Wohlstand für alle, 1957). Erbschaftsteuer ist daher ein Instrument der Zwangskollektivierung. Ein trojanisches Pferd zur Vernichtung individueller Freiheit.
Ist schenken besser als erben?
Und selbst wenn man alles Vorstehende in den Wind schreiben würde und das Familienvermögen einer einzelnen im Sterben liegenden Person zuschreibt, dann ist es doch immer noch eine Eigentumsverfügung des Erblassers. Um das zu vertuschen, wird stets vom Erben und nur ganz selten vom Schenken gesprochen. Ja man deklariert sogar Schenkungen als vorweggenommenes Erbe um. Alle Wortklauberei ändert aber nichts daran, dass in jedem Fall jemand über sein aus versteuerten Einkommen erspartes Eigentum verfügt. Würde man da dem realen Vorgang entsprechend stets von Verschenken sprechen, dann würde es wohl kaum jemandem einleuchten, warum das ein Besteuerungsgrund sein soll. In einer freiheitlichen Gesellschaft, die das Eigentum ausdrücklich unter grundgesetzlichen Schutz stellt, ist es doch vollkommen irrelevant, ob jemand sein Vermögen in Zukunft selbst weiterspart oder verkonsumiert, oder ob er das jemandem anderen überlässt. Was geht es den Staat an, ob ich meinen Kuchen selber esse oder mit anderen teile?
Aus dieser Perspektive wird leicht deutlich, dass die Erbschaftsteuer eigentlich eine allgemeine Vermögensteuer beziehungsweise eine Doppelbesteuerung des Einkommens ist. Eine Doppelbesteuerung von Einkommen, das bereits progressiv hoch besteuert war. Denn um Vermögen bilden zu können, muss man auf Konsum verzichten und sparen. Das heißt, man muss ein Einkommen erwirtschaften, das die Kosten der Lebenshaltung übersteigt. Unser Einkommensteuertarif ist so angelegt, dass er jeden zusätzlichen Euro Einkommen relativ höher besteuert – ein linear steigender Grenzsteuersatz, eine starke Ausprägung des Gedankens der Leistungsfähigkeitsgerechtigkeit. Das zusätzliche Einkommen oberhalb der Lebenshaltungskosten ist dabei nun gerade das vermögensbildende Einkommen. Die Teile des Einkommens, die zum Sparen übrigbleiben, sind also regelmäßig die am höchsten besteuerten Teile. Tatsächlich lässt sich der eine Euro natürlich nicht von dem anderen unterscheiden, aber dieser Blickwinkel entspricht genau der Idee unseres linear-progressiven Einkommensteuer-Tarifs – von jedem Euro, den man mehr verdient, kann man leichter etwas abgeben.
Solche Substanzbesteuerungen, die zudem alle nicht ausreichend rentablen Vermögensanlagen sukzessive enteignen, lassen sich im herrschenden Rechts- und Gerechtigkeitsverständnis nur mit außergewöhnlichen Notlagen rechtfertigen. Und das ist dann auch der allerletzte Notanker der Erbschaftsteuer-Befürworter: die enorme und immer weiter ausufernde Staatsverschuldung. Die ist in der Tat nicht zu leugnen. Ganz im Gegenteil äußerst beklagenswert. Bei der Schuldenquote pro Kind liegt Deutschland im OECD-Vergleich abgeschlagen im hinteren Fünftel. Ein Armutszeugnis für die Zukunftsfähigkeit. Wenn es uns aber trotz eines durchschnittlichen Wachstums der Steuereinnahmen von jährlich knapp fünf Prozent seit 2010 – von 530,6 Milliarden Euro 2010 auf 643,6 Milliarden Euro 2014 beziehungsweise geschätzt 666,5 Milliarden Euro 2015 – nicht einmal gelingt die Neuverschuldung von Bund, Ländern und Gemeinden zu stoppen, dann scheint mir, haben wir ein Ausgaben- und kein Einnahmen-Problem.
Dazu gibt es freilich, wie bei allem Vorstehenden, einiges mehr zu sagen, als hier angemessen Platz hat. Und ein paar Pointen und Stiche wollte ich zugegebenermaßen auch den Buchlesern vorbehalten: „Warum Erben gerecht ist: Schluss mit der Neiddebatte“
Das neue Buch von Gerd Maas – Warum Erben gerecht ist: Schluss mit der Neiddebatte