Mehr staatliche Schmach geht nicht: Das Gebilde eines Staates, der nicht mehr in der Lage ist, sein Sicherheitsversprechen gegenüber den Bürgern einzulösen, hält die Luft an, wenn beispielsweise arabische Großfamilien gegen ihn marschieren und duckt sich dann weg.
Jetzt aber holt das Gebilde einmal tief Luft, und geht mit der vollen Kraft dessen, was nach der Parteien-übergreifend politisch gewollten Entkräftung des Rechtsstaats übrigbleiben durfte, auf einen einzelnen Bürger los.
Rudolf Diebetsberger ist ein international renommierter Hornist. Für die Grünen, Schwarzen und Roten, die derzeit Staat spielen: Das ist einer, der ein Blechblasinstrument spielt, ein Horn. Das ist so etwas ähnliches wie eine Trompete, doch komplett anders aufgebaut. Handwerklich jedoch perfekt, die hohe Kunst des Blasinstrumentenbaues repräsentierend. Diebetsberger also kann ein solches Instrument spielen. Er studierte Horn am Mozarteum in Salzburg, spielte in vielen großen Orchestern, früher bei den Wiener Symphonikern, dann bei den Stuttgarter Philharmonikern. Heute ist er pensioniert und könnte eigentlich von seiner Rente leben.
Doch er ist auch in den Straßen vieler Städte eine bekannte Persönlichkeit. Rudolf Diebetsberger steht würdig bekleidet mit Zylinder, weißen Handschuhen und Fliege zusammen mit seinem Musikinstrument einen ganzen Tag lang in den Fußgängerzonen, um für die Passanten Horn zu spielen.
Trauben von Menschen stehen häufig um ihn herum, hören fasziniert zu und ahnen kaum, dass sie einen Weltklassemusiker vor sich haben. Einen Hornisten – und Spendensammler. Dabei werden sie von dem Hornisten gar nicht gehörnt. Denn die Spender spenden tatsächlich für blinde, arme Kinder in Asien. »40 Euro entscheiden, ob ein Kind sehen kann oder nicht«, sagt Diebetsberger. Er sammelt mit seinem Spiel Geld ein, das er blinden Kindern in Indien und Bangladesch weiterreicht. Davon können dann die Operationen bezahlt werden, durch welche diese Kinder wieder oder erstmals sehen.
Das Schlüsselerlebnis des Hornisten: Ihn hatte der Augenblick tief berührt, als er ein Mädchen in Bangladesch sah, das nach einer solchen Operation zum ersten Mal in seinem Leben sehen konnte. Eine Zäsur auch im Leben des Hornisten: Er beschloss, künftig daheim in Europa als Straßenmusiker zu spielen und Geld für die Andheri-Hilfe Bonn zu sammeln. Und das sehr erfolgreich: über 200.000 Euro hat er bereits eingespielt.
Und so kam es, dass auch in Stuttgart, wo auch ein Finanz- und Wirtschaftsministerium residiert, gespendet wurde – ohne dabei zu tief in die Ländle-Steuerkasse greifen zu müssen. Per Verdienst-Medaille. Diebetsbergers Musiker-Brust wurde mit einem der höchsten Preise dekoriert, dessen Baden-Württemberg fähig ist, mit der Staufermedaille. Eine besondere Ehrung, mit der Dank »um die Verdienschte um das Land zum Auschdruck« gebracht werden. Benannt nach dem uralten Geschlecht der Staufer, zeigt die Medaille ein Bild von Friedrich Barbarossa, einem kulturbeflissenen aber auch machtbewussten Manne aus dem alten schwäbischen Adelsgeschlecht der Staufer. (In grauer Vorzeit hatten die Mächtigen noch ihr Ländle verteidigt und Gegenpäpste aufgestellt. Heute gibt es nicht einmal mehr Gegen-Roths und – Gegen-Schulzes – und grüne Gegen-Krächtsmänner…)
»Ein Musiker, der wie Diebetsberger mit weißen Handschuhen und Fliege in der Fußgängerzone Horn spielt, ist eher selten anzutreffen«, so Rolf Schumacher, der Verdienstmedaillen-spendende Finanz- und Wirtschafts-Ministerialdirektor: »Kaum ein Passant in einer deutschen Großstadt wird ja glauben, dass ein ehemaliger Hornist der Stuttgarter Philharmoniker vor ihm steht.“ Solches sagte noch der »Minischterialdirektorle« anerkennend, als er dem begnadeten Musiker die Staufermedaille überreichen durfte.
