Die Zeichen stehen auf GroKo. Da muss sich ein Heiko Maas, will er wirtschaftlich nicht von Möbelhäusern und Herrenausstattern abhängig werden, rechtzeitig erneut für einen Ministerposten ins Gespräch bringen. Schließlich ist sein „big-brother“-Zensurwerk ja noch nicht ganz vollendet. Weil ihm diese Mission nicht reicht, macht er sich nun auch noch daran, alle vermeintlichen juristischen NS-Relikte zu tilgen. Darin übrigens nicht unähnlich einer gewissen Ursula von der Leyen, die mit einem neuen „Traditionserlass“ alle Erinnerungen an die Wehrmacht vaporisieren will.
Aktuellen Anlass für seine Umtriebigkeiten meinte Heiko Maas durch ein Urteil des Amtsgerichts Gießen bekommen zu haben. Die Richter dort hatten die Gießener Ärztin Kristina Hänel wegen unerlaubter Werbung für Schwangerschaftsabbrüche zu einer Geldstrafe von 6.000 Euro verurteilt. Wörtlich heißt es in dem Urteil: „Der Gesetzgeber möchte nicht, dass über den Schwangerschaftsabbruch in der Öffentlichkeit diskutiert wird, als sei es eine normale Sache.“ Mit „Gesetzgeber“ ist der Paragraph 219a des Strafgesetzbuches gemeint. Dort heißt es: „Wer öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften seines Vermögensvorteils wegen oder in grob anstößiger Weise eigene oder fremde Dienste zur Vornahme oder Förderung eines Schwangerschaftsabbruchs oder Mittel, Gegenstände oder Verfahren, die zum Abbruch der Schwangerschaft geeignet sind, unter Hinweis auf diese Eignung anbietet, ankündigt, anpreist oder Erklärungen solchen Inhalts bekanntgibt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“ Und weiter: Dies gelte nicht, wenn Ärzte oder auf Grund Gesetzes anerkannte Beratungsstellen darüber unterrichtet werden, welche Ärzte, Krankenhäuser oder Einrichtungen bereit sind, einen Schwangerschaftsabbruch unter den Voraussetzungen des § 218a vorzunehmen.
Überzeugten Abtreibungsbefürwortern ist das zu viel Einschränkung. Vertreter von SPD, FDP, Grünen und Links-Partei ließen denn nicht lange mit der Forderung auf sich warten, der Paragraph 219 gehöre abgeschafft und Ärzte müssten über ihr Leistungsangebot zu Abtreibungen informieren dürfen. Unionspolitiker betonten dagegen, das Werbeverbot solle Geschäftsmodelle mit Abtreibungen verhindern. Bei einer Abschaffung des Werbeverbots könnten Abtreibungen verharmlost werden.
An die Spitze der Anti-219-Bewegung setzt sich denn sogleich der geschäftsführende Bundesjustizminister Heiko Maas. Er holt zum Rundumschlag aus. Dabei merkt er noch nicht einmal, dass sich sein Rundumschlag zugleich gegen frühere SPD-geführte Bundesregierungen richtet, die am Paragraphen 219 festhielten. Und weil es dem ehemaligen politischen Ziehsohn von Lafontaine nie an Gesinnung, aber oft an Argumenten fehlt, holt er die Nazi-Keule hervor. Maas wörtlich: Der Paragraf 219 sei ein Relikt aus der NS-Zeit. Und Maas weiter: Zum Glück gehörten die Zeiten, in denen der Staat das Kontrollrecht über die Körper seiner Bürger beanspruche, der Vergangenheit an. Die SPD-Rechtspolitikerin Eva Högl will gleich Nägel mit Köpfen machen, deshalb habe die SPD-Bundestagsfraktion bereits einen Gesetzentwurf formuliert. „Dieser Entwurf soll noch vor der Weihnachtspause in der Fraktion beschlossen werden“, kündigt sie an. Die SPD gehe hier voran – „gleichzeitig reden wir natürlich mit den anderen Fraktionen, um die Möglichkeiten eines interfraktionellen Vorgehens auszuloten“, so Högl. Und das in einer Zeit, in der sich noch nicht einmal die Bundestagsausschüsse, geschweige denn eine Regierung konstituiert haben.
Relikt aus der NS-Zeit? Dann hat der geschäftsführende und neue/alte Justizminister in spe noch sehr viel zu tun. Dann muss er demnächst das Kindergeld abschaffen, weil es 1936 als „Kinderbeihilfe“ von den Nazis eingeführt worden war. Und die Autobahnen. Und den 1. Mai, den Joseph Goebbels schon 1933 zu einem „einzigartigen Massenereignis“ ernannt hatte. Und den Muttertag, den die NS-Machthaber ebenfalls schon 1933 als Gedenk- und Ehrentag für Mütter deklariert hatten. Und den Handelskammerzwang mit dem „Gesetz über den vorläufigen Aufbau des deutschen Handwerks“ vom 29. November 1933. Und die Schäferhunde, die Hitler so mochte. Und die vegetarische Ernährung, die Hitler angeblich pflegte. Und die Rechtschreibreform, die 1941 initiiert, 1944 von Hitler gestoppt und in Teilen 1995 wieder aufgegriffen wurde. Und das BGB, das in weiten Teilen auch von 1933 bis 1945 galt – auf dem Papier..
Ach ja, wie wäre es mit der Abschaffung des kurz vor der Bundestagswahl 2017 vom Bundestag durchgepeitschten Maas’schen „Gesetzes zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken“ (Netzwerkdurchsetzungsgesetz – NetzDG)? Es heißt im Volksmund schließlich nicht ganz zu Unrecht Maas’sches Ermächtigungsgesetz.
Josef Kraus war Oberstudiendirektor, Präsident des deutschen Lehrerverbands, wurde mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet und als „Titan der Bildungspolitik“ bezeichnet. Er hat Bestseller zu Bildungsthemen verfasst und sein jüngstes Werk Wie man eine Bildungsnation an die Wand fährt erhalten Sie in unserem Shop: www.tichyseinblick.shop.