Täglich werden wir mit Begriffen konfrontiert, die im Ergebnis einer als alternativlos gepriesenen Energiewende verwendet werden oder durch sie erst entstanden sind. Wir greifen auch Bezeichnungen auf, die in der allgemeinen Vergrünung in den Alltagsgebrauch überzugehen drohen – in nichtalphabetischer Reihenfolge.
B wie
Brennelemente-Steuer, die
Diese umgangssprachlich so bezeichnete Steuer (amtlich heißt sie „Kernbrennstoffsteuer“) sollte durch Abgaben auf Brennelemente in Kernkraftwerken die Staatseinnahmen erhöhen. Sie wurde von 2011 bis 2016 erhoben. 2017 musste das eingenommene Geld nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts wieder zurückgezahlt werden.
Das Gesetz war Ergebnis der 2010 ausgehandelten Laufzeitverlängerung für Kernkraftwerke unter CDU/FDP-Regie und zielte darauf ab, die damals satten Gewinne der Betreiber zugunsten der Staatskasse anzuzapfen. Sind die Laufzeiten länger, soll der Staat auch etwas davon haben, so das Kalkül. Obwohl Verfassungsrechtler frühzeitig warnten, ging im Oktober 2010 das Gesetz wie geschmiert durch den Bundestag.
Nehmen und Geben
Die Rückzahlung beträgt inklusive Zinsen über sieben Milliarden Euro. Wie kam dieses offenbar nicht hieb- und stichfeste Gesetz durch den Bundestag?
In der Wahlperiode 2013-2017 sitzen im Bundestag mehr als 80 Juristen, 2010 werden es kaum weniger gewesen sein. Wären sie Spitzenkräfte ihrer Branche, würden sie wohl an anderer Stelle mehr leisten, mehr bewirken – und mehr verdienen. Vermutlich greifen vor allem zu oft Juristen nach einem Mandat, die in ihrem Fachgebiet nicht die hellsten Kerzen auf dem Leuchter sind.
Sollte der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages beteiligt gewesen sein, steht auch dieser in zweifelhaftem Licht. Sollte er nicht beteiligt gewesen sein – warum wurde er nicht gefragt? Bei der Vorratsdatenspeicherung wies dieser schon auf das absehbare Scheitern vor dem Europäischen Gerichtshof hin (der Spruch des Bundesverfassungsgerichts steht noch aus). Auch der von der Regierung erfundene „Bundestrojaner“ ist in Teilen verfassungswidrig, zum „Netzwerkdurch-setzungsgesetz“ gibt es noch kein Urteil. Offenbar werden Gesetze nach dem Try-and-Error-Prinzip erlassen. Kaum einem Arbeitnehmer würde man solche Arbeitsweise durchgehen lassen.
So leicht kann man ungestraft darüber hinweggehen, wenn man ein paar Steuermilliarden verzinst wieder rausrücken muss. Sanktionen sind in diesen Sphären ausgeschlossen. Es geht ja nicht um den eigentumsrechtlichen Status eines Pfandbons, der von einer Supermarktkassiererin verletzt wird, sondern um die „Gemeinschaftsaufgabe“ Energiewende, wo unsere Regierungen seit 20 Jahren mit wenig Erfolg eine Lernkurve absolvieren und alle Fehler unter eine autobahnbreite Toleranzgrenze fallen.
Äußerste Tsunami-Vorsorge
Für den damaligen Umweltminister Röttgen (CDU) war dies ein „Gebot äußerster Vorsorge“ und eine „Gefahrenabwehr“. Warum sich die Gefahrenlage geändert hatte, weiß bis heute niemand, aber das Argument „äußerste Vorsorge“ ist multipel verwendbar, wenn man an den Diesel, beliebige Emissionen oder tägliche Lebensrisiken denkt. Damit kann eine Regierung buchstäblich alles reglementieren.
Merkel und Röttgen beriefen sich auf den Paragrafen 19 des Atomgesetzes, was wiederum für viele Verfassungsrechtler nicht stichhaltig war. Der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts Hans-Jürgen Papier nannte die Stilllegung der älteren Meiler „illegale Maßnahmen“.
Schaden und Ersatz
Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig bestätigte aber das Urteil des Kasseler Verwaltungsgerichtshofs zu den Schadenersatzforderungen des Betreibers RWE betreffend das KKW Biblis. 235 Millionen Euro wurden RWE zugestanden.
2016 kam dann das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe zu dem grundsätzlichen Schluss, die Stromkonzerne hätten Anspruch auf eine „angemessene“ Entschädigung wegen des beschleunigten Atomausstiegs. Kritiker hatten die Begründung des Moratoriums mit „Gefahrenabwehr“ als wenig überzeugend bezeichnet. Die Ereignisse in Japan mit einem Seebeben und einem folgenden Tsunami seien ja kaum auf Deutschland übertragbar.
Bevor der Streit zwischen Hessen und dem Bund in eine Schlammschlacht überging, lösten RWE und Co das Problem auf andere Weise. Die Energiekonzerne zogen insgesamt 20 Klagen rund um den Atomausstieg gegen die Bundesrepublik zurück und vereinbarten eine Einmalzahlung von 23 Milliarden Euro für die Endlagerung. Damit haben alle Seiten Rechtssicherheit und alle weiteren schwer kalkulierbaren weil politisch maximierten Folgekosten der Endlagerung fallen dem Staat und seinen treuen Steuerzahlern zu.
Auch der Interessenlage der CDU-Bundestagsabgeordneten und insbesondere der Juristen unter ihnen dürfte dieser Kurs entsprochen haben. Wozu sich für arrogante Großkonzerne zum Helden machen und das Mandat bei nächsten Wahlen gefährden? Bisher kam der Strom immer aus der Dose und die schwer abzuschätzenden Kosten des Atomausstiegs zahlen andere. Abgeordnete wollen in der Regel wiedergewählt werden und nicht auf den freien Arbeitsmarkt, in den rauen Wind der Realitäten.
Blicken wir erwartungsvoll den nächsten Erzeugnissen bundespolitischer Gesetzesproduktion entgegen. Sie sichern Beschäftigung für Anwälte und Gerichte. Die Brennelemente strahlen indes steuerfrei weiter – wo auch immer.
Frank Hennig ist Diplomingenieur für Kraftwerksanlagen und Energieumwandlung mit langjähriger praktischer Erfahrung. Wie die Energiewende unser Land zu ruinieren droht, erfährt man in seinem Buch Dunkelflaute oder Warum Energie sich nicht wenden lässt. Erhältlich in unserem Shop: www.tichyseinblick.shop