Die Großzügigkeit seiner Spender macht Deutschland zu einem der größten Gebervölker der Welt. Man ist spielend beim nur auf Vertrauen basierenden (Der Guardian) Onlinehandel hinter den USA die aktivste Nation (Wikipedia FR). Ein Paradies. Naiv, vertrauensselig. Gefühlsduselig. Treudoof?
Nur ausgerüstet mit einem ungeheuren Vorschuss aus Nestwärme und Urvertrauen wird man im freien Spiel der Kräfte aber oft herb enttäuscht: Wie die vielen zehntausend DDR-Bürger, die unmittelbar nach dem Fall des „antifaschistischen
Schutzwalls“ wie eine Herde Schafe von einer Invasion völlig außer Rand und Band geratener Nepper, Schlepper und Bauernfänger rücksichtslos geschoren wurden. Die Anzeigenmasche der Finanzberater (O-Ton: „Überweisen Sie mir ihr Geld, ich verdoppele es innerhalb eines Monats“) war die dreisteste Variante. Die Zeit nannte das Beitrittsgebiet ein „El Dorado der Trickbetrüger“.
Nur an wenigen Orten der Welt empfängt sie eine ähnlich freie, ungezwungene und herzenswarme Atmosphäre wie in Deutschland. Diese schläfrige Geborgenheit, in der sich der soziale Frieden in den allermeisten Gegenden ohne eine einzige Polizeistreife einstellt und die Lokalpolitik getrost die Stelle für den Bahnhofsvorsteher streichen kann. Wo man Schnittblumen in Abwesenheit des Bauern am Wegrand durch Entrichten des Kaufpreises in einen Metallkasten mitnehmen darf. Wo man, auch unter der erdrückenden Last von Beweisen des Gegenteils, weiter an das Gute glaubt, hilfsbereit bis zur Selbstaufgabe und jeder Niedertracht weitgehend schutzlos ausgeliefert ist.
Beispiel: Jahrelange Quotenrenner des öffentlich-rechtlichen Rundfunks: Mit versteckter Kamera gefilmte Gutgläubigkeit (Verstehen Sie Spaß?), die Warnungen vor Neppern Schleppern und Bauernfängern (Vorsicht, Falle!) und die heute immer noch sehr beliebten, auf allen Radiokanälen ihr Unwesen treibenden „Telefon-Schrecker“ – z.B. der kleine Nils. Blicken sie in die überraschten Gesichter der Gefoppten, wen sehen Sie da?
Emil Kohleofen ist freier Publizist.