In einer Woche ist die Wahl bereits gelaufen. Wer regieren wird, werden wir aber dann noch lange nicht wissen. Nach der Wahl ist nämlich vor den Koalitionsverhandlungen. Und die könnten sich länger hinziehen als üblich. Wahrscheinlich sind nur zwei Koalitionen: die Fortsetzung der schwarz-roten und ein Jamaika-Bündnis aus CDU/CSU, FDP und Grünen.
Beides werden schwierige Operationen. Der linke Flügel der SPD wird alles tun, um eine Neuauflage der ungeliebten GroKo zu verhindern. Ob der Parteivorsitzende Martin Schulz nach dem Wahltag noch über genügend Autorität verfügt, diese Entscheidung zu beeinflussen, wird vom Wahlergebnis abhängen. Bei 23 Prozent oder noch weniger ist Schulz ein König ohne Land.
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Sehr schwierig wäre eine Jamaika-Koalition. Das wäre nämlich kein Drei-Parteien-Bündnis, sondern eine Vier-Parteien-Koalition: CDU + CSU + FDP + Grüne. Mit gleich zwei Mal zwei Partnern, die kaum miteinander können: FDP und Grüne trennt mehr, als sie eint. Dasselbe gilt für CSU und Grüne. Von den Dauerquerelen zwischen CDU und CSU beim Thema Zuwanderung ganz zu schweigen. Es wird so kommen, wie an dieser Stelle schon vor Monaten vorhergesagt: Die Wähler geben einen Stimmzettel ab, der in Wirklichkeit ein Lottoschein ist. Keiner weiß, was dabei herauskommt.
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Wähler müssen sich aber entscheiden. Bei vier Gruppierungen – CDU/CSU, SPD, Grüne und FDP – muss der Wähler damit rechnen, dass seine Stimme Angela Merkel zur vierten Kanzlerschaft verhilft. Denn irgendwie wären SPD, Grüne und FDP gerne starke Juniorpartner der Union. Gut möglich, dass jede Stimmen für Schwarz-Rot-Gelb-Grün als Merkel-Stimme endet.
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Nur bei zwei Parteien kann man sicher ausschließen, dass sie im Bundestag für eine Kanzlerin Merkel stimmen würden: bei AfD und Linkspartei. Wer diese beiden Parteien an den äußeren Rändern des politischen Spektrums stark macht, stimmt aber dennoch indirekt für Merkel. Denn je stärker die Rechts- und Linksaußen, desto wahrscheinlicher wird sogar eine Neuauflage der Große Koalition.
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Wer „Merkel muss weg“ laut schreit oder auch nur denkt, müsste – falls er logisch handelt – eigentlich die SPD wählen. Nur falls die SPD stärker würde als die Union, wäre Merkels Amtszeit zu Ende. Das ist eigentlich einfache Mathematik. Aber Protestwähler denken anders. Ihnen geht es darum, mit ihrer Stimme jemandem „die Meinung zu sagen“ oder ihn „abzustrafen“. Was das für Folgen hat, ist dem gemeinen Wutwähler völlig gleichgültig.
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Am Sonntagabend gab es, wie erwartet, kein zweites TV-Duell zwischen Schulz und Merkel. Mag der Herausforderer auch auf jedem Marktplatz die Kanzlerin dazu geradezu flehentlich auffordern; sie zeigt ihm die kalte Schulter. Das Bibelwort „Wer sich selbst erniedrigt, der wird erhöht“ gilt in der Politik jedoch nicht. Wer sich in der Wahlkampfarena ständig erniedrigt, macht sich noch kleiner, als er ist.
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Wahlkampfweisheit zum Tage: Nur eine Null hat keine Ecken und Kanten.