Tichys Einblick
Die letzte Sendung des Jahres

Hart aber fair? Nein, schal und leer

Was denkt der Moderator in der Rückschau selbst über sich und seine Arbeit? Kann er tatsächlich zufrieden sein? Andererseits ahnt man die Fallstricke, die Einflussnahme, die so einer immer noch am besten vermeidet, wenn er vorauseilend gehorcht.

Screenprint: ARD/hart aber fair

Zum letzten Mal in 2017 „Hart aber fair“ mit Frank Plasberg. Was mag der Moderator selbst über sich und seine Arbeit denken, wenn er zurückschaut? Kann es tatsächlich sein, dass er zufrieden ist? Man mag es sich kaum vorstellen wollen. Andererseits ahnt man die Fallstricke, die Einflussnahmeversuche, die so einer immer noch am besten vermeidet, wenn er vorauseilend gehorsam ist.

Deutschland gespalten, in Europa isoliert – wann steuern Sie um, Frau Merkel?
Merkel: Hier sitze ich bei Anne. Will – und kann nicht anders
Die öffentliche Wahrnehmung solcher Fernseh-Gesprächskreise jedenfalls wuchs im selben Maße, wie die politischen Diskussionen im Bundestag eingestellt wurden. So gesehen sind Plasberg und Co echte GroKo-Gewinnler. Kollegin Anne Will hatte sogar mehrfach das Einzelgespräch mit der Kanzlerin im Angebot. Nun hat Will den Sendeplatz nach dem Tatort. Oder noch besser: Nach dem TV-Duell zur Bundestagswahl. Dieser herausragende Termin bescherte Anne Will annährend siebeneinhalb Millionen Zuschauer, während Plasberg im Durchschnitt weniger als die Hälfte, manche Sendung hindurch nicht einmal ein Drittel der Zuschauerzahlen der Mitbewerberin mit hart aber fair für sich verbuchen kann.

Wenn es jedenfalls darum geht, wer in den Rezensionen von TE am schlechtesten wegkam, war Plasberg sicher nicht das Ende der Fahnenstange. In der Erinnerung gab es sogar ein paar sehenswerte Durchgänge. Als Zuschauer neigt man ja zur Relativierung ins Positive. Immerhin hat man die Zeit investiert. Für all zu großen Blödsinn soll es nicht passiert sein.

Was also bietet Plasbergs hart aber fair zum Jahreswechsel an? Wird es Tischfeuerwerk geben? Der Titel der Sendung lautet: „Flopjahr 2017, erst Wahl, dann Qual: Womit haben wir das verdient?“ Plasberg will der Frage nachgehen, ob es eigentlich eine Strafe sei, Deutschland zu regieren. Jedenfalls eine gut dotierte. Verarmt ist noch keiner unter der Glaskuppel. Denn aufgestockt wird am Sozialamt vorbei.

Dilletantismus und Verantwortungsflucht
Deutschland wird nicht regiert
Plasbergs letzte Gäste 2017 sind Julia Klöckner (CDU), konservativ katholisch erzogene Winzertochter aus Rheinland-Pfalz, deutsche Weinkönigin und mit wechselnden Führungspositionen in der CDU betraut. Auch mit dabei ist der unvermeidbare Thomas Oppermann, frisch gewählter Vizepräsident des Deutschen Bundestages. Weitere Gäste: Bettina Gaus, politische Korrespondentin der taz. Und Robin Alexander, Redakteur der Welt, der aufdeckte, dass die Grenzen durchaus hätten geschützt werden können vor illegaler Migration, aber die Kanzlerin  hässliche Fernsehbilder fürchtete. Neben ihm sitzt Kabarettist Abdelkarim, seines Zeichens Duisburger Deutsch-Marokkaner. Ein Programm Abdelkarims heißt „Zwischen Ghetto und Germanen.“

Plasberg will seinen Gästen zur letzten Sendung ein Geschenk machen, kündigt an, es gäbe keine oder kaum Fragen von ihm. Er will nur den Ringrichter geben und ein bisschen auf die Zeit achten. Gute Idee? Hart aber fair? Mal sehen, ob die eingespielten O-Töne ausreichen, die Teilnehmer aus der Reserve zu locken. Oft genug 2017 eröffneten bei Plasberg eben diese Einspieler die „Tribunale“ gegen die eingeladenen AfD-Politiker und später vereinzelt auch gegen solche der FDP. Aber wenn Merkel in Einspieler Nr.1 nicht erkennen mag, was sie falsch gemacht hat, dann müsste sie anwesend sein, um sich einmal anzuhören, was das im Einzelnen alles wäre – hart aber fair.

