Diese Überschrift mag viele Leser überraschen, zu falsch klingt sie. Und doch: Islamkritik muss links sein, daran führt kein Weg vorbei. Sonderlich logisch erscheint diese Forderung nicht. Schließlich behaupten Linke doch immer wieder aufs Neue, dass der Islam nichts mit Terrorismus zu tun habe, dass die meisten Muslime friedlich seien und nicht zuletzt, dass es sich bei Islamkritikern um Rassisten handele, obwohl der Islam keine Rasse ist. Ein Araber wie Hamed Abdel-Samad ist Atheist, während der Deutsche Pierre Vogel als Salafist auftritt.
Aber hatten nicht schon Karl Marx und später Lenin Religion als „Opium des Volkes“ beschrieben? In ihren Augen spendete der Glauben den Menschen in Armut Trost – was indirekt ihre Bereitschaft zur Revolution senkte und der Errichtung des Kommunismus im Wege stand. Zudem diskriminiert der Islam Frauen, Homosexuelle, Juden, er will die Meinungs-, Presse-, Religions-, Wissenschafts- und Kunstfreiheit abschaffen. Er lehnt die Demokratie ab und befürwortet Prügel- und Todesstrafe. Er steht für all das, was Linke vorgeblich ablehnen.
In Ansätzen üben Linke durchaus Kritik am Islam. Die schweren Menschenrechtsverletzungen in Saudi-Arabien beispielsweise nehmen sie zur Kenntnis. Seltsam verklausuliert will man aber nur die wahhabitische Spielart des Islam als Schuldigen benennen. Nun ist der Wahhabismus aber eine Denkrichtung, die sich allein auf den Koran stützt und die Neuerungen der Moderne ablehnt – also Islam pur. Auch ist Saudi-Arabien nicht ein islamisches Land unter vielen, sondern mit Mekka und Medina die Wiege des Islam. Warum schaffen es so viele Linke, das Unrecht an einem Ort zu erblicken, das gleiche Unrecht an anderem Ort aber zu ignorieren?
Rechtsextremismus und Islam
Erklären lässt sich dieser Widerspruch aus der anti-imperialistischen Logik. Als oberstes Übel gelten Linken stets der Kapitalismus und die USA. Da Saudi-Arabien aber neben Israel zu den engsten Verbündeten Amerikas in der Region zählt, ist es Linken möglich, die dortigen Menschenrechtsverletzungen zu kritisieren, angesichts der gleichen Vergehen im Iran aber zu schweigen – denn Teheran will sich Washington nicht beugen. Ähnlich lässt sich aus dem linken Lager auch Kritik am türkischen Staatspräsidenten Erdoğan vernehmen. Denn erstens gehört sein Land der NATO an und zweitens geht er militärisch gegen die marxistisch ausgerichtete Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) vor.
Reste dieses Bündnisses haben sich auch in der heutigen NPD erhalten – und das obwohl sie gegen syrische Flüchtlinge und Moscheebauten polemisiert. So konnte sich beispielsweise der iranische Staatspräsident Mahmud Ahmadinedschad, der gegen Israel hetzte und 2006 in Teheran eine Konferenz international bekannter Holocaustleugner ausrichtete, der Sympathie der rechtsextremen Kleinpartei erfreuen. Auch anlässlich der Militäroperationen in Gaza brachte die NPD ihre Verbundenheit zum palästinensischen Volk zum Ausdruck.
Zentral sind jedoch nicht Antisemitismus und Antiamerikanismus, sondern etwas ganz anderes.
Parallelgesellschaften als Schutz vor Integration
2008 bezeichnete Erdoğan bei einem Auftritt vor tausenden Deutschtürken in Köln Assimilation als „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“. Türken sollten sich in Deutschland zu ihrer Kultur, Sprache und auch Religion bekennen. Ebenso forderte Erdoğan, dass es auf deutschem Boden türkische Schulen und Universitäten geben solle. Damit erteilte er der Integration eine Absage und rief zum Gegenteil auf, zur Bildung von Parallelgesellschaften.
