Der Druck der „Political Correctness“ gefährdet nicht nur die Meinungsfreiheit, sondern auch die Wissenschaftsfreiheit. Davor hat jüngst nochmals das Vorsitzende des Deutschen Hochschulverbands, der Juraprofessor Dieter Kempen, gewarnt. Andere Meinungen und Ansichten würden nicht mehr akzeptiert. „Das Diskussionsklima hat sich dadurch verschlechtert.“
Im vorliegenden Buch „Es war doch gut gemeint“ analysieren Daniel Ullrich und Sarah Diefenbach sehr anschaulich, wie die PC-Ideologie aus dem Ruder gelaufen ist und unsere freiheitliche Gesellschaft zu zerstören droht. Ullrich ist Medieninformatiker an der Ludwig-Maximilians-Universität München, Sarah Diefenbach ist eine noch junge Professorin für Wirtschaftspsychologie ebenfalls an der LMU.
Beispiel Rotherham: In der nordenglischen Stadt missbrauchte und vergewaltigte eine Bande von Muslimen über Jahre mehr als 1.400 Kinder, vor allem Mädchen aus armen und zerrütteten weißen Familien. Die Behörden schauten weg. Hinweise und Klagen wegen des sexuellen Massenmissbrauchs wurden jahrelang unter den Teppich gekehrt. Warum? Weil die Täter pakistanischer Abstammung waren und Ermittlungen als „rassistisch“ gegolten hätten. Auch bei den Silvesterexzessen vor zwei Jahren versuchten etliche Medien die Vorkommnisse zunächst herunterzuspielen, weil die Täter – überwiegend afrikanisch-arabische junge Männer – als „Flüchtlinge“ zu den bevorzugten Opfergruppen der PC zählen.
Das Buch von Ullrich und Diefenbach ist zum einen eine sehr reiche Materialsammlung, die nicht nur Dutzende von Fällen auflistet, in denen die PC-Ideologie zugeschlagen hat und missliebige Menschen abschießt, die gegen PC-Gebote verstoßen – vorzugsweise „alte weiße Männer“. Sie dokumentieren Beispiele für überzogenen und aggressiven Pseudofeminismus wie den Fall Brüderle oder den Fall des Nobelpreisträgers Tim Hunt, der seine Professur wegen eines selbstironischen Witzes über Frauen verlor. Es gab auch den Fall einer Gleichstellungsbeauftragten, die entlassen wurde, weil sie sich auch für Männer einsetzen wollte.
Nach Ansicht von Ullrich und Diefenbach hat die PC letztlich viele Merkmale einer Ersatzreligion und erinnert auch an eine Sekte: Die Glaubenssätze der PC sind nicht zu hinterfragen, sie sind unverhandelbare Dogmen. Wer sich an die Gebote der PC hält, wird belohnt, wer dagegen verstößt, dem droht die Verdammnis. Die PC-Jünger zeigen ihre Tugend durch kultartige Handlungen, Rituale und Zeichen („virtue signalling“), etwa die richtigen Buttons mit PC-konformen Botschaften (Für Vielfalt, FCKNZS, FCKAFD). Ihren Anhängern vermittelt die PC ein gutes Gefühl der Geborgenheit. Sie stehen auf der richtigen Seite, im Kampf für das Gute, analysiert Ullrich und Diefenbach. Diese und andere Analysen sind stark, weil sie immer wieder aus dem Fundus von psychologischen Erklärungen und Erkenntnissen schöpfen.
In Deutschland ist der nationale Schuldkult auf die NS-Zeit gerichtet und führt zu entsprechenden Identitätsproblemen, ein sehr verklemmtes Verhältnis der Deutschen zu sich selbst. Die starke Distanzierung von der eigenen Nation gilt als fortschrittlich, bis hin zu den Aufrufen der Grünen Jugend, Deutschlandfahnen abzuschaffen. Ullrich und Diefenbach wagen sich hier mit einigen Formulierungen zum deutschen Schuldkult weit vor. Sie meinen der übermäßige Schuldkult in Deutschland erschwere die Integration von Zuwanderern, da diese sich nicht in ein Volk integrieren könnten, das sich selbst verleugnet und im Grunde selbst ablehnt.
Ein politisches Hauptziel der PC in jüngerer Zeit in Deutschland war der Kampf gegen die AfD. Die „Auseinandersetzung“ war einer demokratischen Gesellschaft nicht würdig. Politisch-medial wurde eine Strategie der Ausgrenzung gefahren. Zudem kam es zu tätlichen Übergriffen, Morddrohungen bis hin zu Brandanschlägen auf Autos und Wohnungen von AfD-Politikern. AfD-Mitglieder wurden denunziert und verloren ihres Jobs.
Die PC-Ideologie hat auch deswegen ein destruktives Potential, finden Ullrich und Diefenbach, weil sie zu einer Spaltung und Entfremdung der Gesellschaft führt. Eine Entfremdung vor allem der einfachen Bürger von Medien und Journalisten, die sich wie Gouvernanten der PC aufführen und nicht mehr einfach über die Realität berichten, sondern sie entsprechen der PC-Vorgaben verbiegen. Selektive Berichterstattung, Auslassungen, Lückenjournalismus – all das führt dann zum Vorwurf der Lügenpresse. Ullrich und Diefenbach zeigen, dass es besonders im Zuge der Flüchtlingskrise 2015 und der medial hochgejubelten Willkommenskultur zu einem tiefgreifenden Vertrauensverlust in die (oft öffentlich-rechtlichen) Beschönigungsmedien kam.
Gleichzeitig beginnen die Politik und die Mainstreammedien den Kampf gegen „Fake News“ und „Hate Speech“ zu verstärken. Dass beides Kampfbegriffe sind, machen Ullrich und Diefenbach deutlich. Was Hate Speech wirklich ist, ist juristisch nicht klar definiert, das Schlagwort dient aber als Vorwand für Eingriffe und Sanktionen bis hin zu Zensur im Internet – etwa mit Heiko Maas unsäglichem Netzwerkdurchsuchungsgesetz (NetzDG), das der SPD-Politiker mit seinen dubiosen Hilfstruppen wie der Amadeu-Antonio-Stiftung unter der Führung einer ehemaligen Stasi-Spitzel-Dame durchsetzen will.
Die Schlusskapitel von Ullrich und Diefenbach sind eher düster: Entweder drohe das Abdriften in einen Überwachungsstaat, in dem (Gedanken-)Polizei und Justiz abweichende Meinungen verfolgen. Oder es komme zu einem Aufstand, einer Rebellion der bislang schweigenden Mehrheit, die sich nicht länger bevormunden lassen will. Ullrich und Diefenbach hoffen auf letzteres, warnen aber auch vor einer Eskalation, bei der sich radikalisierte PC- und Anti-PC-Kämpfer gegenüberstehen. Beides sei abzulehnen. Ihr Ideal ist und bleibt eine aufgeklärte Gesellschaft, die respektvoll, aber offen über die bestehenden Probleme debattiert. Es ist letztlich das alte liberale Ideal – das aber in der westlichen Welt zunehmend unter die Räder zu kommen droht.