Tichys Einblick
Was bringt ein Einwanderungsgesetz?

Maischberger: Willkommen in Wolkenmaischbergheim

Frau Demirkan möchte ein „transkulturelle Gesellschaft“. Alles andere sei eine Art „Quarantäne“. Ihr fehlt der Blick auf die zwangsläufige Folge: Multi-Quarantäne-Parallel-Gesellschaften, die schnell zur Konflikt-Gesellschaft alle gegen alle werden können.

Screenshot ARD

Sie kennen das sicher: Von weitem erkennen Sie den Bekannten, ahnen sofort, dass das kommende Gespräch unangenehm werden könnte, aber es fehlt die letzte Gelegenheit, es fehlt der letzte Wille, auszuweichen, umzudrehen. So ungefähr funktioniert für Zuschauer ein Abend bei Maischberger, wenn man angeschaltet hat, wenn die Sendung unmittelbar bevorsteht, wenn man zudem noch darüber schreiben muss.

Alleine schon das Thema … Man schaut, man weiß, man schüttelt sich. „Ausländer rein! Was bringt ein Einwanderungsgesetz?“ Und in der Vorankündigung die fahrlässige Behauptung, an der Immigration könne sich die Bildung einer schwarz-gelb-grünen Bundesregierung entscheiden.

Aber nein, diese Wollmilchsau mit Rufnamen „Jamaika“ ist doch überhaupt nur wegen der Massenzuwanderung möglich geworden. Und nein, ein „Einwanderungsgesetz“ löst nicht das Zuwanderungsproblem, es wäre eventuell, aber NUR eventuell, ein Lösungsansatz VOR diesem Massenansturm auf das deutsche Sozialsystem gewesen. Ja, zu einer anderen Zeit, auf einem anderen Planeten, ja. Aber wo wart ihr alle, ihr Politiker, Ihr Moderatorinnen und Studierten, als sich die Menschen den Kopf zerbrachen, als sie Vordenker und Anpacker suchten, als sie Lösungen erwarteten und ihr nur wieder ihr den Zeigefinger gehoben habt? Als Verwalter des Chaos.

Zweites Thema der nun gleich folgenden Phantom-Debatte: Die Obergrenze. Ebenfalls ein Humbug, der schon im Wort offensichtlich wird: Ohne europäische bzw. deutsche Grenzen keine Obergrenze. Es funktioniert nicht ohne! Aber all das haben wir hier bereits in gefühlt dutzenden Artikeln transparent gemacht und sogar der Politik als Fehdehandschuh hingeworfen bis ein Haufen draus wurde.

Nun also die Halbliterdose Red Bull aufgeknackt und im Murmeltiermodus die Gästeliste durchgeschaut. Niemand da, der wach halten könnte ohne solche Hilfsmittel. Ja, doch: Wolfgang Bosbach ist da. Aber warum eigentlich? Er war doch schon gegangen und kommt nun doch wieder. Dabei wird es ihm wieder nicht anders gehen als dem Autor und Lesern von TE: the same shit … Mit dabei und aus der Talkshow Mottenkiste entstaubt, der grüne Volker Beck. Ebenfalls mit am Tisch Marie-Agnes Strack-Zimmermann von der FDP. Mal schauen. Der Wissenschaftler des Abends – diese Sendungen, das wissen wir, folgt ja einer Commedia dell’arte (Berufsschauspielkunst) mit festen Rollen und Masken – heißt Ruud Koopmans, er gibt den Immigrationsforscher.

Offensichtlich einen mit Sinn für Zeitgeist, wenn er zuvor erklärt: „Nur wenn sich ein Migrant in den Arbeitsmarkt integriert, profitiert die Gesellschaft. Deshalb dürfen nur die gut Integrierten hier bleiben.“ Und ausgerechnet Volker Beck empfiehlt sich für die Sendung mit der Bauernweisheit: „Bei Flüchtlingsrechten geht es darum, dass wir Menschen vor Verfolgung schützen, vor Gefahren für Leib, Leben und Freiheit. Und bei Einwanderungsregelungen geht es um unsere Interessen.“ Wie bekifft sind die beiden?

Koopmans wie Beck also schon im Vorfeld in Wolkenmaischbergheim angekommen. Dort, wo man über die Welt der anderen redet, die man offensichtlich nicht kennt. Also schnell den halben Liter Red Bull auf Ex gezogen und los geht’s. Während sich in Berlin die Jamaikaner gerade gegenseitig auf die Schulter klopfen für ihre Konsensfähigkeit, sollen hier ehrlich um Positionen gestritten werden. Ein Witz.