Aber wer sollte der Kläger sein? Keiner am Tisch, der die Unmut mancher Bürger stellvertretend formulieren könnte. „Wer möchte was sagen?“ fragt Plasberg unsicher. Und es hätte noch gefehlt, er würde ein rotes Wollknäuel ins Spiel bringen, dass man sich dann zuwirft, wie in so einer psychosozialen Erkenntnisrunde. Die Runde schaut sich betreten an, bis Robin Alexander die Stille nicht mehr aushält und irgendwas mit „Fairerweise …“ beginnt.

Uns hier bei TE hätte diese Auftaktfrage sicher ausgereicht, gleich mehrere Sendungen zu bespielen. Bettina Gaus fragt dafür Oppermann, was er eigentlich in den Sondierungsverhandlungen mit „ergebnisoffen“ meint. „Wenn Sie ihr Haus behalten wollen, ist es ziemlich sinnlos über den Verkauf des Eigenheims zu verhandeln.“

Herles fällt auf
Merkel braucht Europa. Europa Merkel nicht.
Oppermann kontert, er wisse nicht einmal, was Frau Merkel eigentlich will. Merkwürdige Voraussetzungen für die Sondierungsgespräche, die im Januar beginnen sollen. Merkel hätte sich nicht einmal zu den Vorschlägen des Franzosen Macrons geäußert. Na gut, die Vereinigten Staaten von Europa bis 2025 hatte Merkel nicht ausgerufen. Aber Oppermann erinnert daran, dass Martin Schulz mit seinem Vorschlag nur einen Programmpunkt der SPD von 1925 (!) aufgegriffen hätte. Ja, so altert man seinen Parteichef in Sekunden. Aber die Leute damals hätten wirklich „was auf die Beine gestellt, was wir aktuell im Begriff sind zu verspielen.“ Das Heidelberger Programm von 1925 als Leitbild der SPD von 2017? Schauen wir mal rein und lesen:

„Der Kampf der Arbeiterklasse gegen die kapitalistische Ausbeutung ist nicht nur ein wirtschaftlicher, sondern notwendigerweise ein politischer Kampf.“

Ja, lieber Herr Oppermann, der Kampf geht weiter. Aber sicher nicht im Januar bei den Sondierungsgesprächen mit der Kanzlerin, die dann mit einem Zeppelin eingeschwebt kommt, während Oppermann selbst mit dem Hochrad vorfährt?

Journalisten machen Politik
Jamaika, das Mediendiktat
Zu den Jamaika-Balkon-Bildern weiß Frau Klöckner, dass Bilder am Ende wirkmächtiger sind als Worte. So eine Empfehlung hätte ihre Kanzlerin gebraucht, bevor sie ihre Selfie-Welcome-Refugees-Tour ins Zuwanderer-Handy lächelte. Aber immerhin wird hier endlich auch mal aus CDU-Kreisen bestätigt, dass das grundlegend falsch lief. Jamaika waren „die drei peinlichsten Wochen der deutschen Politik“, weiß Oppermann. Da hat er wohl die eigenen GroKo-Regierungsjahre vergessen. Eine unendliche Geschichte der Arbeitsverweigerung. Geschenkt, spaßiges Jahresabschlussgeplauder eben. Jeder darf jetzt mal sagen, was bisher niemand hören wollte oder abgefragt hat, während Plasberg immer tiefer in die staubige Einspielerkiste greift. Hart aber fair?

Eine Potpourri aus 2017 mit den entsprechenden Kommentaren der geladenen Gäste. Alles schon mal gehört, alles schon mal gesagt. Eine GroKo-Runde mit Comedian (wahlweise waren hier auch schon Schauspieler) und Journalisten. FDP, Linkspartei und Grüne werden nicht mehr eingeladen, weil dann jeder fragt, warum denn verdammt noch einmal die AfD nicht dabei wäre. Bei den Öffentlich-rechtlichen funktioniert es heute so und so wird es die kommenden vier Jahre laufen: Nennen wir es so, wie es ist: GroKo-TV.

