Inzwischen gehört es schon zur TV-Kritik-Tradition, dass wir zunächst die Kandidaten vorstellen. Bestimmt kennen Sie noch Matthias Platzeck, der einst mit 99,4 % zum SPD-Chef gewählt wurde (nur Kurt Schumacher mit 99,9 % und der noch großartigere 100%-Martin schnitten besser ab). Heute ist er „nicht mehr in der Politik“, wie er sagte. Warum er zum Thema „Starke Kandidaten, starke Wahlergebnisse – Warnruf für Angela Merkel?“ geladen war? Vielleicht, weil kein Aktiver seiner Partei etwas zu „starken Kandidaten“ öffentlich sagen wollte, die SPD hat ja keine. FDP-Lindner dürfte sich für einen solchen halten, aber er und sein Kompagnon Kubicki haben in den letzten Wochen ihr Talkshowpulver komplett verbraucht. Die AfD (inklusive der Fahnenflüchtigen) werden zur Zeit nicht mehr eingeladen, seit sich die Öffentlich-Rechtlichen als AfD-Wahlhelfer verunglimpft sehen (wie auch hart aber fair).
Da haben sie lieber Journalisten eingeladen. Zwei Unbelehrbare aus der „linken“ Ecke. Die Österreicherin Alexandra Föderl-Schmid, die heute für die Süddeutsche beobachtet. Und der Rheinländer Peter Zudeick, der hauptsächlich die Dritten Programme beliefert. Bis hierhin könnte man getrost sagen: Kennen wir alles, hatten wir schon, brauchen wir nicht mehr.
Aber gemach, gemach, lieber Leser, da waren noch zwei, und derer wegen lohnte sich der Abend bei hart aber fair. Euro-Ede Stoiber muss man nicht mehr vorstellen, ist er doch längst eine Karikatur seiner selbst geworden: Er sagt einfach, was ist. Und das gerne auch ungefragt. Das stört jede Talkshow. Boris Palmer, den grünen Oberbürgermeister von Tübingen (der 28% der Stimmen in seiner Stadt holte), sieht man nicht so häufig. Deshalb wollen wir zu Beginn einige Palmer-Zitate bringen:
Dann wurde Palmer mit seinem Facebook-Eintrag konfrontiert, in dem er sich über „Flüchtlinge“ ärgerte, die ohne Bahnfahrkarten aufgegriffen wurden, die aber „aus Angst?“ nicht zur Rechenschaft gezogen wurden. Was natürlich bei den Grünen (also seiner Partei!) unter „Rassismus“ fällt. Nun, es stinkt dem Boris einfach. Wohl nicht nur bei hart aber fair.
Und noch eine Aussage, die ihn einem Parteiausschlussverfahren näher bringen dürfte: „Für mich hat sich etwas verändert, das mit nicht gefällt. Gewaltneigung hat zugenommen. Viele Flüchtlingsstraftaten. Und wenn man das klar sagt, gilt man wieder als Rassist.“ Dabei habe er zuhauf erlebt, dass Amtsträger in den Kommunen in öffentlichen Debatten anders reden, als sie wirklich empfinden. Da gehe der Trend in Richtung „Wir schaffen das nicht mehr lange“.
Den grotesken Einwand aus Richtung der Vereinigten Linksjournos, was der Unterschied sei zum „Gesindel” bei Fußballspielen und Oktoberfest, konterte Palmer locker mit: „Die sind dazugekommen.“
Boris Palmer ist einer der wenigen deutschen Politiker diesseits der Pensionsgrenze, die „sagen, was ist“, statt sich die Welt mit Buntstiften passend zu malen. Genau das war die erfolgreiche „Methode Kurz“ in Österreich. Wäre Palmer in der Union, könnten wir auf eine Liste Boris Palmer/CDU hoffen, und der Merkelmurks-Verein wäre Geschichte. (Vielleicht ein Mitgliedertausch Spahn – Palmer?) Natürlich könnte er auch – Parteiwechsel vorausgesetzt – die SPD wieder zur Volkspartei machen, aber die Genossen zieht es ja eher in den Untergrund. In beiden Fällen müsste Palmer seine Vorliebe für Busfahrer-Kurzarmhemden auf die Freizeit beschränken und zu blauen Slim-Fit-Anzügen wechseln – das Auge wählt schließlich mit – hart aber fair.
Nun kommen wir zu dem, der schon ganz lange hier gut und gerne lebt, unserem Ede. Meine Herren, was stand der unter Dampf! Der hat davon mehr als alle Amtierenden zusammen. Ob er die Fragen nicht verstand oder geflissentlich ignorierte, Stoibers Edmund erklomm imaginäre Barrikaden und eroberte gefühlte 50% der Gesamtredezeit der Kandidaten für sich.
Plasberg bemühte sich geradezu rührend, Ede wieder aufs Gleis vorschriftsmäßiger Debatte zu bringen, indem er seine Fragen erneut stellte. Wodurch sich Edmund aber nicht aus dem Vortrag bringen ließ. Mit einem bestimmten „das habe ich Ihnen doch gerade gesagt, Herr Plasberg“, setzte er seine Brandrede fort. Wir wollen klar sagen: Keine Einwände, Edmund, alles richtig. Aber warum hier, warum jetzt? Die Wahl ist vorbei, die TV-Zuschauer haben ihre Stimmen bereits abgegeben, in Rhodos hättest du springen sollen! Wer war der Adressat dieser Ansprache? Horst Seehofer? Die CSU-Basis? Der dämmert´s langsam, aber es ist zu spät. Stoiber hat seinen Amtsnachfolger und Nach-ihm-die-Sindflut-Parteivorsitzenden Horst Seehofer nie öffentlich kritisiert. Das heißt, er hat dessen Namen nicht in den Mund genommen. Dass es ein Frontalangriff ist, hart und fair, ist klar in der Stunde des Seehofer-Dämmerung.
Da konnte Plasberg noch mal seine „starke Kandidaten als Weckruf für Merkel“ aufs Trapez bringen. Jens Spahn vielleicht? Da lachte Frau Föderl, Herr Zudeick murmelte was von Spahn als „Taschenbuchausgabe von Kurz“. Und kann sich Unionskamerad Stoiber Spahn als Kanzler vorstellen? „Ich will ihm nicht schaden“, hielt der sich höflich zurück.
Es gibt derzeit nur ein Thema, was ihn umtreibt: die Flüchtlingsfrage. „Die Syrer müssen demnächst zurück, und jetzt sollen die Familien nachkommen? So ein Quatsch!“