Tichys Einblick
GroKo macht keinen Markt

DOW und DAX – zwei Indizes mit Problemen

Der DAX, uns stets als Performance-Index verkauft und am Jahresende mit seiner Entwicklung dem breiten Leitindex S&P500 gegenübergestellt, ist ein "Scheinriese", dieser Vergleich unzulässig - der DOW ein Anachronismus, den so niemand mehr braucht.

Zu den umwerfenden und wegweisenden Beschlüssen der neuen GroKo (Achtung Ironie), lesen Sie hier von anderen Autoren genügend, da muss ich nicht auch noch meinen Senf dazu geben.

Und was die Marktlage angeht, gibt es keine echten Neuigkeiten, der Markt macht bisher da weiter, wo er 2017 aufgehört hat. Es gibt also keinen Grund, an meinen im alten Jahr in Rückblick 2017 und Ausblick 2018 gemachten Aussagen etwas zu ändern. Es gilt weiter das schon Gesagte, 2018 wird vermutlich anlagetechnisch schwieriger und volatiler als 2017 werden – eine 10-20% Korrektur irgendwann im Jahr ist recht wahrscheinlich – die Chance, dass es am Ende doch ein positives Aktienjahr wird, ist aber immer noch gut.

Bei der Umsetzung von Mifid 2, gibt es in den ersten Wochen allerlei ärgerliche Probleme, die Anleger nerven, die ja davon so furchtbar „profitieren“ sollen. Auch hier ist wieder Ironie im Spiel, die sogenannte Hilfe besteht bei dem, was hinten raus kommt, vor allem aus viel Papier und Gängelung, aber das kennen wir ja schon in diesem unserem Lande. Wenn davon geredet wird, dass man den Bürger schützen muss, wird im Deutschland dieses Jahrzehnts gerne Gängelung daraus, statt die Befähigung freier Bürger zur freien, kompetenten Entscheidung. Ich habe überlegt, darüber zu schreiben, das Thema ist aber für die Leserschaft hier zu speziell und zu sehr fach-chinesisch, so verzichte ich darauf.

DOW und DAX, zwei Indizes mit Problemen

So bietet es sich doch heute an, mal einen Grundlagenartikel zu schreiben, sozusagen „Basics“, die jeder Anleger wissen sollte. Es liegt in der Natur der Sache, wenn man an die Basics herangeht, dass es einige von Ihnen schon wissen werden. Nun gut, dann lesen Sie es halt noch einmal, doppelt gemoppelt hält besser. Und außerdem habe ich noch zwei Vergleichscharts für Sie, die auch für die, die das Thema schon kennen, eindrucksvoll sein werden.

Denn wissen Sie eigentlich, warum professionelle Marktteilnehmer in der Regel immer über den S&P500 reden und nicht über den bei Laien bekannteren Dow Jones Industrial Average (DJIA), den man auch kurz nur „DOW“ nennt?

Wissen Sie, dass der DOW ein Anachronismus ist, ein obskurer Index ohne eigene Aussagekraft, den man eigentlich schnellst möglich vergessen sollte? Und wissen Sie auch, dass der bekannte DAX ein „Performance-Index“ ist und fast alle anderen Indizes nicht und der DAX deswegen im Vergleich eine relative Stärke vorgaukelt, die in der Realität gar nicht gegeben ist? Und wissen Sie auch, dass es den DAX auch als „Kursindex“ gibt, der vergleichbar zu fast allen anderen Indizes wäre, den aber kaum jemand kennt und benutzt?

Das Problem, das beide teilen:

Der DOW – wie der DAX – besteht nur aus 30 Aktien. Das ist gerade für den riesigen US Markt nicht breit genug, um ernsthaft den Markt zu repräsentieren. Der S&P500 mit seinen 500 größten US Aktien ist dagegen eine sinnvolle Repräsentierung des US Aktienmarktes und damit der wichtigste Index weltweit.

Dieses Problem hat der DAX aber auch, und wenn wir seinen Verlauf mit dem des MDAX vergleichen, der viel mehr „typisch deutsche“ Mittelstandsaktien beinhaltet, sehen wir auch schnell, dass der DAX keine perfekte Repräsentierung des deutschen Aktienmarktes ist. So ist der MDAX in den letzten Jahren deutlich besser gelaufen, weil im DAX eben mit den Autobauern oder Banken Werte versammelt waren, die durch eine tiefe Baisse gegangen sind.

