Fast fünf (4,8) Milliarden Euro haben die großen sechs Parteistiftungen – Konrad-Adenauer-Stiftung (CDU), Friedrich-Ebert-Stiftung (SPD), Heinrich-Böll-Stiftung (Grüne), Rosa-Luxemburg-Stiftung (Linke), Hanns-Seidel-Stiftung (CSU) und Friedrich-Naumann-Stiftung (FDP) – in den zehn Jahren von 2008 bis 2017 aus Steuermitteln erhalten. Die konkreten Zahlen zur Höhe der Zuwendungen aufgegliedert nach Stiftungen und Jahren: siehe in Teil 1 des Beitrags.
Gesetzliche Regelungen zur Finanzierung der Parteistiftungen existieren nicht, die Mittel werden in den Haushaltsausschüssen der Parlamente und in Klüngelrunden festgelegt (siehe dazu Teil 1). Da Regierungs- und Oppositionsparteien gleichermaßen am Wohlergehen ihrer Stiftungen interessiert sind und alle Parteien von der überaus großzügigen finanziellen Ausstattung ihrer Stiftungen profitieren, ist der Steuerzahler naturgemäß der gelackmeierte Dritte. So verwundert es nicht, dass der Parteistiftung der Linkspartei 20 Millionen Euro Steuergeld zugestanden wurden, damit diese sich bis 2018 als letzte der großen Sechs in bester Lage im Berliner Bezirk Friedrichshain eine neue Stiftungszentrale errichten darf. Wie die Welt am Sonntag herausfand, sitzen in der Projektfirma für den Bau der Zentrale mehrere hochrangige Leute der früheren DDR-Staatssicherheit. Näheres siehe hier. Wobei Stasi-Leute in steuerfinanzierten Stiftungen oder in deren Umfeld bekanntlich keine Besonderheit der Parteistiftungen sind (siehe beispielsweise hier).
Parteistiftungen und Parteien eng verflochten durch verdiente Parteipolitiker
Dass auch nur irgendein (Haushalts)politiker die Selbstbedienung zu Lasten des Steuerzahlers hinterfragt, erscheint angesichts des Interessengleichklangs von Stiftungen und Parteien ausgeschlossen. Zumal Kritik am bestehenden System einem Politiker wohl nicht gut bekommen würde, betrachtet man die Machtverhältnisse. So sitzen zum Beispiel im Vorstand der Konrad-Adenauer-Stiftung der CDU unter anderem die CDU-Parteivorsitzende = Bundeskanzlerin Merkel, der bisherige Bundestagspräsident Lammert (Vorstandsvorsitzedner), der CDU-Generalsekretär Tauber, der Vorsitzende der CDU-Bundestagsfraktion Kauder und der Bundesgesundheitsminister Gröhe. Für die anderen Parteien gilt ähnliches. Um nur einige wenige Namen zu nennen, die als verdiente Parteipolitiker im oder außer Dienst in den Stiftungsvorständen sitzen: Horst Seehofer und Gerda Hasselfeldt (beide CSU), Kurt Beck, Hannelore Kraft und Barbara Hendricks (alle SPD), Jan Korte und Dagmar Enkelmann (beide Linke), Wolfgang Gerhardt und Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (beide FDP). Trotz dieser personellen Verflechtungen gelten die Parteistiftungen in typisch irreführender Diktion offiziell als „unabhängig“.
Keine Auskunftspflicht der Parteistiftungen, da Privatorganisationen
Wofür die Parteistiftungen die Gelder verwenden, ist so ziemlich egal. Dies gilt insbesondere für die vom Bundesinnenministerium zur Verfügung gestellten Globalzuschüsse. Gesetzliche Regelungen über deren Verwendung existieren nicht. „Zuschüsse“ bedeutet, dass es als Grundlage zu bezuschussten Projekten „Eigenmittel“ geben muss, aus denen vor allem Personal- und andere Fixkosten bestritten werden. Die Parteistiftungen sind neben dem Bund der Vertriebenen die einzigen, die Eigenmittel durch die Globalzuschüsse des BMI ersetzen können.
