Für Spaniens Politik fängt das Jahr 2018 mit vielen Fragezeichen an. Die Wahlen am 21. Dezember in Katalonien haben das Damoklesschwert der Unabhängigkeit nicht abwenden können. Die Separatisten, präsentiert durch drei verschiedene Parteien – CUP, Junts per Catalunya und Esquerra Republicana – haben diesmal sogar die absolute Mehrheit im Parlament erreicht. Für den amtierenden spanischen Premier Mariano Rajoy, dessen Partei Partido Popular (PP) nur drei Parlamentsitze erlangte in Katalonien, wird dadurch klar, wie kompliziert Demokratie sein kann, wenn Wahlen nicht so ausgehen, wie man sich das wünscht.
Seine Bemühungen der vergangenen Monate, die Separatisten als Randbewegung darzustellen, haben nicht gefruchtet. Zwar hat die liberale und in Barcelona geborene pro Spanien Partei Ciudadanos (Bürger) enorm zugelegt und ist mit 25 Prozent die stärkste Kraft im katalanischen Parlament, aber die Unabhängigkeitsparteien haben im Block mit 70 Sitzen von 135 weiterhin das Sagen. Madrids Regierung wird sich deswegen jetzt an den Tisch setzen müssen mit den Separatisten, will sie nicht noch mehr an Glaubwürdigkeit in der für Spanien so wichtigen Wirtschaftaftsregion verlieren. Gemäß der in Katalonien herausgegebenen Zeitung La Vanguardia sind die Unabhängigkeits-Befürworter auch bereit zu diesem Dialog.
Spanische Demokratie muss erwachsen werden
Die noch junge spanische Demokratie, erst seit 1978 gibt es nach der Dikatur Francos wieder eine demokratische Verfassung, muss jetzt in Höchstgeschwindigkeit erwachsen werden und den zweiten Übergang in die Demokratie, die wirkliche “transición”, einleiten. “Die spanische Regierung kann die negativen Auswirkungen auf die Wirtschaft nur durch Dialog eingrenzen,” sagt der in Madrid tätige deutsche Firmen-Anwalt Georg Abegg (Rödl & Partner).
Der Ex-Regierungschef Kataloniens, Carles Puigdemont, verkündet derweil aus seiner neuen Wahlheimat Belgien, wohin er aufgrund von gerichtlichen Verfahren gegen sein verfassungsfeindliches Verhalten geflüchtet war: “Die Republik Katalonien hat über den Artikel 155 gesiegt. (Anm. Redaktion: mit diesem Verfassungsartikel wurde die Aushebung der separatistischen Regierung in Katalonien Ende Oktober durchgesetzt, nachdem Puigdemont die Republik ausgerufen hat im Parlament.) Solche Gewinner-Gesten machen einen Dialog mit Rajoy kompliziert und könnten weitere Blockade-Monate für das Land bedeuten, wenn die PP es weiter bei der Anwendung von Gesetzen belässt und nicht beginnt, Politik zu praktizieren.
Kataloniens Wirtschaft wird weiter ausbluten
Der Konflikt der katalanischen Regierung mit Madrid wird damit anders als der vom spanischen Wirtschaftsminister Luis de Guindos noch vor wenigen Wochen angekündigten Normalisierung, weiterhin die regionale Wirtschaft negativ beeinflussen und langfristig auch die spanische Konjunktur. Jürgen Donges vom Institut der Deutschen Wirtschaft in Köln, selbst in Spanien aufgewachsen, glaubt, dass die Mehrheit der Firmenabwanderungen, inzwischen haben über 3000 Unternehmen ihren Geschäftssitz in einen anderen Teil Spaniens verlegt, nicht mehr rückgängig zu machen sind: “Es wird eine Verteilung der produktiven Wirtschaft stattfinden, das kann natürlich für Spanien als gesamtes Land positiv sein, weil dann nicht nur in Madrid und Barcelona Arbeitsplätze geschaffen werden und der Reichtum über das Land besser verteilt wird. Aber was internationale Investitionen in das Land betrifft, wird mit mehr Zurückhaltung zu rechnen sein.” Die Aussichten sind für ihn mit diesem Wahlergebnis für Spanien eher “düster”.
Katalanische Gesellschaft ist hoch politisiert
Mit einer historisch hohen Wahlbeteiligung von 81 Prozent wird klar, wie politisiert die Katalanen sind, wie wichtig diese Abstimmung für sie ist und wie sehr sie dieser seit 2012 initierte Unabhängigkeitsprozess bewegt: Die einen wollten mit ihrer Stimme die Seperation verhindern, die andere Hälfte wollte sie forcieren. “Die Wahlen haben gezeigt, dass sich dieser Prozess der Spaltung nur schwierig rückgängig machen lässt,” hört man aus spanischen Regierungskreisen. Die Tageszeitung El País spricht von einer “Demokratie der Gegenattacken”. Aus der Reihe der Sozialdemokraten, die in Katalonien auch auch nur 17 Sitze erreicht haben, verlautet, dass die Wahlen zu früh angesetzt wurden, dass man mindestens ein halbes Jahr hätte warten müssen, um die “Normalität” nach dem “Putsch” der Separatisten im Oktober in Katalonien wieder herzustellen und parallel schon eine Debatte über die Verfassungsreform hätte beginnen sollen.
Gemäss El País hat Premier Mariano Rajoy mit dem Ergebnis am 21. Dezember die grösste Niederlage seiner Karriere eingefahren. Seine nicht auf Dialog, sondern auf die Anwendung der Gesetze orientierte Taktik sei nicht aufgegangen. Die einzige wirkliche Siegerin ist nach Meinung der Zeitung La Vanguardia, Inés Arrimadas, die für Ciudadanos angetreten ist. Aber auch wenn die junge sympathische Frau einen beeindruckenden Wahlkampf hingelegt hat, kann sie nicht regieren, weil Demokratie mit Mehrheiten funktioniert und die haben immer noch die Separatisten, so sehr das viele Spanier ärgern mag.