Der Titel: eine in der Allgemeingültigkeit, wie sie daherkommt, aus der Luft gegriffene These, die am trefflichsten durch den Leserbrief der Spiegel-Leserin Hannelore Schreiner aus Saarlouis entlarvt wird: „Was mich an diesem Wahlkampf nervt, ist der ständig wiederholte und medial befeuerte Vorwurf der gähnenden Langeweile. Was ist denn so ungeheuerlich daran, dass offenbar die Mehrheit des Volkes den Eindruck hat, es werde souverän durch unruhige Zeiten geführt? Was wäre denn die Alternative? Dass man in Berlin irgendeinen Mist zusammenregiert, nur um das Volk zu empören, damit es auf die Barrikaden geht?
Beim SPIEGEL brodelt alte Suppe
Wer im SPIEGEL nach dem Brodeln sucht, findet Altbekanntes: AfD, Wutbürger und eine hochgeschriebene Trollpanik. Man kann sich des Eindrucke nicht verwehren, die SPIEGEL-Redaktion sehe sich selbst als einzige Instanz an, die den Wahlkampf richtig betreibe: Die Redaktion begab sich für „Früchte des Zorns“ auf Marktplätze-Recherchetour und fahndete im Internet nach „rechten“ Verschwörungstheorien, deren Konzentrat der Leser in den Beiträgen „Früchte des Zorns“ und „Aufmarsch der Trolle“ wiederfindet. Der schlimmste aller Trolle sei angeblich Andrew Auernheimer und der sei derzeit dabei, eine finstere Truppe von Untertrollen um sich zu scharen, um gemeinsam mit modernen russischen Datenanalytikern der AfD wichtige Prozentpunkte bei der Bundestagswahl zuzuschanzen. Neu ist das alles nicht. Auch Andrea Nahles brodelt nicht. Sie hält sich auffällig unauffällig im Hintergrund, und Veit Medick weiß, weil es ein offenes Geheimnis ist, dass sie nach der Wahl eine Schlüsselfigur ihrer Partei sein wird und verrät das in „Die Andere“. Das sind Geheimnisse, die der SPIEGEL heute enthüllt.
Die Abdankungsurkunde
Seit dem an Langeweile kaum zu überbietenden TV-Duell von Merkel und Schulz – was dem Vernehmen nach den Vorgaben des Kanzleramts, dann aber auch in williger Folge den fragenden Damen und Herren zu schulden ist – ist für SPIEGEL-Redakteure und „Linkspopulisten“ endlich klar, dass sich Claus Strunz, der ehemalige Chefredakteur der Bild am Sonntag, der AfD-Nähe und des „Rechtspopulismus“ verdächtig macht. Das Karriereloch sei schuld, schreiben Isabell Hülsen und Alexander Kühn in „Clausi-Mausi auf Krawall“, dass Strunz immer lauter medial schreien müsse, um Aufmerksamkeit zu erheischen, ähnlich wie auch Roland Tichy und Ex-SPIEGEL-Mann Matthias Matussek. Strunz ist derzeit nicht beliebt; er hat im sogenannten „Duell“ zwischen der Kanzlerin und Martin Schulz die „Flüchtlingsfrage“ gestellt. Das hat der Kanzlerin nicht gefallen. Denn schließlich ist der Wahlkampf für sie gut gelaufen; irgendwie hat sie das Meisterstück vollbracht, das Thema auszusparen. Irgendwie ist sie seit langem Kanzlerin, nur in der Krise seit der Grenzöffnung 2015 bis zum Beginn der heißen Phase war sie nicht Kanzlerin und schon gar nicht für irgendetwas verantwortlich.
