„Die unbequeme Wahrheit ist, dass die weiße Rasse die gewalttätigste und unterdrückendste Naturgewalt auf Erden ist.“ Munroe Bergdorf macht kein Geheimnis aus ihrer Abneigung gegen eine bestimmte ethnische Gruppe. Rassismus sei „nicht erlernt“ sagt sie weiter, sondern „geerbt“ und „weitergegeben durch Privilegien“. Bergdorfs Kommentare wurden vergangene Woche in einem Videoclip bei der britischen BBC ausgestrahlt.
Munroe Bergdorf, 30, gemäss eigener Aussage eine „Transgender mixed race person“, ist ein britisches Model. Globale Bekanntheit erlangte sie im August, als die Kosmetikfirma L’Oréal sie im Zuge ihrer „Diversitäts-Initiative“ zum „Gesicht der neuen Diversität“ kürte – und die Zusammenarbeit vier Tage später wieder beendete, nachdem Bergdorf auf Facebook rassistische Kommentare über Weiße postete.
In dem BBC-Clip wiederholt Bergdorf diese Aussagen fast wortgetreu, nur scheint die öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt kein Problem damit zu haben, dem Model eine Plattform zu bieten für Kommentare, die, kämen sie von einer berühmten weißen Persönlichkeit, zweifelsohne unter Hatespeech fielen, und aufgrund derer sie von einem privaten Unternehmen entlassen wurde. Der große Aufschrei blieb aber aus. Außer ein paar wütenden Twitter-Kommentaren fand keine nennenswerte Empörung statt. Als „Transgender mixed race person“ darfst du offenbar etwas, das andere nicht dürfen: eine ethnische Gruppe pauschal verunglimpfen.
Yusra Khogali, die Mitbegründerin der Black Lives-Matter Bewegung Toronto ist schon mit einer ganzen Reihe von extremen, rassistischen Kommentaren aufgefallen. Laut einem Blog in der Huffington Post vom 8.2.2017 sinnierte sie einmal öffentlich darüber, dass Weiße wegen ihrer weißen Haut Untermenschen seien („sub-human“). Wie der Blogautor James Di Fiore schreibt, stützte sie ihr Behauptung damit, dass Weiße keinen hohen Anteil an Melanin hätten, das hindere sie daran, Licht aufzunehmen und somit auch den Sinn für moralische Klarheit („moral clarity“). Im Februar 2016 twitterte sie schon: „Bitte Allah gibt mir die Kraft, diese Männer und weißen Leute heute hier nicht zu verfluchen/töten. Bitte. Bitte. Bitte.“ Gemäss der kanadischen Zeitung Toronto Sun schrieb sie auf ihrer Facebookseite von weißen Menschen, die „rezessive, genetische Defekte“ seien. Außer beim Autor, der in seinem Huff-Blog Khogalis Rücktritt von der Black Lives Matter-Bewegung forderte, und einigen wütenden Reaktionen in den sozialen Medien, blieb die politische und mediale Empörung auch hier aus.
Dass für Personen wie Khogali, Greene oder Bergdorf andere Massstäbe gelten und diese moralische Inkonsistenz in Teilen der Gesellschaft verankert zu sein scheint, zeigt auch der US-Blog Rabbe.ca. Unter dem Titel „Weiße Menschen haben kein Recht, Yusra Khogali’s Wut zu kritisieren“ erklärt der Autor, dass Leute, die unter dem „Rassismus-Problem des Systems“ leiden, nicht verantwortlich gemacht werden dürfen für ihre zornigen Äußerungen – diese Aktivisten hätten einzig eine „Verpflichtung gegenüber ihrer Bewegung“.
Es ist gewiss so, dass aufgrund der Geschichte Weiße sensibler sein sollten, sensibilisierter im Umgang mit ethnischen Minderheiten. Die Anfeindungen, mit denen ihre Angehörigen manchmal heute noch zu kämpfen haben, sind real. Missstände existieren. Rassismus existiert. Und es ist wichtig, die Aufmerksamkeit darauf zu lenken. In der Öffentlichkeit darüber zu sprechen. Das Bewusstsein der Gesellschaft dafür zu schärfen. Niemand sollte aufgrund seiner Herkunft oder seines Geschlechts diffamiert werden.
Diese Tatsache ändert aber nichts daran: Rassismus ist Rassismus, egal, von welcher Gruppe er kommt. Historische Diskriminierung oder aktuelle Missstände sind keine Persilscheine für weiteren Rassismus, für rassistische Kommentare auch nicht. Jene nun Schweigende, die ansonsten schnell sind mit dem Anprangern von Ungerechtigkeiten, solange es dem „richtigen“ Zweck dient – Medien, Politik, Promis, Aktivisten und Meinungsmacher – drücken hier offenbar ein Auge zu. Vergangenes Unrecht mit einer Art Über-Kompensierung wettzumachen wollen, ist aber der falsche Weg, um das Problem zu lösen.
Munroe Bergdorf wird Ungerechtigkeiten erlebt haben, ihr Frust, ihr Zorn ist verständlich. Indem sie aber genau das tut, was sie anderen vorwirft – mit dem Finger pauschal und immer wieder auf eine Gruppe von Menschen zu zeigen, ohne die Unterscheidung zu tatsächlichen Rassisten vorzunehmen, zwingt sie die Öffentlichkeit, sich auf eine Seite zu schlagen. Sie erreicht damit, dass Leute Hautfarbe eher wieder mehr gewichten, anstatt sie einfach als Attribut wie etwa Haarfarbe wahrzunehmen – und dass somit das Kategorisieren von Menschen in Gruppen eher wieder zu- statt abnimmt.
Das Resultat: Aufkeimende Wut über die ungleichen Moral-Kompässe, Wut unter den Beschuldigten und eine Gesellschaft, die sich mehr und mehr spaltet. Auch das ist Teil der unbequemen Wahrheit.
Der Beitrag erschien in kurzer Version zuerst in der Basler Zeitung.