Passend rund um das gerade stattgefundene Stelldichein beim Weltwirtschaftsforum in Davos werden von interessierter Seite wieder Verteilungsdebatten angezettelt. Oxfam und jetzt auch das DIW berechnen möglichst spektakuläre Vermögensvergleiche. Soundso viele Vermögende besitzen mehr als die Hälfte oder noch mehr des Vermögens der Weltbevölkerung. Das sei ungerecht. Die einen sprechen sich für globale Umverteilung aus, andere wollen große Vermögen im eigenen Land höher besteuern. In dieser aufgewühlten Zeit ist es daher schon ein Lichtblick, wenn ein Grüner nicht in diese Fanfare bläst. Deren Vordenker Ralf Fücks hat in einem erfrischenden Beitrag in der Welt sich ganz im Erhardschen Sinne für eine Politik ausgesprochen, die „Eigentum für alle“ zum Ziel hat. Also keine Vermögensteuer, sondern die Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Beteiligung der Bevölkerung am Produktivvermögen. Das ist schon einmal ein Anfang.
Das Auseinanderfallen von Vermögen und Erwerbseinkommen muss auch eingefleischte Marktwirtschaftler nachdenklich machen. Zwar sind die Ursachen nicht monokausal, sondern wahrscheinlich vielschichtig, aber sehr schnell kommen auch Marktwirtschaftler bei dieser Entwicklung in Erklärungsnot. Zumindest die Entwicklung der Vermögensgüter zeigt das. Allein die Vermögenspreise sind im dritten Quartal 2017 um 8,7 Prozent gestiegen, Betriebsvermögen sogar um 22,9 Prozent und Aktien um 13 Prozent. Und selbst Immobilien sind in diesem Zeitraum um 7,7 Prozent gestiegen. Seit 2009 sind Vermögenspreise insgesamt um rund 50 Prozent gestiegen. (Quelle: FVS Vermögensindex Q3-2017). Da ist im Vergleich die Entwicklung der Reallöhne von 2007 bis 2017 von nominal 22,7 Prozent (preisbereinigt 10 Prozent) dann doch eher überschaubar.
Sehr schnell sind viele da, ob bewusst oder unbewusst, bei den Theorien von Karl Marx, der das Anhäufen von immer mehr Kapital auf Kosten der Arbeiterklasse zum Gesetz erklärte und daher zum Klassenkampf aufrief. Daraus folgten und folgen vielleicht noch immer viele Tragödien des real existierenden Sozialismus. Doch es gibt auch eine marktwirtschaftliche Begründung für diese Entwicklung. Diese hat mit der Intervention des Staates in das Geldwesen zu tun. Geld und dessen Umlaufmenge ist heutzutage ein staatliches Produkt. Der Staat und seine dafür beauftragte Notenbank bestimmt direkt und mittelbar über die Kreditvergabe der Banken die Umlaufmenge des Geldes. Alleine in den letzten 10 Jahren ist im Euroraum die Geldmenge (M3) um jährlich 3,24 Prozent und in den letzten 20 Jahren sogar um 5,35 Prozent pro Jahr angestiegen. Das ist in allen Fällen höher als das jeweilige jährliche Wachstum im Euroraum. Dieses billige Geld sollte Konjunkturen befeuern, trieb aber tatsächlich die Aktien- und Immobilienpreise an. Die Liquiditätsschwemme führte und führt zu Blasen an den Märkten für Vermögensgüter, deren Platzen immer wieder durch noch billigeres Geld abgemildert oder verhindert wurden.
Das hat mit Marktwirtschaft nichts zu tun. Denn in einer Marktwirtschaft gehört das Ausscheiden einzelner Marktteilnehmer ebenso dazu wie deren Erfolg. Wer die Insolvenz von Unternehmen, Banken und Staaten verhindert, versündigt sich daher an der Marktwirtschaft und trägt zur ungerechtfertigten Schonung von Vermögen bei.
Die Wirkung der Geldmengenvermehrung auf die Marktteilnehmer und ihre Verteilungseffekte sind nicht neu. Der irische Ökonom Richard Cantillon beschrieb dies bereits im 18. Jahrhundert. Cantillon war der Meinung, dass eine Geldmengenausweitung nicht für alle gleichzeitig vorteilhaft sei, sondern diejenigen, die das neue Geld zuerst erhalten, profitieren zuerst von dieser Geldmengeninflation. Sie können zuerst mit dem neuen Geld arbeiten, bevor die Geldvermehrung bei allen Wirtschaftsteilnehmern angekommen ist. Die Nutznießer sind der Staat, die Banken und eben Vermögensbesitzer. Diejenigen die am Ende der Verwertungskette des neuen Geldes stehen, müssen höhere Preise bezahlen, sei es als Konsument, sei es als Mieter oder sei es als jemand, der Handwerkerleistungen in Anspruch nehmen will. Dieser Cantillon-Effekt ist Ursache dafür, dass Staat, Banken und auch Vermögensbesitzer tendenziell profitieren und Konsumenten, Handwerker und Arbeitnehmer eher die Nachteile zu tragen haben.
Die Ursache für das Auseinanderfallen des Vermögens im Verhältnis zum Arbeitseinkommen hat daher mit der Marktwirtschaft sehr wenig zu tun. Denn in einer Marktwirtschaft würde ein Marktzins existieren, der das Marktrisiko abbildet und gleichzeitig die Zeitpräferenz berücksichtigt. Das heißt, der zeitliche Verzicht des Geldhalters wird durch einen Preis (den Zins) belohnt, den der Kreditnehmer zu zahlen hat.
Und es ist auch deshalb keine Marktwirtschaft, weil in einer Marktwirtschaft die Insolvenz von Unternehmen, Banken und Staaten eine zwingende Voraussetzung ist. Das Ausscheiden aus dem Markt ist ebenso wichtig wie das Aufsteigen. Es ist die andere Seite der Medaille der Marktwirtschaft. Schließt man das Ausscheiden aus, dann können Banken mit sehr viel weniger Eigenkapital wirtschaften, Risiken zu Niedrigzinsen eingehen und ein viel größeres Rad drehen. Am Ende sind sie dann so groß, dass sie bei einer drohenden Schieflage immer wieder den Steuerzahler erpressen können. Wer die Marktwirtschaft retten will, muss hier ansetzen und die Manipulation des Zinses beenden.