Einspielerterror von Plasberg. Nichts fragen geht anders. Robin Alexander möchte gähnen, kann es aber noch unterdrücken. Martin Schulz’ 605 Stimmen von 605 Stimmen sind dran. „Die SPD kann auch 80 Prozent“, entschuldigt sich Oppermann. „Das hat nicht einmal Honecker geschafft,“ wirft Plasberg ein. Herr Alexander vermisst den Sklaven mit dem Lorbeerkranz, der Schulz hätte einflüstern müssen: „Bedenke, dass du sterblich bist.“ Schulz sei von den 100% trunken gemacht worden. Ja, oder nein oder egal. Hatten wir doch alles schon. Gehört so was zu einem Jahresrückblick? Wahrscheinlich. Aber dann doch bitte mit Kapelle zwischendurch, mit hoch geschlitztem Kleid und einem entsprechend schlüpfrigen Gottschalk auf dem Sofa.

Zuwanderung bisher kein Wort. Zero. Ja, doch, die taz-Journalistin erwähnt kurz „Integration“, aber das interessiert keinen. Dafür wird die „Bürgerversicherung“ besprochen und das Wohnraumproblem und die Pflege und die Bildung und ein Einwanderungsgesetz. Was allerdings am massivsten aufs Portemonnaie drückt, wird ausgespart samt anstehendem Familiennachzug, hunderttausenden Klagen abgelehnter Asylbewerber und entsprechend ausstehenden Abschiebungen.

Bilder lügen nicht. Nur der Umgang mit ihnen ist nicht immer ehrlich.
Flüchtlingsmädchen und Kanzlerin: Über Filmschnitt, Rollenbilder und beflügelte Empörungskultur
Eine Wassertrinkerdiskussion mit Wasserträgern. Öde, langweilig. Verschnupft. Bitte jetzt saufen, schreien, singen und Quatsch machen wie bei „Inas Nacht“, dieser Ausnahme-Late-Night-Talk mit Ina Müller. „Sie haben heftigen Schnupfen! Wir zeigen das aber jetzt nicht,“ erklärt Plasberg die andauernde Schnieferei von Kabarettist Abdelkarim. Jetzt tapfer sein, durchhalten. Nicht schon wieder vorzeitig abschalten. Nicht in der letzten Sendung Plasberg 2017. Aber wenn man beim Schreiben so an seine Leser denkt, fragt man sich schon: Wer will so etwas lesen? WER?

„Ich glaube, dass beide Partner erschöpft sind“, sagt Robin Alexander über die GroKo, die er nicht mag. Jetzt kapiert man erst die Einspieler, das sollen die politischen Zitate des Jahres sein. Also auch Nahles „… in die Fresse.“ Frau Klöckner findet das Zitat bedenklich. Das sei desillusionierend und ein Verfall der politischen Kultur. Geht es also nur um die Form? Welche politische Kultur meint sie eigentlich? Da wird also diskutiert, dass Frau Nahles von „in die Fresse“ spricht, während draußen auf der Straße gerade eine neue arabisch-geprägte „in die Fresse“-Kultur etabliert wird?

Während das BKA hunderttausende von Fällen – vorwiegend Rohheitsdelikte – für Januar-Juni 207 aus Zuwanderungskreisen vermeldet? Realitätsverweigerung als Programm. Nein, so etwas soll doch bitte nicht den lustigen Abend stören. Schlimm genug, dass diese Fälle alle durchs Netz geistern. Man kann ja nicht alles als Fake News abtun, so sehr man sich auch bemüht. Und für Silvester rüstet Köln gerade den Domplatz auf und verteilt bunte Plastikbändchen. Glücklich, wer in den Tagen keine Tochter über zehn Jahren hat. Taxi-Mutti hat wieder Konjunktur, wenn die Tage kürzer werden. Ja, dazu müssten Bertelsmann und Co mal Studien anfertigen, aber die finanziert ihnen leider keiner. Aber sicher demnächst eine für hunderttausend Euro über politische Kultur und Wortwahl.

Oppermann hält Neuwahlen nicht für den richtigen Weg, man solle doch erst einmal alle anderen Optionen ausschöpfen. Wie bitte soll man so etwas noch kommentieren? Was macht der Journalist Robin Alexander in so einer Runde, wenn er nicht schon längst Teil dieses Talkshow-Karussells wäre? Wird er nie mehr ein neues Buch schreiben können, weil ihm einfach die Zeit fehlt, weil er noch in fünfzig Jahren aus diesem einen Buch vortragen muss, so wie Drafi Deutscher einhundert Jahre lang immer nur „Marmor, Stein und Eisen bricht“ singen musste?