Zwar interessieren sich die Wähler nicht für Schulzens aufgeregtes Gerechtigkeitsthema, auch nicht für vermeintliche Trolls – aber das Einwanderungsthema. Nur erlauben Hülsen und Kühn sogar, dass Strunz sich fragend des Themas annahm. Es darf gefragt werden! Danke, SPIEGEL, dass du das Selbstverständliche als so außergewöhnlich ansiehst, dass es beschrieben gehört. Journalisten dürfen noch fragen! Aber wenn: Doch nicht so, in der „Pose eines Ein-Mann-Stammtisches“. Strunz war laut, vorlaut sogar und hat sich nicht hundertprozentig an die Regie aus dem Bundeskanzleramt gehalten. Kritik daran vom SPIEGEL! „Da ist doch enorme Unruhe da draußen“, schrieb der langjährige frühere Spiegel-Redakteur Matthias Matussek vor zwei Wochen in Vorwegnahme des SPIEGEL-Titels, aber er meinte es anders. „Der Spiegel früherer Tage hätte das aufgegriffen und Fragen gestellt. Nie hätte ich mir träumen lassen, dass diese einst stolze Redaktion zu einer säuselnden linksliberalen Begleitcombo der Regierung degeneriert und gemeinsam mit den Wählern eindämmert.“
Zwei Wochen später erlaubt der SPIEGEL noch Fragen, wenn sie nicht zu vorlaut gestellt werden. Es ist die Abdankungsurkunde des Spiegel. Seit Wochen fordert die Redaktion lautstark inhaltlich kontroverse Auseinandersetzungen im Wahlkampf, hat aber selbst die Rolle des Advocatus Diaboli längst aufgegeben und sich im Mainstream-Einerlei wohlig eingerichtet. Eine kuschelige Deckung, aus der heraus es sich nur allzu bequem auf andere feuern lässt, die Meinungen und Fragen inzwischen pointierter formulieren als das abgewrackte Schlachtschiff aus Hamburg, und dabei denselben medialen Mechanismen folgt, die man beklagt. Twitter und Social Media sei Dank.
Das rassistische Deutschland – und US im Abstiegskampf
SPIEGEL-Redakteurin Dialika Neufeld, deren Vater Nigerianer und deren Mutter Deutsche ist berichtet in „Unter der Haut“ von ihren Erlebnissen bei einer Reise durch Deutschland. Das rassistische Deutschland ist eine hässliche Fratze. Sie dem Wahlkampf zuzuschreiben, ist eine Verharmlosung. Abschaffen jetzt, den Wahlkampf?
Sehr interessant finde ich den klugen Beitrag „Im Abstiegskampf“ und die Analyse von Christian Reiermann über die USA, den Dollar und Donald Trump. Ich würde dem zitierten Experten Stanley Fischer, derzeit die Nummer zwei in der Federal Reserve, sicher alles glauben, wenn nicht vor einigen Jahren zahlreiche deutsche Experten den unaufhaltsamen Untergang von Euro und EU prognostiziert hätte, auf den viele Spekulanten heute noch warten. Die USA ist wirtschaftlich stark und – noch wichtiger – sie werden wieder aufstehen und um ihren wirtschaftlichen Wiederaufstieg kämpfen.
Ein Hoch auf Landwirt Rudolf Bühler, dem wir es nicht nur verdanken, dass in Deutschland weiterhin das Schwäbisch-Hällische Landschwein unter uns weilt und uns schmackhaft nährt. Die Geburtstagshommage „Bauer sucht Sau“ auf den Bauernführer und „personifizierte Alternative zur industriellen Landwirtschaft“ von Michaela Schießl
„Der kalifornische Albtraum“ ist der Beitrag von Simon Hage zur IAA, die kommende Woche in Frankfurt am Main ihre Tore öffnet. Dieselskandal, mögliche Kartellabsprachen, E-Mobilität und die Konkurrenz durch Tesla bilden einen informativen Rundumschlag. Der wird wenige Seiten später ergänzt durch „Zukunftslabor China“ von Bernhard Zand. Der China-Experte zeigt, wie weit die Chinesen den selbstgefälligen deutschen Automobilbauern enteilt sind. Beim Automobil- und Batteriehersteller BYD in Shenzhen gibt es neben Elektrobussen und elektrischen Gabelstaplern auch Müll- und Kehrlaster. In Shenzhen und Taiyuan werden jetzt schon die Taxiflotten auf E-Autos umgestellt.
Die Nachricht, dass die Spezialistin Suzanne DiMaggio einen Kompromiss zwischen den USA und Kim Jong Un aushandeln soll, ist nicht neu. Das Hauptproblem sei, so DiMaggio im Beitrag „Reden und Zähneknirschen“, dass Konfusion darüber herrsche, was die USA eigentlich wollten. Sind wir schon so weit, dass die Diplomatie privatisiert und Consultern übertragen wird?