Tichys Einblick
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Korrekte Staatsbürgerkunde – erneut als „Tatort“ maskiert

Damit kein Zuschauer zu naiv herangeht, erfolgt die Einstimmung schon in den Vorab-Rezensionen.

© Getty Images

An diesem dritten Adventsonntag wartet die ARD mit der Tatort-Folge Nummer 1.039 auf. Der Titel lautet: „Dunkle Zeit“. Worum geht es? Nina Schramm (Anja Kling) ist Fraktionsvorsitzende der „Neuen Patrioten“. Sie wird zum Ziel von Hass-Posts und Morddrohungen. Hauptkommissar Thorsten Falke (Wotan Wilke Möhring) und Oberkommissarin Julia Grosz (Franziska Weisz) werden deshalb zu Schramms persönlichem Schutz abgestellt. Als Schramms Wagen durch eine Explosion zerstört und dabei ihr Ehemann Richard getötet wird, melden rechte Netzwerke den Anschlag eines „linken Mobs“ und werfen der Polizei vor, tatenlos zuzusehen. Für die Ermittler ergeben sich allerdings Ungereimtheiten. Wie es ausgeht, kann man sich denken: Die Täter waren innerparteiliche Gegner vom noch extremeren Flügel mit Kontakten zu ganz radikalen Gruppen.

Man muss den Film nicht gesehen haben. Worum es eigentlich geht, erklären die volkspädagogischen Vorab-Rezensionen:

Igittigitt
ARD-Tatort einmal mehr als gesinnungskorrekte Volkspädagogik
Spiegel-online schreibt: „Die AfD ist im Tatort angekommen: Punkrocker Falke geht in den Clinch mit einer Rechtspopulistin. Da ist ein bisschen Pathos erlaubt … Es geht um nichts Geringeres als die Frage, wie wir leben wollen … Dabei spielt Anja Kling ihre Wutbürgerin im Businessanzug mit Zurückhaltung, alles Schrille ist aus ihrer Rolle verbannt; das zwingt dazu, ihr genau zuzuhören. Die gesellschaftliche Spaltung wird von ihr in einem lakonischen Singsang vorangetrieben. Die aktuellen völkischen AfD-Poltergeister Höcke, Poggenburg und Sayn-Wittgenstein scheinen bei dieser Kunstfigur noch relativ fern. Die fiktiven Neuen Patrioten sind im Tatort an einem Wendepunkt, den die reale AfD schon hinter sich hat.“

Bei „Quotenmeter“ heißt es: „Das Werk von Drehbuchautor und Regisseur Niki Stein versucht also gar nicht, seinen politischen Anstrich zu verbergen, sondern gibt ein unmissverständliches Statement gegen Rechtspopulismus ab.“

Stuttgarter Zeitung und Focus stellen die Frage „Lohnt das Einschalten?“ und antworten: „Durchaus. Es war nur eine Frage der Zeit, bis sich die Krimireihe der aktuellen sozialpolitischen Stimmung annimmt. Bei dem Tatort-versierten Stein …ist ein derart komplexes Reizthema in guten Händen. Er bildet ab, anstatt zu urteilen und zeigt, wie versiert eine Partei wie die fiktiven Neuen Patrioten ihre Wähler umgarnt, wie schwer es mitunter ist, ihr mit logischen Argumenten beizukommen, und wie verhärtet die Fronten wirklich sind.“

tvspielfilm.de schreibt: „Demagogie, Doppelmoral, Verunglimpfung von ‚Systemparteien‘: packend, wie hier die Arbeitsweise der ‚wahren Vertreter des Volkes‘ entlarvt wird.“

Ein Jens Szameit meint für „tsch“ (Teleschau-Mediendienst) mit Blick auf Kommissar Falke: „Aber natürlich leidet er für uns … Für jene 87,4 Prozent der Stimmberechtigten, die bei der letzten Bundestagswahl ihr Kreuzchen nicht bei der AfD gemacht haben.“ (Am Rande nur: 87,4 Prozent nicht der Stimmberechtigten, sondern der aktiven Wähler! Das ist ein Unterschied. Denn 87,4 Prozent bei 76,2 Prozent Wahlbeteiligung sind 66,6 Prozent der „Stimmberechtigten“. Aber auf solche rechnerischen Spitzfindigkeiten kommt es ja nicht an, wenn es einem „guten“ Zweck dient.) Außerdem zitiert der tsch-Rezensent den Autor des Drehbuches mit der Aussage: Ein ARD-Sonntagskrimi, der nicht von der gesellschaftlichen Wirklichkeit seiner Zeit erzählt, sei Verschwendung von Ressourcen.

Auch die Redaktion von „Tatort-fans“ mischt mit. Eine Sabine (37 Jahre, Kinoliebhaberin) schreibt: „Die Angst, die die gegenwärtige Gesellschaft spaltet, wird spürbar. Und Anja Kling überzeugt mich mit jedem kühlen Blick, jeder provokanten Äußerung. Für mich persönlich einer der besseren Tatorte 2017.“ Ein Gerald (ebenfalls 37 Jahre, „IT-Nerd“) fügt an: „Die Parallelen zwischen AfD und DNP sind unverkennbar und das ist auch gut so. Dieser Tatort wird für Diskussionen sorgen! Ein kritischer Krimi der zeigt, wie Rechtspopulismus funktioniert.“

Und die Hauptdarsteller? Anja Kling sagt im ARD-Interview: „Die Rolle einer Politikern einer rechtspopulistischen Partei war für mich jedoch neu und sehr weit von mir entfernt.“ Wotan Wilke Möhring beschreibt den vom ihm gespielten Kommissar Falke so: „Wir haben allerdings bewusst darauf verzichtet, ihn einen permanenten Kampf um seine Position führen zu lassen. Lieber stellen wir den Zuschauern frei, ihren eigenen Standpunkt zu finden.“

Gut so! Immerhin gibt es noch keine Pflicht, einen solchen Film anzuschauen. Man darf gespannt sein auf die Einschaltquoten. Und auf die Reaktion der AfD, die ja nun auch in einigen Rundfunkräten sitzt.

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