Doch über dem Stuttgarter Nesenbach sollte sich erweisen, dass selbst eine Verdienstmedaille zwei Seiten haben kann. Eine des Spenden herbeiblasenden Edel-Hornisten und eine – schier unglaubliche – des ruhestörenden Brutal-Lärmbläsers. Denn inzwischen war aus dem verdienstvollen Spenden-Musiker ein schwäbischer Ordnungs-Verbrecher geworden, der quasi barbarisch als schwarzer Zylinderträger von grünroter Unrechts- und Ordnungs-Justiz verfolgt werden sollte. Wegen verantwortungsloser Ruhestörung.
Stuttgarter Königsplatz und Königstraße sind, so muss man wissen, sehr belebte Plätze und Straßen im Talkessel von Neckar und Nesenbach. Bedeutet: hinreichend laut. Ein Hornist hat es da schwer, duchzudringen und Klänge der humanen Kultur und Harmonie zwischen den immer lauter werdenden Lärm der Disharmonie ins Land zu tragen.
Der Straftatbestand: Lärmbelästigung, verantwortungslos und damit fast kriminell. Zunächst hundert Euro Bußgeld sollte der überführte Lärmbelästiger bezahlen. Das forderte die grün regierte Stadt Stuttgart von ihm. Doch Diebetsberger bezahlte nicht. Aus Prinzip. Denn umgerechnet kann man mit hundert Euro fast drei Kindern das Augenlicht wiedergeben.
Und so landete die Sache vor dem Amtsgericht. Welches ihn verurteilte. Doch Diebetsberger bezahlte immer noch nicht. »Ich musiziere doch für einen guten Zweck.« Zwei Tage Erzwingungshaft ordnete das Gericht an. Die rot-schwarzen Kulturbanausen im Kretschmann-Land schlagen zu und nehmen den Hornisten mit Zylinder tapfer in Beugehaft. Die traurigen Überreste des Rechtstaates zeigen letzte Stärke und gehen geschlossen, mannhaft und stark auf einen einzigen Musiker los, der mit Spenden Kindern hilft.
Reinhard Löffler, Diebetsbergers Rechtsanwalt, berichtet: »Heute früh habe ich meinen Mandanten, einen international renommierten Hornisten und Straßenmusiker, nach Stammheim in den Knast begleitet. Er durfte an der Freitreppe beim Kleinen Schlossplatz in Stuttgart spielen und hat in 8 Meter Entfernung davon ins Horn geblasen. Dies führte zu einer Anzeige wegen Lärmbelästigung und zu einer Verurteilung zu einer Geldbuße von € 100 vor dem Amtsgericht Stuttgart. Bezahlt hat er nicht und deshalb nimmt ihn der Rechtsstaat in Beugehaft.«
Reinhard Löffler holte seinen Mandanten nach zwei Tagen im Knast zu Stammheim wieder ab, jener Knast übrigens, in dem vor Jahr und Tag auch die RAF-Terroristen einsaßen: »Der Hornist Rolf Diebetsberger durfte heute um 09:49 Uhr, 48 Stunden nach seiner Inhaftierung in Stammheim, seine Zelle 126 im Gefängnis verlassen. Er hat sich als Straßenmusiker geweigert, eine Geldbuße von € 100,- zu zahlen. Jetzt sitzt er hier bei seinem ersten Frühstück in Freiheit. Er klagte, seine Zelle war versifft und eklig, sein Zellenmitbewohner sagte ihm, dass er TB habe. Er musste sich nackt ausziehen, alles wurde ihm abgenommen. Das ist die Beugehaft für zivilen Ungehorsam gegen ein Gerichtsurteil. In einem Rechtsstaat muss man eine solche Behandlung hinnehmen. Vor dem Gesetz sind alle Menschen gleich.
Aber vor Gericht, vor der Staatsanwaltschaft, den Behörden und dem Stuttgarter Ordnungsamt eben nicht. Verhältnismäßigkeit ist auch ein Verfassungsgrundsatz und ich habe meine Zweifel, ober in diesem Fall zur Geltung kam.«
Ihm droht weiteres Ungemach vom so mannhaften Staat mit seinem mehr als fragwürdig agierenden Justizapparat. Der nächste Prozess wegen Ruhestörung wartet auf ihn. Er will auch dann nicht bezahlen.