Nach der Einigung von CDU und CSU vom 18. September auf einen „flexiblen Richtwert“ von 200.000 Asylbewerbern pro Jahr berichtet die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung (F.A.S.) unter dem Titel „Humanität und Ordnung“ eine Woche später, dass Grüne und FDP darin übereinstimmen, mit Hilfe eines neuen Einwanderungsgesetzes das Thema Obergrenze für Asylbewerber und Kriegsflüchtlinge ein für alle Mal aus der Welt zu schaffen. Dahinter steckt die offiziell bestrittene Einsicht, dass es sich beim Großteil der Asylbewerber um Arbeitsmigranten handelt, die sich auf der Suche nach einer neuen Arbeits- und Lebensperspektive in Deutschland befinden, sofern sie nicht bloß aufgrund der gewährten Sozialleistungen eingewandert sind. Das gilt selbst für Asylbewerber aus Kriegsregionen wie zum Beispiel Syrien, von denen viele Arbeitsmigranten mit anerkanntem Flüchtlingsstatus (wie viele nur auf dem Papier, scheint niemand zu wissen) sind.
Eine solche Begrenzung der illegalen Zuwanderung über das Asylgesetz und die Genfer Flüchtlingskonvention funktioniert freilich nur unter der Voraussetzung, dass möglichst viele Fluchtländer zu sicheren Herkunftsländern erklärt werden. Selbst für den nicht zu erwartenden Fall, dass die Grünen einen solchen Weg mittragen sollten, bleibt die Frage, wie mit den Arbeitsmigranten mit Flüchtlingsstatus aus den Kriegsregionen des nahen und mittleren Ostens und aus Afrika verfahren werden soll. Sie stellen heute die übergroße Mehrzahl der sich schon in Deutschland befindenden und zusätzlich nach Deutschland strebenden Asylbewerber. Alleine aus Syrien sind seit 2015 inzwischen mehr als eine halbe Million Asylbewerber nach Deutschland gekommen. Eine weitere halbe Million oder mehr würde aufgrund der guten Versorgungslage ihrer Landsleute in Deutschland zusätzlich zu der ersten halben Million gerne nachziehen. Die im Rahmen des Familiennachzugs ohnehin zu erwartenden Familienangehörigen sind dabei noch gar nicht eingerechnet.
Dies ist nur deswegen nicht möglich, weil inzwischen die syrisch-türkische Grenze und die Grenzen auf der Balkan-Route weitgehend geschlossen worden sind. Daran würde auch ein neues Einwanderungsgesetz nichts ändern – es sei denn, Syrien würde als sicheres Herkunftsland eingestuft, so dass sich ein Asylantrag nicht mehr lohnt. Das Beispiel Afghanistan zeigt allerdings, dass auch dies nicht ausreicht, um die illegale Einwanderung zu unterbinden. Immer noch kommen in erheblicher Anzahl Afghanen nach Deutschland, die hier um Asyl bitten. Selbst bei sicheren Herkunftsländern helfen daher nur wirksame Grenzregime, um einen anhaltenden Exodus Richtung Deutschland zu vermeiden.
Ein neues Einwanderungsgesetz mag in Hinblick auf das in der Tat selbst für Fachleute kaum noch zu durchschauende Wirrwarr an Regelungen des deutschen Aufenthaltsgesetztes erforderlich und auch hilfreich sein. Mehr Klarheit und Transparenz ist hier sicher vonnöten. Die Bürger Glauben zu machen, damit ließe sich die illegale Zuwanderung von Fluchtmigranten begrenzen und den Schleppern das Handwerk legen, ist jedoch entweder völlig blauäugig oder der Versuch, in einer nicht nur für die Jamaika-Koalitionäre, sondern für die Zukunft Deutschlands und Europas höchst explosiven Frage Nebelkerzen zu werfen.
Roland Springer arbeitete als Führungskraft in der Autoindustrie. Er gründete im Jahr 2000 das von ihm geleitete Institut für Innovation und Management. Sein Buch Spurwechsel – Wie Flüchtlingspolitik wirklich gelingt erhalten Sie in unserem Shop www.tichyseinblick.shop