Eindrucksvoll? Finde ich schon. Dieses Problem ist ja aber noch erträglich, denn es gibt viele Indizes mit wenigen Werten, der spanische IBEX hat 35, der italienische MIB 40 und der französische CAC auch 40. Das macht die Aussagekraft dieser Indizes nicht besser und mit einem S&P500, Nasdaq100 oder Russel2000 (dem US Nebenwerte-Index) können die in ihrer Aussagekraft alle nicht ansatzweise mithalten. Aber immerhin ist der DAX kein Unikum in seiner Bandbreite, der DOW ist eben nicht besser, was die Breite der Werte angeht.

Das Problem des DAX

Dieses Problem ist größer, der DAX ist sozusagen ein „Scheinriese“. Denn in der uns allen bekannten Form ist der DAX als „Performance Index“ konstruiert, der Dividenden inkludiert. Der DAX bildet also nicht die Summe der aktuellen Kurse bzw. die Summe der aktuellen Marktkapitalisierung ab, sondern er führt auch aus der Vergangenheit alle ausgeschütteten Dividenden mit, so als ob man von Anfang an ohne Unterbrechung im DAX investiert gewesen wäre. Genau genommen agiert der DAX ein wenig wie ein thesaurierender Fonds, der Ausschüttungen sofort wieder anlegt.

Nun kann man eine längliche Diskussion darüber führen, ob Kurs- oder Performance-Index die bessere Variante wäre, die ein getreueres Abbild der echten beim Anleger ankommenden Performance liefert. Diese Diskussion ist aber akademisch, denn man kann ganz legitim beides machen und beide Varianten haben Vor- und Nachteile.

Dass die Darstellung des DAX als Performance-Index ein Problem ist liegt also nicht daran, dass die Darstellung per se „falsch“ wäre, sondern an der mangelnden Vergleichbarkeit. Fast alle Indizes der Welt sind Kursindizes, die mit verschiedenen Methoden die aktuellen Kurse summarisch abbilden, keine alten Dividenden inkludieren und damit auch keine Vergangenheitsdaten mitschleppen, um eine langjährige Pseudo-Performance zu errechnen. Eine Pseudo-Performance deshalb, weil diese wegen Steuereffekten bei den Dividenden-Zahlungen für den Anleger gar nicht zu erreichen ist, indem man alle Aktien des DAX ins Depot legt. Denn Dividenden, die ausgezahlt werden, werden in der Realität besteuert und dann erst reinvestiert, der DAX gaukelt also etwas vor, was kein Anleger so erreichen kann.

Beim DAX ist es aber noch schlimmer, der schleppt durch seine Berechnungsmethode indirekt sogar noch Anomalien wie die alten 1.000er Kurse der Volkswagenstämme mit, weil durch die Umstellung auf die Vorzüge im Winter 2009, der alte Zustand sozusagen „eingefroren“ und von dort aus weitergerechnet wurde.

DAX versus S&P500

Aber wie auch immer, der Punkt ist, ein fairer Vergleich des DAX mit den meisten anderen Indizes müsste mit dem Kursindex erfolgen, denn auch S&P500 und Co. schütten ja Dividenden aus und das kräftig. Dann machen wir das mal, ich habe hier den fairen Vergleich des DAX-Kursindex gegen den S&P500, beide in Landeswährung und beide ohne Dividenden:

Autsch! Wir sehen, dass die Indizes bis ca. 2011 im Mittel parallel laufen, wie man das erwarten würde. Dann aber entsteht eine immer größer werdende Lücke. Und nun raten Sie mal, woran das liegt. 2011, da war doch was?

Die Antwort ist recht einfach, das ist die „segensreiche“ Wirkung des Euro mit der Eurokrise, irgendetwas an der US Politik muss zumindest für die großen Unternehmen dann wohl besser gewesen sein, oder? Aber lassen wir das, ich wollte ja nicht ins Politische hinein. Das Chart macht aber klar, wieviel schwächer der DAX in Realität als die US Indizes ist. Nur gegenüber dem Eurostoxx liegt der DAX richtig vorne, wer das „warum“ verstehen will, muss nur auf die Eurokrise schauen.

Der DAX, so wie er uns immer als Performance-Index verkauft und am Jahresende mit seiner Performance dem S&P500 gegenübergestellt wird, ist also ein „Scheinriese“, der Vergleich ist so eigentlich unzulässig, weil Äpfel mit Birnen verglichen werden.

Wir haben aber in Deutschland keine Alternative wie den S&P500. Sicher gibt es breitere Indizes, wie zum Beispiel den CDAX, der das ganze deutsche Aktienuniversum abdeckt. Bei Indizes gilt aber die Regel, dass nur relevant ist, was auch beobachtet wird. Denn nur Indizes, die die Anleger vor Augen haben und auf die es viele Derivate und ETFs gibt, haben auch Aussagekraft im Sinne der Marktmuster. Insofern müssen wir hier weiter mit dem DAX leben, auch wenn er eher aus der Reihe fällt und die deutschen Aktienmärkte nur höchst unzureichend abbildet.

