So, nun ist es raus: Eine Gruppe von Deutschen, die in einem Klassenraum Platz hätten, besitzt zusammen mehr Geld als eine Hälfte der Deutsche Bevölkerung.
Nun ist das nicht irgendeine Hälfte, sondern eine Versammlung der Besitzlosen ansteigend, bis fünfzig Prozent der ärmeren Bevölkerung abgezählt wurden.
So leicht war das übrigens gar nicht herauszufinden, diese Besitzangaben sind mehr oder weniger freiwillig, jedenfalls nicht öffentlich. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat deshalb Daten der EZB-Vermögenserhebung um die Angaben aus den jährlichen Reichenlisten, beispielsweise des Manager Magazins, erweitert.
Dabei ist nun herausgekommen, dass die fünfundvierzig reichsten Haushalte so viel besitzen wie die ärmere Hälfte der Bevölkerung. In Zahlen sollen das für beide Seiten 214 Milliarden Euro sein. Durchschnittlich besitzt also jeder der fünfundvierzig Reichen 4,75 Milliarden Euro und jeder aus der ärmeren Hälfte der Deutschen ungefähr 2.600 Euro.
Nun ist Reichtum wie Armut im weltweiten Vergleich ganz sicher relativ. Maximal arm ist man wohl, wenn man ums Überleben kämpfen muss. Wenn sowohl eine Arbeitsstelle, Nahrung, wie angemessen warme Kleidung und Behausung vakant sind und zusätzlich keinerlei medizinische Versorgung möglich ist. Nun will die Universitätsklinik in Zürich sogar ermittelt haben, das in Europa viele Suizidfälle (jeder Fünfte) auf Arbeitslosigkeit zurückzuführen sind, so betrachtet braucht es für eine finale Existenzvernichtung diese maximale Armut nicht. Tot ist tot, ob nun verhungert, erfroren oder als Folge einer Verzweiflungstat. Armut kann also aus verschiedenen Gründen tödlich sein.
Nun könnte man zynisch bemerken, dass es auch unter Reichen Selbstmorde gäben könnte, möglicherweise ist hier die Verzweiflung gleich intensiv, wenn man statt fünf Milliarden plötzlich nur noch eine besitzt.
Aber wie kommt so ein Vermögen überhaupt zusammen? Durch Erbschaft? Herausragende Geschäftstüchtigkeit? Oder moderner: dank der einen intelligenten und konsequent weitergeführten Idee, wie bei Facebook- Zuckerberg? Nein, der Fleiß eines Einzelnen macht noch keine Milliarde. Selbst wenn man das erstaunlich hohe durchschnittliche Einkommen eines vollzeitbeschäftigten deutschen Arbeitnehmers von brutto 48.900 Euro verdoppelte, würde man selbst bei eiserner Sparsamkeit Jahrzehnte brauchen, um sich so etwas wie ein Vermögen anzusparen, das wiederum das Potenzial hätte, Arbeit für einen bestimmten Zeitraum unnötig zu machen. Also Vermögen definiert als Mittel, Arbeit aussetzen zu können und trotzdem nicht zu verhungern.
Fazit: Wer also mehr besitzt, braucht dafür zwangsläufig die Arbeitsleistung anderer. Vieler anderer, denen er beispielsweise die relative Sicherheit eines festen Gehalts gibt, während er sich Monat für Monat vom erwirtschafteten Umsatz dieser nun „Arbeitnehmer“ genannten Klientel einen Teil einbehält. Nein, niemand wird von alleine reich. Immer muss er anderen etwas wegnehmen.
Das gilt übrigens selbst für Menschen wie Mark Zuckerberg wie die Besitzer von amazon und co, die ja ihren Umsatz auch generieren, indem andere für die Nutzung der Internet-Plattformen bezahlen, die sich davon wiederum selbst Umsatz versprechen, die ihre Investition in das Unternehmen von Zuckerberg und Co aber auch erst einmal vom Umsatz ihrer eigenen Mitarbeiter nehmen müssen, unabhängig davon, ob sich nachher eine Umsatzsteigerung durch Mehrverkauf usw. ergibt oder nicht.
Aber wie schlimm ist das nun eigentlich, wenn ein paar dutzend Reiche so viel besitzen wie die ärmere Hälfte der deutschen Bevölkerung? Zunächst einmal ist Vermögen brach liegendes Geld. Geld belebt den Handel, aber es gilt auch: je länger es zirkuliert, desto ungleicher verteilt es sich. Einer wird reicher, ein anderer bekommt immer weniger vom Kuchen.
Beat Weber, Volkswirtschafter aus Wien, erklärte im Kinderkanal des ORF in kindgerechter Sprache: „Wenn Geld liegen bleibt, ist es für den Einzelnen ungünstig, weil man kann sich dann nichts Schönes kaufen, und für die Gesamtwirtschaft ist es ungünstig, weil wenn sich niemand was kauft, kann niemand etwas produzieren, es können keine Löhne und Gehälter ausgezahlt werden. Insofern hat die Wirtschaft ein Interesse daran, dass es Konsumenten gibt, die Geld auch ausgeben.“
Aber fügen diese fünfundvierzig Superreichen der Gesamtwirtschaft nun einen Schaden zu, weil sie Geld, das hunderttausende Menschen für sie erwirtschaftet haben, nicht mehr in den Kreislauf zurückführen?
Warum kaufen die Leute in Mitteleuropa so viel wie nie? Weil die große Masse der Konsumenten (und Steuerzahler) entscheidet, auch derer, die nur das Notwendigste kaufen können, nicht der Konsum der Superreichen.
Aber 1: Dass das wieder mehr Auseinanderklaffen zwischen Reich und Arm vor allem auf den wachsenden Niedriglohnsektor zurückgeht, bleibt merkwürdig im Hintergrund. Dass mit den Zuwanderern der Verdrängungswettbewerb genau in diesem beschämenden Niedriglohnsektor eskalieren muss, ist kein Thema der Gewerkschaften. Sie sind nur für den gesunden Mittellohnsektor zuständig.
Aber 2: Mehr als die Reich(er)en mehr besteuern, fällt rundum als Heilmittel niemandem ein. Wobei selbstverständlich unerwähnt bleibt, dass davon bei den Ärmeren so gut wie nichts ankäme.
Markus Grabka, der sich am DIW seit Jahren mit dem Thema befasst, sagt es so: „Reichtumsforschung ist Voodoo-Ökonomie.“
Fazit: Irgendwann wird Politik neu anfangen müssen, nachdem sich die alles lähmende Zuwanderungsfrage so oder so aufgelöst hat. Dann braucht es eine politische Kraft, nein keine Partei, die den Wohlfahrtsstaat auf neue Beine stellt, auf neue Weise. Die alten Wege taugen alle nicht. Vielleicht braucht es dafür einen Wettbewerb wirklich neuer Ideen zwischen einer echten Linken und einer echten Rechten. Aus der Mitte kommt nichts, dort herrscht geistige Windstille.
Fußnote: Eine methodische Kritik am DIW von Gerd Maas folgt.