Steuergeldmissbrauch durch Parteistiftungen
Die mangelnde öffentliche Kontrolle der Parteistiftungen ermöglicht Missbrauch. In einem lesenswerten Beitrag in der Welt aus dem Oktober 2014 mit dem treffenden Titel „Kartell der Staatsplünderer“ sind etliche Missbrauchsfälle aus früheren Jahren geschildet. Betroffen sind alle Stiftungen, ob nun die Grünen wegen der unzulässige Weiterleitung von Bundesmitteln für Landesprojekte, die FDP wegen der privaten Nutzung von Dienstwagen ohne Versteuerung des Privatanteils, SPD und Linke wegen Auslandsreisen von Politikern auf Stiftungskosten, die CDU wegen der Zweckentfemdung des italienischen Urlaubsdomizils des früheren Bundeskanzlers Adenauer zur kommerziellen Hotelnutzung und die CSU wegen der Inanspruchnahme von Fördermitteln für ihre Tagungsstätten in Kloster Banz und Wildbad Kreuth trotz fehlender Förderfähigkeit.
Im vergangenen Jahr 2017 stand vor allem die Heinrich-Böll-Stiftung der Grünen im Kreuzfeuer der Kritik. Sie nutzte das üppig fließende Steuergeld unter anderem dazu, um ein bezeichnender Weise „Agent*In“ genanntes Internetportal zur Anprangerung und Diskreditierung politischer Gegner aufzubauen (Näheres siehe hier). Das Portal wurde zwischenzeitlich aufgrund des öffentlichen Drucks vom Netz genommen. Auch die Friedrich-Naumann-Stiftung der FDP war 2017 in die Kritik geraten, weil sie mit kostspieligen Magazinbeilagen vor den Landtagswahlen 2017 Werbung für die FDP gemacht habe, was als unerlaubte verdeckte Parteienfinanzierung zu werten sei (siehe hier). Schon im Jahre 2012 waren dubiose Firmentransaktionen zwischen der FDP und einer Tochterfirma der Friedrich-Naumann-Stiftung bekannt geworden, die der FDP hohen Gewinn bescherten und den Verdacht der unzulässigen Parteienfinanzierung hervorriefen (siehe hier).
Parteistiftungen: wenige Kontrollen, noch weniger Sanktionen
Der Bundesrechnungshof und die Landesrechnungshöfe sind keine wirksamen Kontrollinstanzen. Sie rügen zwar ständig Fälle von Steuergeldverschwendung in den Verwaltungen, sind aber zahnlose Tiger, da sie keine Weisungs- oder Eingriffsbefugnisse haben. Und während Steuerhinterziehung strafbar ist, bleibt Steuergeldverschwendung bis heute sanktionslos.
Selbst wenn eine Rückforderung von Zuwendungen eigentlich unabdingbar ist, erfolgt keineswegs zwingend eine Inanspruchnahme der Stiftung. So wie im Falle der Heinrich-Böll-Stiftung der Grünen, bei der der CDU-Innenminister Thomas de Maiziere von einem Regreß mit folgender Begründung absah: „In einer Abwägung zwischen der tatsächlichen Verwendung der Mittel und der Bedeutung von Formverstößen ist das Bundesinnenministerium zum Ergebnis gekommen, dass eine Rückforderung unverhältnismäßig ist.“
Das eigentliche Problem (1) : Parteistiftungen begünstigen das bestehende Parteienkartell
Derartige Mißbrauchsfälle mögen durch die unzureichende Gesetzeslage, ungenügende Kontrollmöglichkeiten und die gleichgerichteten Interessen aller Beteiligten begünstigt sein. Doch sie sind nicht das eigentliche Problem an den Parteistiftungen. Das eigentliche Problem sind die Parteistiftungen an sich beziehungsweise genauer deren öffentliche Finanzierung aus Steuermitteln. Die Stiftungen verfügen kaum über eigene Mittel, die sie zum Beispiel über Spenden generieren. Anders als die Parteien, bei denen die staatlichen Zuschüsse nicht mehr als die Hälfte der Einnahmen ausmachen dürfen, werden die Stiftungen nahezu ausschließlich aus Steuermitteln bezuschußt.
