„Unternehmer und Vermögende müssen sich mehr als bisher an der Finanzierung wichtiger öffentlicher Infrastruktur beteiligen“, sagte DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Die Vermögensteuer müsse wieder eingeführt und die Abgeltungssteuer abgeschafft werden. Die Einnahmen aus dem Soli sollten „für Zukunftsinvestitionen“ verwendet werden. Eine Abschaffung sei eine Steuersenkung für Gutverdiener. „Das ist unsinnig und ungerecht“, sagte Körzell. Die neue Bundesregierung solle „eine Regierung der sozialen Gerechtigkeit und Investitionsoffensive“ werden, verlangte der DGB-Vorstand. „Es reicht nicht, nur untere und mittlere Einkommen zu entlasten. Wer mehr Verteilungsgerechtigkeit will, muss sich an Steuererhöhungen herantrauen“, sagte er.
Wiedereinführung der Vermögensteuer verfassungswidrig
Die vom DGB geforderte Wiedereinführung der Vermögensteuer wäre eindeutig verfassungswidrig. Sie wird seit 1996 nicht mehr erhoben, da das Bundesverfassungsgericht 1995 feststellte, dass sie in vielfacher Hinsicht gegen das Grundgesetz verstoße. DGB-Vorstand Körzell hat schon häufiger argumentiert, die Vermögensteuer sei ja vom Bundesverfassungsgericht nicht verboten worden „sondern sie wurde ausgesetzt wegen der unterschiedlichen Bewertung von Immobilien“. Das ist eine grobe Verdrehung der Tatsachen, denn dies war nur einer von vielen Gründen für die Entscheidung des Gerichtes – und nicht der wichtigste.
Das für die heutige Diskussion wichtigste Argument des Bundesverfassungsgerichtes in seinem Urteil vom Juni 1995 wird in der Diskussion meistens „vergessen“. Bekannt ist zwar der Grundsatz des Bundesverfassungsgerichtes, dass unter Berücksichtigung aller weiteren Steuern nicht mehr als die Hälfte der Erträge an den Fiskus abgeführt werden dürften, aber weniger bekannt ist, dass das Gericht klarstellte, diese Steuer müsse „aus dem Vermögensertrag“ getragen werden und dürfe nicht zu einer „schleichenden Vermögenskonfiskation“ führen. Als das höchste deutsche Gericht diese Entscheidung fällte, lag die laufende Verzinsung einer Bundesanleihe bei über 6%. Heute liegt sie bei 0,4%. Der DGB fordert eine Vermögensteuer, die bei 1 Prozent beginnt und bei 2 Prozent endet. Das würde jedoch eindeutig gegen den Grundsatz der „Sollertragsteuer“ verstoßen und wäre die vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrige erklärte „schleichende Vermögenskonfiskation“.
Abschaffung der Abgeltungssteuer
Gewerkschaften, SPD, Linke und Grüne argumentieren, es sei „ungerecht“, dass Arbeitseinkommen höher besteuert werden als Einkommen aus Kapital. Daher fordern sie die Abschaffung der Abgeltungssteuer. Auf den ersten Blick ist das plausibel. Denn während die Abgeltungssteuer für Zinsen und Dividenden 25% beträgt, beträgt der Höchstsatz bei der Einkommensteuer 45% – jeweils plus Soli. In Wahrheit ist jedoch die Steuerbelastung für einen sehr gut verdienenden Unternehmer, dem eine GmbH gehört, heute keineswegs niedriger als für eine Privatperson, die dem höchsten Steuersatz unterliegt. Denn bevor der Unternehmer eine Dividende ausschüttet und versteuert, hat er bereits auf Ebene des Unternehmens Körperschaftssteuer und Gewerbesteuer gezahlt. Beide zusammen betragen, inklusive Soli, etwa 30 Prozent. Beispiel: Nehmen wir an, eine GmbH hat einen Gewinn von 100 erwirtschaftet. Dann gehen davon 30 Steuern ab. Auf den Rest, also 70, entfällt derzeit die Abgeltungssteuer von ca. 26,4% (inkl. Soli). Das ergibt noch einmal eine Steuerlast von 18,48%. Insgesamt zahlt der Unternehmer bislang also in der höchsten Progressionsstufe einen Grenzsteuersatz von ca. 48,5 Prozent Steuern, wenn man die Steuern, die das Unternehmen zahlt und die Steuern, die er als Privatperson zahlt, zusammenzählt. Vergleich: Eine Privatperson zahlt in der höchsten Progressionsstufe einen Grenzsteuersatz von 45% plus Soli = 47,5 Prozent. Mit Blick auf Dividendeneinkünfte kann also gar nicht die Rede davon sein, dass Einkommen aus Kapital durch die Abgeltungssteuer günstiger besteuert ist.