Regierungsbildung
FDP: Wer will nach Jamaika?
„Einwanderungsgesetz, kommen dann mehr oder weniger Menschen zu uns?“, fragt Maischberger zum Auftakt. „Ist die Erde eine Scheibe?“ fragt keiner, aber ein syrischer Pädagoge soll später noch zugeschaltet werden, der Familiennachzug wird ihm aktuell noch verweigert. Und dann taucht noch Renan Demirkan auf, die vorher nicht auf der Liste stand. „Inshallah zum Einwanderungsgesetz!“, sagt sie zum Auftakt. Nein Frau Demirkan, dafür gibt es kein „Mashallah“. Aber vielleicht demnächst einen muslimischen Feiertag. Nebenbei bemerkt, HD (high density) ist auch gemein zu den Männern. HD ist alles andere als ein Jungbrunnen. Aber HD bleibt eine Äußerlichkeit, denn ein geistiges HD ist noch nicht erfunden. Es wäre zu entlarvend.

Helmut Kohl wird eingespielt, damals, als er noch die hier lebenden Türken wieder nach Hause schicken wollte, um die Sozialsysteme nicht implodieren zu lassen. Demirkan hat Kohl ganz viel übel genommen, erklärt sie. Und dann erinnert man sich an Maischberger und Matussek, als auch Demirkan da war und Matussek an ihr implodierte. Aber einer wie Matussek fehlt heute, Bosbach ist paralysiert, weil ihm Demirkan gleich mal entwaffnend die Bewunderung ausspricht.

Was Frau Demirkan weiß: Die Wirtschaft hat damals das Rotationsprinzip für Gastarbeiter boykottiert. Bosbach findet die Diskussion nun verkrampft: „Außer Nordkorea und dem Vatikan sind alle Länder Einwanderungsländer.“ Wenn man „Einwanderungsland“ als ein Bemühen um Ausländer verstehe, sei Deutschland jedenfalls keines. Ausnahmetatbestände seien aber tatsächlich von deutschen Unternehmen immer wieder bemüht worden. „Wir sollen aber nicht so tun, als wenn wir einen gesetzlosen Zustand hätten.“ ergänzt Bosbach.

Frau Marie-Agnes Strack-Zimmermann (MASZ) darf in den Bundestag einziehen, während Bosbach und Beck raus sind. Die FDP Politikerin ist sich sicher, Deutschland ist Einwanderungsland. Sie möchte sortieren, „wen wollen wir, wenn brauchen wir?“

Ruud Koopmans bringt kurz den Begriff „Auswanderungsland“ ins Spiel. Interessant, denn da gibt es etliche hunderttausend, die sogar schon ihren Marschbefehl in der Tasche haben, aber vor Gericht klagen, sich weigern oder einfach untertauchen. Man diskutiert über Einwanderung, über Einladung von qualifizierten Facharbeitern. Aber was ist mit denen, die so hoch gelobt schon hier sind? Diese syrischen Akademiker und hoch qualifizierten Handwerker? Offensichtlich still und heimlich schon abgeschrieben. Jetzt sollen „bessere“ Einwanderer die Kassen des deutschen Sozialsystems für ihre unqualifizierten Landsleute füllen? Was für eine gewagte Idee!

Frau Demirkan, bitte, bitte nicht jeden in der Runde duzen. Es hat so was zwanghaft Integratives wie rübergebrüllt von der IKEA-Kasse zum Hotdog-Stand.

Jamaika-Koalitionsverhandlungen
Nebelkerze Einwanderungsgesetz
Irritierend übrigens die Ähnlichkeit zwischen Marie-Agnes Strack-Zimmermann und Hildegard Hamm-Brücher. Das kann nicht nur an der Haarfarbe liegen. Der ebenfalls grauhaarige Bosbach klärt auf, dass ein neuer Zuwanderungstatbestand geschaffen werden soll: „Ich bin nicht dafür den Zusammenhang auflösen zwischen Arbeitsplatznachweis und Zuwanderung.“ Damit hätte Kanada ganz schlechte Erfahrungen gemacht. Wer nicht nach diesem System einreist, sei überwiegend arbeitslos. Das hoch gelobte kanadische Modell wird in Deutschland strikt abgelehnt, denn Kanada arbeitet mit Kontingenten, mit Quoten.

In Kanada würden Bewerber nach einem strengen Punktesystem bewertet. Die Ausbildung und der Mangel an Fachkräften in bestimmten Bereichen erhöhe die Chancen. „Für Deutschland undenkbar“, sagt Bosbach. „Menschen, die wir brauchen und Menschen, die uns brauchen, dürfen wir nicht miteinander verrechnen“, interveniert Beck. Wenn mehr „Flüchtlinge” kämen, dann müssten eben die Kontingente für Fachkräfte gesenkt werden. Ach.

Die Dame von der FDP findet, „wir müssten dafür sorgen, dass in der Heimat der Flüchtlinge wieder Friede ist.“  Na, da sagt sie was. Meint sie die deutsche Waffenhilfe für die kurdischen Peschmerga, die für uns wieder Wohnraum für unsere anerkannten Syrer frei schießen sollen?