Gerade diese Forderungen stießen aber auf Beifall, nicht auf Ablehnung der NPD. Denn sie laufen auf eine Apartheidspolitik hinaus. Nur dann, wenn Türken weiterhin türkisch sprechen und die türkische Staatsbürgerschaft behalten, ist es möglich, sie in die Türkei abzuschieben. Je deutscher sie werden, umso schwieriger ist es, sie des Landes zu verweisen. Auch kann eine Trennung beider Völker die gefürchtete Rassenvermischung verhindern. Daher sprach der frühere Parteivorsitzende Holger Apfel von einer „Pflicht“ für Ausländer, ihrer jeweiligen Religion anzugehören.
Wohl deshalb schätzt die NPD es, wenn islamische Frauen sich verhüllen und so von deutschen Männern abgrenzen. Der verstorbene Nazi-Anwalt Jürgen Rieger stellte die rhetorische Frage: „Was ist für unser Selbstbewusstsein schädlicher, die Pflichtlektüre des Tagebuchs der Anne Frank in den Schulen oder eine muslimische Schülerin mit Kopftuch?“ Andreas Molau, ehemaliger NPD-Politiker, hatte erklärt: „Etwas mehr Kopftuch, als Frage einer züchtigen Kleiderordnung, stünde manch deutschem Mädel schon gut zu Gesicht.“ Rechtsradikale und Islamisten teilen sich ein ähnliches Frauenbild.
Rechtsextremes und islamistisches Frauenbild
Aber auch der konservative bzw. christliche Ansatz der Islamkritik, wie ihn die AfD praktiziert, birgt Fallstricke. Es bleibt zu hoffen, dass ihr Einzug in den Bundestag kurzfristige Impulse liefert und die Altparteien zwingt, eine neue Position zum Islam zu entwickeln, langfristig kann es jedoch zu gegenläufigen Entwicklungen kommen.
Nach wie vor gibt es in der AfD antisemitische Tendenzen (auch wenn sie nicht die offizielle Parteilinie darstellen). Dies ist gleich doppelt bedenklich. Zum einen – natürlich – weil Antisemitismus an sich eine Gefahr für Juden darstellt und zum Anderen, weil er, wie oben gezeigt, immer auch ein Bindeglied zum Islam darstellt. Jürgen Elsässer, dessen Compact-Magazin als AfD-freundlich bekannt ist, gilt als Unterstützer der Teheraner Regierung. Im Frühjahr lud das Mittelstandsforum der AfD-NRW Daniele Ganser zu einem Vortrag ein (und nach heftigem Medienecho wieder aus). Der Schweizer Politologe spekuliert über eine Beteiligung der US-Regierung an den Anschlägen vom 11. September 2001, leugnet also den größten islamischen Terrorakt der Geschichte. Ähnlich hatte Ganser auch den Angriff auf Charlie Hebdo kommentiert.
Schnittmengen Rechtsextreme und AfD
Als Islamexperte der AfD gilt der sachsen-anhaltische Landtagsabgeordnete Hans-Thomas Tillschneider, der gleichzeitig auch Sprecher der parteiinternen rechten „Patriotischen Plattform“ ist. Er ist ein erklärter Freund von PEGIDA und der „Identitären Bewegung“, deren Führungskader oft eine Vergangenheit in der NPD oder rechtsextremen Gruppen haben. Meist wird Tillschneider von den Medien als Islamfeind bezeichnet. Das Gegenteil ist der Fall. Der promovierte Islamwissenschaftler setzte durch, dass auf dem Parteitag 2016 in Stuttgart eine Passage, die eine Reform des Islam forderte, gestrichen wurde. Wer die „Islamisierung Europas zurückweise“, dürfe umgekehrt „keine Europäisierung des Islams fordern“. Er sei „sehr gerne im Orient“ und habe „großen Respekt vor dem Islam.“ Im Studium habe es ihn nach Damaskus gezogen, nicht in das „verwestlichte“ Kairo. „Ich will einen Islam, der islamisch ist, und ein Deutschland, das deutsch ist.“