Dieses markante Problem des DAX, das diesen im internationalen Vergleich als Scheinriesen aufpumpt, ist aber noch beherrschbar und nichts gegen das zweite große Problem des DOW.

Das massive Problem des DOW

Denn um dem Ergebnis vorzugreifen: Der DOW ist ein Anachronismus, ein obskurer Index ohne eigene Aussagekraft. Seine Bedeutung, hat er alleine aus historischen Gründen, also seiner langen Existenz seit 1896. Auch der DOW ist ein Kursindex, insofern erst einmal kein Problem. Aber er ist ein sehr obskurer Kursindex, weil er preisgewichtet ist, also die Gewichtung im Index nicht über die Marktkapitalisierung erfolgt, wie das alle brauchbaren Indizes tun, sondern rein über den Kurs.

Heißt konkret: Stellen wir uns theoretisch vor, eine kleine Aktie mit nur 2 Milliarden Marktkapitalisierung hat einen Kurswert von 20.000, weil dort nie Splits gemacht wurden oder weil die Aktie von Anfang an so angelegt war. Wir als nicht völlig Ahnungslose wissen, dass dieser Kurswert völlig irrelevant ist, es könnten auch 2 Millionen USD oder 2 USD als Kurs sein und würde keinen Unterschied machen. Entscheidend ist immer die Marktkapitalisierung, ob sich diese dann als 100.000 Aktien je 20.000 USD oder als 1.000.000.000 Aktien je 2 USD darstellt, macht am Ende rechnerisch keinen Unterschied, das Unternehmen ist immer noch das Gleiche.

Im DOW macht es aber einen Unterschied. Würde diese Aktie in den DOW aufgenommen, würde diese den DOW völlig dominieren und weit höhere Anteile als alle die Schwergewichte darin haben, weil der DOW bei der Gewichtung nur auf den Kurswert, also auf die Zahl an der Anzeigetafel und nicht auf die Marktkapitalisierung geht.

Das ist übrigens auch der Grund, warum Apple solange nicht im DOW war und heute auch ein Google oder eine Berkshire Hathaway nicht enthalten sind. Die reine Zahl auf der Kurstafel ist zu hoch, bei Google 1.100 und bei Buffetts Berkshire Hathaway in der A-Variante sogar 310.000. Ein Split wie bei Apple würde das beheben, dann würden auch diese Aktien dabei sein.

Die absurden Konsequenzen für den DOW

Wenn wir uns hier die konkrete Gewichtung der DOW-Aktien betrachten, sehen wir auch, welche absurden Konsequenzen das hat. Der höchst gewichtete Wert ist nun Boeing, der zweite ist Goldman Sachs mit 96 Milliarden Marktkapitalisierung. General Electric oder Pfizer aber, mit trotz der Krise immer noch 165 Milliarden Marktkapitalisierung bei GE und 217 bei Pfizer doppelt so groß und viel repräsentativer, haben nur einen Bruchteil der Bedeutung im DOW mit je unter einem Prozent. Warum? Erneut, nur weil die Zahl auf dem Kurszettel kleiner ist.

Absurd? Ja das ist es und deshalb ist der DOW „obskur“, ein Anachronismus und völlig unbrauchbar als Index. Den vergessen wir einfach. Fast …

Denn dummerweise wird er immer noch beobachtet. Gerade für die Mainstream-Presse, also die Berichte, die außerhalb der Börsen-Community gelesen werden, ist der DOW immer noch *der* zentrale Index und es gibt nach wie vor eine Reihe von Derivaten und ETFs auf ihn. Und deshalb hat er weiter Bedeutung, eben weil er beobachtet wird. Wie oft haben Sie die letzten Jahre von DOW 20.000 oder DOW 25.000 gehört? Genau genommen, war jede Meldung eine zu viel, denn diese Zahl und dieser Index ist völlig ohne Aussage.

Und deshalb sprechen wir bei Mr-Market nicht über dieses merkwürdige, historische Konstrukt. Der S&P500 ist der weltweite Leitindex, der mit seinen 500 größten US Aktien ein getreues Abbild der US Märkte liefert. Übrigens, vom S&P500 gibt es auch eine „Performance Index“ Variante, die heißt dort „S&P 500 Total Return Index“. Nur die beachtet kaum jemand, der S&P500 hat es wohl nicht nötig, sich weiter aufzuplustern.

Ich hoffe ich konnte ein wenig zur Erhellung beitragen.

Ihr Michael Schulte (Hari)

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