Zugleich wird die Abgeltungssteuer auch auf Zinserträge erhoben. Wenn Gewerkschaften und SPD diese Steuer von 25 auf 45 Prozent in der Spitze erhöhen wollen (d.h. an Stelle der Abgeltungssteuer soll der persönliche Steuersatz treten), dann ist das eine Riesenfrechheit. Denn die Zinsen betragen heute ja wegen der Nullzinspolitik der EZB ohnehin (fast) Null Prozent. Der Staat spart dadurch seit Jahren Hunderte Milliarden Euro. Und jetzt sollen auf die Mini-Mini-Zinsen die Steuern in der Spitze fast verdoppelt werden?!! Da dies kaum zusätzliche Einnahmen bringen würde, handelt es sich hier wiederum eindeutig um eine reine Neiddebatte.
Soli nicht abschaffen?
Die Forderung, den Soli nicht abzuschaffen, ist ebenfalls eine Frechheit. Diese zusätzliche Abgabe wird seit 1995 erhoben – mit der Begründung, damit solle der „Aufbau Ost“ finanziert werden. Längst wird er jedoch nicht mehr dafür verwendet, sondern ist einfach eine zusätzliche Steuer. Warum diese fast drei Jahrzehnte nach der Wiedervereinigung erhoben werden soll, kann kein Politiker begründen. Vor allem, wenn man bedenkt, dass die Steuereinnahmen so stark sprudeln wie niemals zuvor in der Geschichte Deutschlands und die Ausgaben des Staates für Zinsen wegen der Nullzinspolitik der EZB so niedrig sind wie nie in der deutschen Geschichte. Dass SPD und Gewerkschaften in einer solchen Situation Steuererhöhungen für „Unternehmer und Vermögende“ fordern, ist Ausdruck des sozialistischen Neidreflexes, für den der Begriff „soziale Gerechtigkeit“ nur ein Synonym darstellt. Die Gewerkschaften tun so, als ob „Besserverdiener“ bislang zu wenig Steuern zahlten. Die Wahrheit ist dagegen, dass das eine Prozent der Personen mit dem höchsten Einkommen heute bereits 22 Prozent der Steuern bezahlt, während die Hälfte der Steuerpflichtigen gerade einmal fünf Prozent zahlt.
Was wird der DGB durchsetzen?
Was wird der DGB von seinen Forderungen durchsetzen, falls es eine Große Koalition gibt? Ich vermute, dass der Soli nur für Geringverdiener abgeschafft wird, die jedoch heute ohnehin fast keine Steuern zahlen. Für „Besserverdiener“, die heute schon das Gros des Soli zahlen, wird er dagegen erhalten bleiben. Das wird dann als Beitrag zur „sozialen Gerechtigkeit“ verkauft. Zudem kann ich mir gut vorstellen, dass die CDU bei der Abschaffung der Abgeltungssteuer mitmacht, denn diese Forderung wurde bereits aus den Reihen der Union erhoben. Lediglich bei der Vermögenssteuer bin ich verhalten optimistisch, dass sie nicht wieder eingeführt wird, weil die Union erkannt hat, dass dies vom Bundesverfassungsgericht ohnehin wieder kassiert würde. Gespannt darf man sein, ob die SPD ihre Forderung nach Einführung der „Bürgerversicherung“ durchsetzt – dies wäre zwar keine Steuererhöhung, würde aber auch dazu führen, Abgaben für Besserverdiener zu erhöhen und wäre damit aus Sicht von SPD und Gewerkschaften ein weiterer Beitrag zur „sozialen Gerechtigkeit“.