Die linke Islamkritik einer Alice Schwarzer weise er ausdrücklich zurück. Sie führe zu Multi-Kulti und einem „grauen Einheitsbrei“. „Ich kritisiere den Islam nicht an sich und will ihn weder reformieren noch aufklären.“ Tillschneider stellt klar, dass für ihn das „Problem nicht der Islam […] sondern die Präsenz des Islams in Deutschland“ sei. Er fordert daher, die Einwanderung aus der islamischen Welt zu stoppen. Nur in einem Punkt fordert er den Islam zum Umdenken auf. Er müsse sich von seiner auf „Weltherrschaft gerichteten Expansionstendenz“ verabschieden und anerkennen „dass die Gebiete in Nordafrika und dem Vorderen Orient sein traditionelles Gebiet darstellen, in dem er sich frei entfalten kann, während er sich in den übrigen Weltregionen den dort herrschenden Gepflogenheit fügen muss.“ Diese Ausführungen ähneln den oben beschriebenen Apartheidsvorstellungen der NPD. Auch der Landesvorsitzende Sachsen-Anhalts, André Poggenburg, hatte einige Tage vor der Bundestagswahl erklärt: „So wenig der Islam nach Deutschland passt und gehört, so sehr respektiert die AfD-Fraktion Kulturen, Traditionen und Religionen in ihren Herkunftsländern.“
Anti-Amerikanismus und Rechtsextremismus
Ein weiterer Islamfreund, der bei PEGIDA auftrat, ist der Potsdamer Militärhistoriker Peter Hild. Er bewegte sich längere Zeit im Umfeld der Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck und griff 2015 in seiner Dresdner Rede auf NS-Propagandathesen zurück. Hild hatte allerdings auch erklärt: „Ich bin ein Freund Arabiens. Und ein Freund des Islam – möchte aber nicht mein Vaterland islamisch haben!“, und sich an den transphoben Sprüchen des algerischen Gangsterrappers Al Gear erfreut.
Mehrfach hatten AfD-Politiker bekräftigt, in der österreichischen FPÖ ein Vorbild zu sehen.
Beispielsweise trafen sich die Parteivorsitzenden Frauke Petry und Heinz-Christian Strache zum wortwörtlichen Gipfeltreffen auf der Zugspitze. Straches Vorgänger Jörg Haider hatte stets vor islamischer Einwanderung gewarnt, galt aber wegen antisemitischer Äußerungen als Freund der arabischen Welt. (Zufällig bedeutet sein Nachname auf arabisch „Löwe“.) Auf Reisen in den Nahen Osten soll er Millionenzahlungen von Saddam Hussein und dem Gaddafi-Clan erhalten haben.
Der christlich-konservative Publizist Dinesh D’Souza behauptete 2007, die „kulturelle Linke“ trage eine Mitschuld an den Terroranschlägen vom 11. September 2001. Liberale Werte in den USA sorgten im Nahen Osten für Hass. Zwischen den Zeilen klingt da durch, im Rahmen des Appeasement westliche Werte aufzugeben. Den arabischen Antisemitismus scheint D’Souza auszublenden, jedenfalls meint er, dass der Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern kein Motiv für Al-Qaida sei. Die sexuellen Demütigungen irakischer Kriegsgefangener in Abu Ghuraib sei auf linke Moralverstellungen zurückzuführen. Auch gab er an, in „Kernfragen des Glaubens“ dem Islam nahezustehen.
2011 griff das Internetportal „politically incorrect“ freudig die Äußerungen des britischen Biologen Steve Jones auf. Dieser hatte geklagt, dass muslimische Studenten die Evolutionstheorie ablehnten. Kurz zuvor hatte die Website allerdings republikanische Präsidentschaftskandidaten, die an die biblische Schöpfungslehre glauben, verteidigt. Derlei Widersprüche sind in einem Medium, das Meinungspluralismus zulässt, nichts seltenes – in diesem Fall aber stammten beide Beiträge vom selben Autor.
Antikommunismus, Islamismus und CDU/CSU
Wer vom Linksruck der CDU-Vorsitzenden Angela Merkel enttäuscht ist und glaubt, der islamfreundliche Kurs habe erst mit der berühmten Rede („Der Islam gehört zu Deutschland.“) Christian Wulffs im Jahr 2010 begonnen, täuscht sich. Bereits 1978 gab es ein Treffen zwischen CSU-Patriarch Franz Josef Strauß und dem Gründer der rechtsextremen türkischen Partei MHP (Graue Wölfe), Alparslan Türkeş. Die beiden kalten Krieger waren sich einig in der Bekämpfung des Kommunismus. In der Folge duldete die CSU MHP-Aktivitäten auf deutschem Boden.