Mit diesen Mitteln finanzieren die privaten Parteistiftungen ihr vorrangiges Anliegen, das da lautet: Gestaltung politischer und gesellschaftlicher Ordnungen und Einwirkung auf politische Entscheidungsprozesse. Und dieses Anliegen wird naturgemäß im Sinne der politischen Ideen vorangetrieben, die auch die jeweils nahestehende Partei vertritt.
Damit beeinflussen die Zuwendungen an die Parteistiftungen den politischen Wettbewerb der Parteien. Die Parteistiftungen können für die Ideen und Ansichten ihrer Parteien werben, was kleinen und neuen Parteien, die keine Stiftungen haben, verwehrt ist. Letztere sind damit im politischen Wettbewerb benachteiligt, wodurch der Status quo unter den Parteien und auch der Status quo der politischen Strömungen zementiert wird.
Das eigentliche Problem (2): Parteistiftungen sind überflüssig
Im einzelnen zählen zu den Aufgaben der Parteistiftungen insbesondere die politische Bildung (dazu zählt vor allem auch die Schulung von Parteimitgliedern), die Begabtenförderung, die politische Forschung und die internationale Zusammenarbeit. In diesem Rahmen propagieren die privaten Parteistiftungen die jeweiligen politischen Ideen, die von ihren jeweiligen Parteien vertreten werden. Diese Aufgaben könnten naturgemäß auch durch andere parteiunabhängige Organisationen wahrgenommen werden. Die politische Bildung obliegt beispielsweise der Bundeszentrale für politische Bildung und den jeweiligen Landeszentralen, für die internationale Zusammenarbeit gibt es dafür zuständige Ministerien und (Bundes)organisationen wie die Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit, die politische Forschung wird von Universitäten und privaten Instituten erbracht, die Begabtenförderung erfolgt durch Universitäten und die Studienstiftung des deutschen Volkes. Die Parteistiftungen werden also zur Wahrnehmung dieser Aufgaben nicht benötigt (soweit man diese Aufgaben überhaupt als notwendige Staatsaufgaben ansieht).
[Nur zur Klarstellung sei 1. angemerkt, dass sich die diesseitige Kritik an der Verwendung von Steuermitteln für die ideologische Arbeit nicht auf die Parteistiftungen beschränkt, sondern auch für andere private (angeblich) gemeinnützige Stiftungen und Organisationen gilt, die aus Steuermitteln gesponsort werden, wie an anderer Stelle oft genug ausgeführt. 2. gibt es reine Entwicklungshilfe-Projekte der Parteistiftungen, die natürlich auch von parteifernen Entwicklungshilfe-Organisationen durch geführt werden könnten.]
Das oberste Stiftungsziel: das Wohl der Partei
Allerdings ist nicht absehbar, dass sich etwas zu Gunsten der Steuerzahler ändert. Im Gegenteil: Die von der AfD angestrebte Gleichstellung mit anderen Parteien durch Bezuschussung einer eigenen Parteistiftung wird den Steuerzahler zusätzlich belasten – und wird wie eine Einstiegsdroge in die an den Grünen erprobte Einschleifmühle des deutschen Parteiensystems wirken. Denn zu viel Macht und zu viele gut dotierte Posten hängen schließlich an der staatlichen Alimentierung. Zu wichtig sind die Parteistiftungen auch für die Arbeit der Parteien. Zuweilen können die Stiftungen einer Partei sogar das Überleben sichern helfen, wie ein internes Rundschreiben des damaligen Geschäftsführers der FDP-Stiftung, Rolf Berndt, an seine Mitarbeiter am 11.06.2014 belegt: „Mit höheren Zuwendungen im Jahr 2014 gewinnen wir Gestaltungsspielraum für das oberste Stiftungsziel, unseren Beitrag zur Rückkehr der FDP in den Deutschen Bundestag zu leisten.“ [Quelle siehe hier].
Das oberste Stiftungsziel: das Wohl der Partei. Kürzer und prägnanter lässt sich der Zweck von Parteistiftungen kaum zusammenfassen. Angesichts der Bedeutung der Parteistiftungen als zusätzliche – zudem weitgehend unkontrollierte – Finanzierungsquelle und als Propaganda-Institute für die Verbreitung der eigenen politischen Vorstellungen wird das Stiftungs-Unwesen der Parteien auf Kosten des Steuerzahlers munter weitergehen.