Die Kosten der Zuwanderung explodieren, darüber sind sich heute viele einig – nur notorische Optimisten hoffen noch auf einen Langzeiteffekt, der bald schwarze Zahlen generiert, dann, wenn die Facharbeiter ausgebildet, die Studenten fertig studiert und die große Zahl der Hilfsarbeiter in Tätigkeit sind. Irgendwann. Vielleicht.
Aber nicht alle sorgen sich. Die deutschen gesetzlichen Krankenkassen haben offensichtlich gerade die Champagnerflaschen entkorkt: Zuwanderung saniert die Kassen, führt „zu einem doppelten Entlastungseffekt“, zitiert die WELT Frau Doris Pfeiffer, Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbandes, der zentralen Interessenvertretung der gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen in Deutschland.
Nun klingt das zunächst ähnlich wie die Begeisterung der Industriebverbände über Zuwanderung von Ende 2015, die allerdings mittlerweile merklich abgekühlt ist: Die Masse an eingewanderten Fachkräften entpuppte sich als doch geringer ausgebildet als anfangs erhofft und wie ein Mantra in jede zur Verfügung stehende Kamera gesprochen.
Frau Pfeiffer erläuterte nun gegenüber dpa: „Da die zugewanderten Neumitglieder jünger sind als der Durchschnitt aller gesetzlich Versicherten und darüber hinaus auch noch weniger Leistungen in Anspruch nehmen als die gleichaltrigen bisherigen Versicherten, führen sie zu einem doppelten Entlastungseffekt.“ Das würde die Finanzen der Kassen stabilisieren und vorübergehend die Überalterung der Mitglieder der gesetzlichen Kassen stoppen. Wie bitte?
Die Logik einer funktionierenden Solidargemeinschaft mit einem ausgewogenen Geben und Nehmen ist hier offensichtlich abhanden gekommen, beerdigt worden. Oder nein, als etwas ganz Böses der AfD zugeschanzt: Die Antworten einer der großen Kassen, von der wir wissen wollten, warum die Kassen eine positive Rechnung aufmachen, wo doch irgendwer am Ende die Zeche bezahlen müsste, gestaltetet sich als denkwürdiges Gespräch „unter Drei“: Überhaupt darüber nachzudenken, wer das finanziert, sei doch so ein AfD-Ding. Die Zuwanderung in die Sozialsysteme sei eine reine Behauptung von denen, die durch nichts belegt sei. Wir sind peinlich berührt. Wer zu kritisch nachfragt, ist der Böse.
Und überhaupt hätte Frau Pfeiffer mit „Zuwanderung“ doch hauptsächlich EU-Bürger gemeint, die in Deutschland in Arbeit stehen und ihre Krankenkassenbeiträge bezahlen und eben nicht primär Zuwanderer aus Nicht-EU-Staaten. „Aber die sind doch nun mal da und auch mal krank und stehen nicht in Arbeit.“, wagen wir noch einzuwerfen, sehen dann aber ein, dass das ein böses Argument ist. Aber dann ist die Telefonuhr einseitig abgelaufen oder das Gespräch in die falsche Richtung gelaufen, jedenfalls werden wir auf später vertröstet, man könne ja dann nochmal telefonieren. Ja, könnte man.