Ist eine schwarz-gelbe Minderheitsregierung denkbar? Christian Lindner jedenfalls scheint darauf hin zu steuern. Auf einer Veranstaltung der Ludwig-Erhard-Stiftung, auf der der frischgebackene Erhard-Preisträger Marc Beise von den Vorzügen einer schwarz-grünen Minderheitsregierung schwärmte, rief Lindner dazwischen: „Warum nicht schwarz-gelb“? So ganz zufällig war es nicht – das Modell hat Freunde.
CSU-Generalsekretär Scheuer verkündete, er wolle sich nicht am kollektiven „FDP-Bashing“ beteiligen, denn immerhin hätten auch die Grünen einen großen Anteil der Verantwortung darüber zu tragen, dass aus einem solchen Bündnis nichts werden konnte. Man hatte angeblich zeitweise sogar das Gefühl, mit zwei grünen Parteien zu verhandeln. Hieß es nicht noch am Abend der gescheiterten Sondierungen aus dem Munde von Horst Seehofer, man sei einer Einigung so greifbar nah gewesen?
Aber wen kümmert seit Adenauer schon sein „Geschwätz“ von gestern? Einen offenbar kümmert es tatsächlich: Lindner! Man mag dazu, dass er und seine Partei auf mehr oder weniger galante Art das Handtuch geworfen haben, stehen, wie man möchte. Was man der FDP aber in diesen Tagen nicht absprechen darf, ist das Pathos, mit dem sie vehement ihre Positionen vor einem Ausverkauf durch CDU und Grüne verteidigte. Sie ließ sich nicht von einem neugeformten Kollektiv eines bisher nicht dagewesenen staatspolitischen Verantwortungsbewusstseins in eine Regierung drängen, die am Ende wohl nicht nur den beteiligten Parteien geschadet hätte, sondern vor allem der Bundesrepublik Deutschland.
Ist es nicht auch verantwortungsbewusst, sich im Angesicht des herrschenden Dogmas vom „Wir schaffen das“ einzugestehen, dass etwas nicht funktionsfähig ist? Die Entscheidung der FDP hat aber wohl weniger mit Verantwortungsbewusstsein und Eingeständigkeit zu tun, denn vielmehr damit, dass man bereits ein ganz anderes potentielles Bündnis anstrebt.
Was jedenfalls bereits während der Pressekonferenz der FDP deutlich wurde, war, dass sie sich jeder Aussage enthalten wollte, die geeignet gewesen wäre, eine schwarz-gelbe Regierungsbildung zu beeinträchtigen. Lindner mahnte noch vor den Journalisten seinen Vize Kubicki, er solle eine in diesem Kontext gestellte Frage nicht beantworten.
Heißt die Marschroute für die nächste Zeit vielleicht doch Minderheitenregierung bestehend aus Union und FDP? Denkbar und möglich ist diese Konstellation allemal – und das nicht nur mit Blick auf die dadurch entstehenden Mehrheitsverhältnisse im Bundestag.
Auf einer Veranstaltung der Ludwig-Erhard-Stiftung, auf der der frischgebackene Erhard-Preisträger Marc Beise von den Vorzügen einer schwarz-grünen Minderheitsregierung schwärmte, rief Lindner dazwischen: „Warum nicht schwarz-gelb“?
Was die Regierungsparteien in spe betrifft, so hat man in den vergangenen Wochen der Sondierung den Eindruck erweckt, dass eine Annäherung gerade zwischen CDU/CSU und FDP stattgefunden habe und in diesem Verhältnis auch fruchtbare Saat vorhanden sei. An diesen Äußerungen muss sich auch die Kanzlerin festhalten lassen, deren Image als eine der geschicktesten Verhandlerinnen der Welt nach dem Scheitern der Sondierungen stark beschädigt wirkt.
Sie muss eine rasche Lösung finden, um ihre Macht weitere vier Jahre abzusichern und um die schwelende Debatte um Stabilitäts- und Ansehensverlust, Staatskrise und politische Führungslosigkeit alsbald beenden zu können, ein Bündnis finden, im Rahmen dessen sich arbeiten lässt. Denn zu laut wird bereits der Ruf nach einer legitimierten Kanzlerin aus Brüssel, zu groß der Druck der Mitgliedsstaaten und zu nachhaltig die von den Medien getriebene Diskussion um etwaige „Weimarer Verhältnisse“.
Lindner wiederum will natürlich regieren und gestalten. Aber er weiß um sein riskantes Spiel mit der Macht und hat – so viel steht fest – aus 2013 gelernt. Er ist sich bewusst, dass er in einem schwarz-gelben Bündnis viele Positionen einbringen und die Führungsfähigkeit einer erneuerten FDP unter Beweis stellen könnte. Und er weiß, dass seine Verhandlungsposition nicht so schlecht ist wie die der Union, die um ihren und den Machtanspruch der Kanzlerin bangen müsste und bei Neuwahlen wohl noch mehr verlieren würde – die FDP hingegen würde wohl eher Stimmengewinne verbuchen können.
Es sieht zwar so aus, als würde heute sein Schicksal besiegelt, aber bereits gestern Abend ließ Barbara Stamm anklingen, dass er in der aktuellen Verhandlungsphase unentbehrlich sei und ein Putsch gegen ihn eine einschneidende Vorwirkung auf die Landtagswahlen hätte.
Seehofer wird nicht weichen – zumindest noch nicht. Er wird, wieder ganz seiner alten Stärke als Taktiker entsprechend, sich ein wiederholtes Mal eine Atempause von Fraktion und Parteivorstand verschaffen, indem er seine Unentbehrlichkeit mit einem aussichtsreichen Erfolg in Berlin verknüpft: Im Fall einer schwarz-gelben Koalition könnte die CSU die aktuell vorhandene Schwäche und Inhaltslosigkeit von CDU und Merkel doch noch zum Vorteil nutzen und möglichst viele Positionen durchsetzen. Die FDP und die CSU sind sich in vielen Punkten bereits einig und würden so zu den Treibern hinter der Merkel’schen Herde. Söder wird sich auf einen Kuhhandel einlassen und um seiner Spitzenposition im Landtagswahlkampf willen hinnehmen, dass Seehofer noch eine Weile mitspielen wird – auch als Parteichef.
Und schwarz-gelb wäre wohl sicherlich gesünder und wohltuender für das politische System als weitere vier Jahre GroKo oder Neuwahlen.