Ruud Koopmans ist auch noch da. Sagt aber nichts mehr. Gut sieht er aus. Erinnert ein bisschen an den mittelalten Gunther Sachs, cooler Typ eigentlich. Oder cool, weil er keinen Unsinn erzählt. Weil er noch gar nichts erzählt. Weiter so, so kann man nur gewinnen. Übrigens ein AfD-Modell, dort, wo die AfD die anderen hat streiten lassen, ging sie am erfolgreichsten aus den Sendungen.

Nach und nach lernt man die gesamte Familie von Frau Demirkan kennen. Vater, Mutter, Tochter. Letztere studierte wohl in Kanada.

Ruud Koopmans weiß doch noch was zu sagen: „Die meisten Einwanderer in Kanada sind hochgebildet.“ Dazwischengeplapper. Entrüstung. Na klar.

Maischberger stellt klar, das doch viele, die jetzt nur die Möglichkeit hätten, Asyl zu beantragen, durch ein Einwanderungsgesetz endlich mit dem wahren Grund kommen würden: Um hier Geld zu verdienen.

Man möchte in dem Moment alle ihre Talkshows der letzten zwei Jahre zurückspulen, wo auch von ihr so erbittert bekämpft wurde, wer es wagte zu behaupten, viele „Flüchtlinge” kämen in Wahrheit als Einwanderer in Arbeit oder Sozialsystem.

Schöner Vorschlag von MASZ, die meint nämlich, man solle doch die Pflegekräfte verpflichten, die jetzt alle aus England raus müssten. Ach Du je, nun also auch noch eine Fluchtroute über den Ärmelkanal. Und Nordseewasser unterm Kiel für die Fluchthilfe-NGOs? Oder zählt das schon zum Atlantik? Nein, oder? Trotzdem nachher mal auf die Karte schauen.

Nicht zu glauben
Blankoscheck Familiennachzug
Dann kommt noch der Syrer, der seine Familie zunächst bis März 2018 nicht nachholen kann. Traurige Geschichte, klar. Frau und Sohn in Syrien. Er hat die Familie nicht mitgenommen, weil der Weg nach Deutschland zu gefährlich war. Gefährlicher als der Aufenthalt im „Fluchtland“? Aber das will Maischberger zunächst lieber nicht fragen, sie lobt erst mal brav, wie gut er deutsch spricht. Zurück nach Syrien kann er aber auch nicht, er wäre wohl desertiert und käme schon am Flughafen Damaskus ins Gefängnis. Seine Frau lebt noch in Syrien. Wohl unter  dem Schutz kurdischer Kämpfer. Das ist alles interessant, aber macht hier in der Diskussion leider wenig Sinn. Wenn man das große Ganze verhandeln will, ist das Einzelschicksal eher hinderlich.

Und dann ist es schon fast vorbei. Der Syrer staunt noch dankbar über Demirkan, die an seiner statt erklärt, warum er Frau und Kind zurückgelassen hat. Der arme Kerl kann einem fast leid tun. Gut, dass er dann doch nicht alles versteht. Marie-Agnes Strack-Zimmermann stellt fest, dass der Syrer mit seinem Job doch auch so gut reingekommen wäre nach D über das zukünftige Einwanderungsgesetz. Beck hat den Fauxpas erkannt und erinnert, dass der Syrer als „Flüchtling” hier ist. Man redet über ihn statt mit ihm. Trotzdem: Besser kann man den ganzen Wahnsinn der letzten zwei Jahre samt Talkshow-Terror nicht erklären, freilich unfreiwillig. Ruud Koopmans kam nicht zu Wort. Oder kaum. Maischberger hat ihn schlicht vergessen. Herrlich. Man möchte wirklich mal wissen, was der Syrer denkt. Sein Pokerface erzählt nicht viel. Ein taffer Typ irgendwie, Typ Klitschko.

Frau Demirkan möchte ein „transkulturelle Gesellschaft“. Alles andere sei eine Art „Quarantäne“. Man gut, das Gauland nicht eingeladen ist, er hätte sich eventuell genau in dem Moment übel verplappert. Und dann kommt Maischberger mit dem muslimischen Feiertag des Innenministers als Schlussrunde. Der Zuschauer erinnert vielleicht noch das Thema „Ausländer rein! Was bringt ein Einwanderungsgesetz?“ Maischberger nicht. Entertainer Thomas Gottschalk twitterte dazu in etwa, er fände das gut. Dann gäbe es bald also auch Allerheiligen in Bagdad’. Ein Kalauer. Und ernster: Ruud Koopmans findet den Vorschlag des Innenministers eine unnötige Provokation der Bevölkerung. Ach, wenn es nur das wäre, dann wäre doch alles gut.

Die mobile Version verlassen