Im Euro-Club kommt es zum Schwur. Das Sondierungspapier von SPD und Union geht schon im ersten Kapitel auf die Wirtschafts- und Währungsunion ein und billigt mehr Geld für die EU. Viel hilft viel, sind die angehenden Koalitionäre sich wohl einig. SPD-Chef Schulz ist stolz auf das darin erreichte. Jean-Claude Juncker auch. Letzter kann es auch sein, denn er hat geschickt über Bande gespielt und mithilfe seines alten Weggefährten Schulz die CDU/CSU zu einer Überführung des ESM in Unionsrecht gezwungen. Wolfgang Schäuble hatte dies als Finanzminister immer verhindert, um das deutsche Veto-Recht im ESM nicht aufs Spiel zu setzen.
Nunmehr hat Juncker einen wichtigen Etappenerfolg erzielt. Ob dieser Etappenerfolg der erste Schritt für Änderungen an der Finanzarchitektur der Eurozone bedeutet oder nur ein Pyrrhussieg ist, wird die SPD am Wochenende auf ihrem Parteitag entscheiden. Doch auch dann ist die Messe noch nicht gelesen. Sollte die Regierungsbildung aus Union und SPD kommen, dann ist die Überführung des außerhalb des EU-Rechts angesiedelten ESM in Unionsrecht längst nicht besiegelt. Für eine Überführung ist im Deutschen Bundestag eine Zweidrittelmehrheit erforderlich, die die große Koalition im Parlament nicht mehr hat.
Dennoch schicken sich derzeit viele an, auf diesen Zug aufzuspringen. Gestern präsentierten prominente Professoren aus Deutschland und Frankreich ein gemeinsames Papier, wie sie sich eine Weiterentwicklung der EU vorstellen. Deren prominenteste Vertreter von deutscher Seite, Clemens Fuest vom Ifo-Institut und Marcel Fratzscher vom DIW, suchen darin gemeinsam mit 12 weiteren Ökonomen über ideologische Grenzen hinweg einen Weg aus dem Dilemma der Eurozone. Allein die Überschrift ihres Papiers weist den Weg: „Wie Risikoteilung und Marktdisziplin in Einklang gebracht werden können: ein konstruktiver Vorschlag zur Reform des Euroraums“. Immerhin räumen sie mit einer Lebenslüge auf. Bisher galt die Euroschuldenkrise als überwunden. Mit dem Europäischen Stabilitätsmechanismus, mit der Bankenunion und dem Juncker-Fonds war man überzeugt, dass die Euro-Zone die Krise von 2010 überwunden hat und der institutionelle Rahmen weitere Überschuldungskrisen von Staaten und Banken in Europa verhindern würde.
Doch inzwischen mehren sich die Stimmen, dass weitere Maßnahmen notwendig sind, um den Währungsraum als Ganzes zu erhalten. So schreiben die Autoren um Fratzscher und Fuest richtig „die Europäische Währungsunion weist nach wie vor erhebliche Schwachstellen auf, ihre institutionelle und finanzielle Architektur ist noch immer instabil.“ Ihre Vorschläge, die sie anschließend machen, sind jedoch ein typischer fauler Kompromiss. Die französischen Ökonomen bekommen etwas mehr Risikoteilung und die deutschen Ökonomen etwas mehr Marktdisziplin zugesprochen. Ihre sechs Reformvorschläge drücken diesen Kompromiss aus. Auf der einen Seite sprechen sie sich für die Eigenkapitalunterlegung der Banken beim Kauf von Staatsanleihen aus, auf der anderen Seite wollen sie eine Vergemeinschaftung der Einlagensicherung erreichen. Also hier etwas mehr Markt und dort etwas mehr Verantwortungslosigkeit. Dann wollen sie die Schuldenregeln aufweichen, aber gleichzeitig die Überwachung auf eine unabhängige Institution übertragen. Weiter schlagen sie einen aus Beiträgen der Mitgliedsstaaten finanzierten Schlechtwetterfonds vor, der große Konjunkturkrisen abfedern soll. Der Kompromiss ist dabei, dass er anders als der ESM keine Möglichkeit haben soll, sich an den Finanzmärkten zu refinanzieren.
Dann schlagen sie die Schaffung eines „synthetisch sicheren Wertpapiers“ vor, das durch „die Kombination aus Diversifizierung und Vorrangigkeit“ zu „Sicherheit“ führen soll. Das erinnert sehr an 2007 und davor, als Landesbanken im großen Stil in solche „synthetisch sicheren Wertpapiere“ investierten, die so gut waren, dass selbst Ratingagenturen ihnen eine Höchstnote verpassten. Da fiel es dann auch nicht auf, wenn man dazwischen einige faule Papiere versteckte, Hauptsache die Schleife drumherum war hübsch.
An diesen Vorschlägen ist nicht viel Neues, außer die der Zusammenarbeit der Beteiligten selbst. Eine neue Dimension hat dabei, dass bekannte Ordnungsökonomen wie Clemens Fuest, Isabel Schnabel und Beatrice Weder di Mauro ihren bisherigen Pfad der Vernunft verlassen. Das sollte man ihnen nicht durchgehen lassen.