Tichys Einblick
Hin und zurück

Schleuserbanden haben Spanien ganz oben auf der Agenda

Die spanische Regierung fackelt nicht lange und schickt die meisten illegalen Einwanderer sofort wieder zurück. Da die spanische Landwirtschaft jedoch wieder helfende Hände braucht, steigt der Druck auf die Grenz- und Küstenpolizei.

A group of migrants arrive on board a Spanish coast guard vessel, the second one of the day, at the southern Spanish port of Malaga on January 13, 2018 following the rescue of an inflatable boat carrying 55 African people, nine of them women and one child off the Spanish coast. More than 150 sub-Saharan and North African migrants sailing on board six precarious boats were rescued today, off the coast of southern Spain, the Spanish Maritime Safety Agency 'Salvamento Maritimo' said

© Jorge Guerrero/AFP/Getty Images

Die Anziehungskraft eines sicheren und reichen Europas kennt keine Grenzen. Wer das Ziel Europa vor Augen hat, vergisst auch die enormen Gefahren der illegalen Einwanderung. Über 22.000 Migranten kamen 2017 nach offiziellen spanischen Angaben vorwiegend aus Mali, Mauretanien, dem Kongo, Nigeria und aus dem Maghreb auf illegale Weise nach Spanien. Fast so viel wie vor elf Jahren, als die Magnetkraft des Landes ein Maximum erreichte (siehe Grafik). Und wieder steigt der Druck auf Spanien. In den vergangenen Monaten machen sich wieder Hunderte von Afrikaner auf den gefährlichen Weg übers Meer, um in der spanischen Landwirtschaft zu arbeiten – trotz der widrigen Wetterbedingungen.

Hin und zurück

Geschleust werden sie von brutalen Mafias, die ihnen nicht nur eine Menge Geld abknöpfen, um den Weg nach Europa freizuschlagen. Frauen müssen zudem Vergewaltigungen hinnehmen, Männer werden meist mehrmals ausgeraubt, bis sie in Marokko oder Algerien ankommen. An den Grenzzäunen Ceuta und Melilla dürfen nur noch Syrer auf der spanischen Seite bleiben, wenn sie im dortigen Büro der UN-Flüchtlingsorganisation UNHCR einen Antrag auf Asyl stellen können. Die meisten der Afrikaner kommen jedoch nicht in diesen Genuss und müssen sofort zurück, weil sie sofort von den Marokkanern als Wirtschaftsmigranten eingestuft werden.

Viele versuchen nach dem Scheitern an den Grenzzäunen mit dem Boot in einem günstigen Moment und mit viel Bestechungsgeld von Marokko rüber zu fahren nach Andalusien. Aber auch dieser Weg ist fast aussichtlos, „weil die meisten von ihnen, wenn sie aus Algerien oder Marokko kommen, sofort wieder umgekehren müssen,“ sagt Carmen González vom Real Instituto Elcano, einem politischen Forschungszentrum mit Sitz in Madrid.

 

Spanien gewährt so gut wie niemanden Asyl

Das Land, das so gerne mit seiner Toleranz und Menschenfreundlichkeit wirbt, hat im vergangenen Jahr nur knapp 16.000 Anträge auf Asyl in Spanien zugelassen, verglichen mit Deutschland (fast 750.000) eine sehr geringe Zahl. Nur 355 von diesen 16.000 bekamen nach Angaben der spanischen Flüchtlingsorganisation CEAR letzendlich Asyl, weitere 6.500 warten noch auf ein endgültige Entscheidung. Der Rest wurde deportiert. Was genau passiert in den Auffanglagern, bleibt jedoch unklar, weil Journalisten diese nicht besuchen dürfen.

Weil es immer Mafias gibt, die lieber mit Menschen als mit Drogen handeln, versuchen einige illegalen Einwanderer auch in Autos oder Lkws die Grenzen zu überschreiten. Aber die spanische Polizei ist nach 15 Jahren massiver Einwanderung – in Hochzeiten befanden sich eine halbe Millionen Menschen ohne Aufenthaltsgenehmigung in Spanien – geschult. Gerade wurde eine irakische Organisation aufgedeckt, die Landsleute über den äuβerst gefährlichen Transport in Kühllaster von spanischen Häfen in Richtung Nordeuropa bringen. Sie verlangen dafür zwischen 3.000 und 10.000 Euro. Oft schreien die Flüchtlinge selber nach 30 bis 40 Stunden in Minusgraden um Hilfe, weil sie Angst haben zu erfrieren. Der Fahrer weiß meist nichts von den Migranten in seinem LKW.

Spanien will das Problem im Ursprungsland in den Griff bekommen

„Die Wege nach Europa sind sehr grausam, was nicht verwunderlich ist, da die Banden, die mit Menschen handeln, in vielen Fällen die gleichen, sind, die Drogen und Waffen nach Europa bringen,“ warnt González vom Real Instituto Elcano. Sie glaubt auch, dass Spanien auch in 2018 wieder verstärkt gegen illegale Einwanderung aus Afrika kämpfen muss, „weil die wirtschaftliche Krise in unserem Land überwunden ist und vor allem in der Landwirtschaft wieder billige helfende Hände gesucht werden.“ Abkommen zur gemeinsamen Grenzkontrolle in Mauretanien und Mali sollen diese Wirtschaftsmigranten daran hindern, den gefährlichen Weg nach Europa einzuschlagen.

Das Projekt Blue Sahel läuft in den kommenden zwei Jahren. „Hier geht es aber auch um die Unterbindung von Waffen- und Drogenhandel, der immer mehr auf gleichen Wegen abläuft,“ sagt Carlos Arce, Koordinator der Immigrationsbelange der Menschenrechtsorganisation APHDA in Spanien, die sich vor allem um die „Südgrenze“ zu Afrika kümmert: Kanarische Inseln, Balearen, Valencia, Ceuta und Melilla, Murcia und Andalusien. Für Arce, der weniger die Legalität der Einwanderer, sondern die Menschenrechte im Auge hat, ist die zunehmende Kriminalisierung der Banden erschreckend und er hält die Bekämpfung für schwierig: „Am meisten Geld wird den Syrern an den Grenzen von Ceuta und Melilla abgenommen, weil sie meist wohlhabender sind als die Afrikaner. Beamte, Polizisten – sie alle spielen mit bei gefälschten Reisedokumenten und dem Durchlass an den Grenzen. In diesen Ländern wird Hand in Hand gearbeitet.“


Stefanie Claudia Müller ist Korrespondentin für Deutsche Medien in Madrid und Autorin des Buches „Menorca, die Insel des Gleichgewichts“.

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