Norbert Blüm hatte 1998 im Bundestagswahlkampf bekundet, dass ein fester Glaube vor unmoralischem Verhalten schütze. Recht salopp verteidigte er Moscheebauten: „Ein frommer Muslim in der Moschee ist mir lieber als ein besoffener Atheist im Freudenhaus.“ Ganz ähnlich hatte auch der Ministerpräsident Baden-Württembergs, Günther Oettinger, 2006 erklärt, ihm seien Muslime als Neubürger lieber als Atheisten oder Scientologen. Erst vor wenigen Wochen sah der CDU-Bundestagsabgeordnete Heribert Hirte im „wachsenden Atheismus“ eine größere Gefahr als in einer Islamisierung Deutschlands.
Im Jahr 2000 plante die Unionsfraktion den Blasphemieparagraphen § 166 zu verschärfen. Um dieser Forderung mehr Nachdruck zu verleihen, wurden 2001 zu einer Anhörung nicht nur Vertreter von evangelischer und katholischer Kirche geladen, sondern auch Muslime und Juden. So sollte religiöse Einigkeit demonstriert werden, schließlich galt es, Götter vor Hohn und Spott zu schützen. Anwesend war auch der Generalsekretär der Islamischen Gemeinschaft in Deutschland, Ahmad Al-Khalifa, in dessen Moscheegemeinde Hintermänner des Anschlags auf das World Trade Center 1993 verkehrten.
Younes Ouaqasse, CDU-Bundesvorstandsmitglied 2012-14, davor Führungspositionen in Schüler-Union und RCDS, betonte die Verbundenheit von Christentum und Islam. Der marokkanisch-stämmige Politiker wendet sich scharf gegen Abtreibungen und die Pille danach. Zu seinen Überzeugungen erklärte er: „Die Familie des muslimischen Deutschen wählt in der Heimat doch auch nicht die Sozis, die wählt die Konservativen.“
Materielle Interessengemeinschaft Kirchen und Islam
Auch von den Vertretern der Kirche darf man nicht zu viel erwarten. Als im Jahr 2012 ein Kölner Gericht die rituelle Beschneidung als Körperverletzung einstufte, protestierten katholische und evangelische Bischöfe. Die Entscheidung verstoße gegen die Religionsfreiheit muslimischer und jüdischer Kinder. Selbst die ultrakonservative Piusbruderschaft, die oftmals mit antijüdischen Äußerungen aufgefallen war, äußerte sich dahingehend.
Mitgetragen wurde die Willkommenskultur in der Flüchtlingskrise nicht zuletzt auch von beiden Großkirchen. Vielleicht ging es dabei um christliche Nächstenliebe. Vielleicht aber auch nur um eine neue Einnahmequelle. Schließlich sind beide Kirchen auch milliardenschwere Sozialkonzerne, für die die Versorgung der Flüchtlinge – bezahlt von Steuergeldern (und damit ist nicht nur die Kirchensteuer gemeint) – ein ganz neues Betätigungsfeld darstellt. Zudem dürfte der Anteil der Konfessionslosen in ca. 10 Jahren 50% überschreiten, Deutschland also mehrheitlich religionslos werden. Durch die Einwanderung von Muslimen kann sich dieser Zeitpunkt noch um einige Jahre verzögern.
In Deutschland herrscht offiziell die Trennung von Kirche und Staat. Tatsächlich aber werden erhebliche Staatsleistungen für die beiden christlichen Glaubensgemeinschaften erbracht – für die islamischen Gemeinden hingegen nicht. Manch einer mag sich da fragen, ob man im Rahmen der Gleichbehandlung und der offiziell doch existierenden Trennung von Kirche und Staat diese Förderungen nicht für alle Religionen streichen könne. Wohl deswegen äußern sich evangelische und katholische Bischöfe in den letzten Jahren immer häufiger islamfreundlicher und fordern eine staatliche Anerkennung der Moscheegemeinden oder islamischen Religionsunterricht in den Schulen. Bei allen theologischen Differenzen mögen diese rein weltlichen Überlegungen überwiegen.
Weder eine national, noch eine christlich fundierte Islamkritik vermögen das Problem zu lösen. Auch wenn es für viele Leser schwer erscheinen mag, nicht nur links, sondern sogar linker als links zu werden – will man dem Islam entschieden entgegentreten, gibt es keine andere Alternative. Wer weiß: wenn man mit gutem Beispiel vorangeht, werden vielleicht sogar die Linken eines Tages links.
Lukas Mihr ist Historiker und freier Journalist.