Nicht „Lügenpresse“ - sondern vorauseilender Gehorsam
Laschet, Klöckner, Hayali und Goldene Kamera
Der therapeutische Stuhlkreis erreicht einen vorläufigen Höhepunkt, als Plasberg tatsächlich rote Wurfwolle verteilt bzw. Klöckner und Oppermann auffordert, dem jeweils anderen mal zu erzählen, warum es auch Spaß machen könnte zusammen in der GroKo. Politiker auf Kita-Beschäftigungsniveau. Dafür immerhin danke Herr Plasberg! Bitte, bitte jetzt die Studiotore aufmachen und den Saal mit abendlichem Publikum des Berliner Alexanderplatzes füllen. Aber nichts passiert, stattdessen Artigkeiten wie aus dem Assessment-Center der AOK.

Ja doch, diese Julia Klöckner ist schon sympathisch. Offenes Lachen, strahlende Augen. Aber wofür? Für Sendungen wie hart aber fair? Ja, dafür ist es so prima wie Oppermanns Bübchengrübchen. Für die Lösung der Probleme dieses Landes ist beides leider nachgereicht. Noch einmal zur Erinnerung, Plasberg wollte hier bei hart aber fair der Frage nachgehen, ob es eigentlich eine Strafe sei, Deutschland zu regieren.

Die Frage ist nur leider an die falschen Leute gestellt. Denn die bessere Frage bei hart aber fair wäre doch jene an uns alle gewesen, ob es eigentlich eine Strafe ist, von solchen verantwortungslosen Politikern regiert zu werden. Und als weitere nun an Plasberg-Zuschauer im Allgemeinen, ob es eigentlich eine Strafe ist, solche Sendungen zu schauen. Findet sich wirklich jemand, der Traute genug hätte, das Gegenteil zu behaupten?

Parlament am Glühweinstand
GroKo: Das Kabinett der Weihnachtsmänner, die Osterhasen sind
Was ist das eigentlich für ein Armutszeugnis, wenn zwei führende Politiker beider miteinander um die Gunst der Wähler ringenden Volkspartien die Gelegenheit haben, diese Ringen einmal in einer über eine Stunde andauernden Sendung öffentlich auszutragen und dann so einen Mist abliefern. Sorry, Frau Klöckner. Sorry, Herr Oppermann. Wenn, was ihr da in Endlosschleife betalkt habt, die Probleme unseres Landes abbilden soll, dann ist das nicht mehr euer Land. Dann habt ihr im Bundestag und den Landtagen schon lange nichts mehr verloren.

Ja doch, in den letzten Minuten der Sendung wird das Thema Zuwanderung doch noch aufgegriffen. Und Regierungsjäger-Gauland bekommt auch wieder sein Fett ab. Thomas Oppermann verurteilt „Gewalt gegen Flüchtlinge, aber auch gegen andere Menschen (…) Gegen Asylbewerberheime.“ Dafür bräuchte es den starken Staat. Also er meint tatsächlich diesen Staat der „anderen Menschen.“ Oppermann sagt, dieses Land gehört nicht Herrn Gauland, sondern uns allen. Dann verteidige auch, was Dir mitgehört, anstatt stellvertretend aufzugeben, was allen gehört. An dieser Stelle würde man dann als kritischer Fernsehzuschauer stumm schreiend Andrea Nahles zitieren, wenn man nur näher dran sitzen würde und nicht nur vor der Mattscheibe. Draußen an den Bildschirmen.

Dazu passt dann auch die Schlussrunde, als Oppermann gefragt wird, bei wem er sich, für was auch immer, 2017 gerne noch entschuldigen würde. Oppermann fällt leider kaum etwas Gescheites ein, wo es doch Achtzigmillionen Adressaten für seine Entschuldigung gäbe. Plasberg entschuldigt sich für das andauernde Überziehen bei den Tagesthemen. Also auch der Moderator hat seine Chance für 2017 vertan. Das wars. Lassen sie sich gerne Zeit, Herr Plasberg, es eilt wirklich nicht. Hart aber fair? Schal und leer.

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