Eine Vertreterin der Deutsch-Indischen Gesellschaft widerspricht den Aussagen Cheblis und gibt gegenüber der Berliner Morgenpost zu Protokoll, dass sie ebenfalls auf dem angeblich nur von Männern besetzten Podium saß. Chebli sei darüber hinaus zu spät gekommen und hätte sich auf einen Stuhl gesetzt, der kein Reservierungsschild hatte, was auch erklärt, weshalb der ehemalige Botschafter Hans-Joachim Kiderlen sie nicht gleich erkannt hatte. „Die dann gefallenen Worte des Vorsitzenden halte ich für zutreffend.“, so die Vertreterin der DIG in ihrer Mail. Der Kommentar Kiderlens sei „gut gemeint“ gewesen. Und sie ergänzt: Ihre Rede hätte Frau Chebli nicht frei gehalten, sondern vom Blatt abgelesen.
Sie könne Frau Chebli „nur empfehlen, bei künftigen Veranstaltungen pünktlich zu kommen und sich wie üblich mit dem Veranstalter vor Beginn der Veranstaltung bekannt zu machen“, heißt es weiter. Einmal mehr erscheint die Schilderung Cheblis vor diesem Hintergrund als bewusst überzeichnetes Szenario, das offenbar mit der Absicht verfasst wurde, bestimmte Stereotype in der Sexismus-Debatte zu bedienen. Hier die durch und durch männliche Welt der Politik und da die junge Frau mit Migrationshintergrund, die alle Klischees Lügen über hübsche Frauen und Intelligenz Lügen straft. Chebli selbst räumt gegenüber der Nachrichtenagentur dpa gänzlich unverhohlen ein: „Es ging mir darum, eine Debatte weiter anzustoßen, die noch nicht ausgefochten ist.“ Und auf Anfrage der Morgenpost heißt es: „Es ist durchaus möglich, dass ich in dieser Situation als Gast so vor den Kopf gestoßen wurde, dass ich die Zusammensetzung des Panels falsch wahrgenommen habe. Sollte dies so sein, tut es mir leid.“
Immerhin ließen sich nicht wenige Presseorgane, darunter der Tagesspiegel und der Kölner Stadtanzeiger, zu einem Kommentar hinreißen, der Chebli verteidigte. Fühlt man sich da als weibliche Journalistin von Frau Chebli nicht verhohnepiepelt, oder ist die Scham so groß, dass man nun nicht zurückrudern will? Dabei liegt es doch gerade in der Verantwortung von uns Frauen, uns weiblichen Stimmen in der Öffentlichkeit, solche Dinge nicht durchgehen zu lassen, wenn wir in künftigen Debatten rund um das Thema Sexismus noch ernst genommen werden wollen.
Dazu kommt: Ich muss mit keiner Frau Solidarität zeigen, genauso wie ich Angela Merkel wählen muss, nur weil sie eine Frau ist. Frau sein ist kein Wert für sich. Und schon gar nicht rechtfertigt er das Verschweigen von Lügen der Sache wegen. Der deutsche Journalismus täte jedenfalls einmal mehr gut daran, die Verpflichtung gegenüber der wahrheitsgemäßen und kritischen Berichterstattung den ideologischen Wunschvorstellungen voranzustellen.
Ein weiterer Punkt ist, dass man angesichts des geschilderten „Vorfalls“ der Berliner Staatssekretärin, der sich durch die Darstellung der Vertreterin des DIG als noch größerer Popanz entpuppte, als er ohnehin schon war, auf die Idee kommen könnte, dem Feminismus gingen die Themen aus, weshalb er gleich welche erfinden müsse. Dies wage ich angesichts einer nie dagewesenen körperlichen Bedrohung für Frauen in diesem Land doch arg zu bezweifeln.
Wem das zu praktisch ist, der kann sich auch auf theoretischer Ebene über die Frauenfeindlichkeit im Deutschrap informieren, der zum Großteil von jungen muslimischen Männern und ihrem Frauenbild geprägt wird. Der kann sich an den Schulen anschauen, was das durch den Rap verbreitete Frauenbild plus einer Mehrheit von muslimischen Jungs mit der Freiheit der Mädchen und dem Frauenbild der verbleibenden deutschen Jungs anstellt, die diese Schulen besuchen. Ferner könnte man an sich gesellschaftliche Debatten über den Jungfrauenkult im Islam stoßen und was das auch für viele hier geborene junge Frauen bedeutet, die kein wirklich selbstbestimmtes Leben führen können und sich stattdessen ihr Jungfernhäutchen wieder zunähen lassen. Wir könnten über das Kopftuch als Trennlinie zwischen den „ehrenhaften“ und „unehrenhaften“ Frauen sprechen, statt es als Symbol der Freiheit zu zelebrieren, über die 50.000 Opfer von weiblicher Genitalverstümmelung allein in Deutschland, über die Morde im Namen der „Ehre“ oder die vielen Frauen, die in Köln Opfer wurden und deren Täter zu einem ganz großen Teil nie eine Strafe dafür bekommen werden.
Ja, es gibt so viele Debatten, die es verdienen, angestoßen zu werden und für die man noch nicht einmal etwas dazu erfinden muss, weil die Realität schockierend genug ist. Bei denen es wichtig wäre, dass gerade Frauen Stellung beziehen. Nein, dem Feminismus gehen die Themen sicherlich nicht aus. Er muss nur den Mut finden, sie zu besetzen.