Tichys Einblick
Krumm

Ausgerechnet Bananen

Die Banane ist nicht einheimisch, und doch die deutscheste Frucht; ein Kultursymbol. Jetzt ist sie Gegenstand polizeilicher Ermittlungen in Dresden.

„Warum ist die Banane so krumm? Weil sie um die DDR immer einen Bogen machte“. So ging einer der vielen Witze über die „Mangelwirtschaft“ in der DDR.

Am Abend nach der ersten DDR-Wahl, die diesen Namen verdiente, trat der frühere Grüne und dann SPD-Kandidat, der eigenwillige und kluge Anwalt Otto Schily mit einer besonders platten Idee vor die TV-Kamera. Auf die Frage, warum denn wohl die CDU so gut, die SPD so schlecht abgeschnitten hätte, zog Schily eine Banane aus der Tasche und hielt sie, düster lächelnd, in die Kamera.

Seine Botschaft: Nicht die Freiheit, die mit der SPD geht, hätten die Ostdeutschen gewählt, sondern den billigen Konsumerismus, die Banane der CDU. Die Banane hat also systemverändernde, subversive Wirkung. Das ist gefährlich. Denn eines gilt als Schimpfwort: Die „Bananenrepublik“. Also muss die Banane interpretiert werden.
Vor der gläsernen Birne, dem Neubau der Europäischen Zentralbank in Frankfurt, steht prominent: Ein knallgelb gestrichener Waggon zum Bananentransport, Symbol für die Einbindung in die Globalisierung.

Jetzt hat sich Pegida, der Schrecken Deutschlands, auch der symbolischen Banane bemächtigt. Am Rande der Pegida-Demonstration hatte kürzlich Madeleine Feige von der Bürgerinitiative „Heidenauer Wellenlänge“ ein Kunsthappening unter dem Namen „Alles Banane“ bei der Stadt angemeldet. Es gab Bananensaft, Bananenkuchen und die drei Metallskulpturen vor der gedeckten Tafel umhüllten sogar Bananen-Flaggen: „Wir wollten damit ein Zeichen der Solidarität setzen.“
Die Banane schlägt eine neues Kapitel der deutschen Geschichte auf.

Darüber freut sich vor allem derjenige, der vor zwei Wochen als erstes Opfer der Dresdner „Bananenrevolution“ aktenkundig wurde. Ralf Etzold, 70, kann sich immer noch gut daran erinnern:

„Plötzlich standen 6 Polizeibeamte um mich herum.“
„Warum?“
„Sie waren scharf auf meine Fahne.“

Immerhin kann er bei unserem Gespräch in seinem Garten am Rande von Dresden schon wieder darüber lachen.

Los ging alles, als er, wie immer, montags mit seiner Frau Karin, 70 und ihrem gemeinsamen Freund Wolfgang Raum, 69, zur Pegida-Demonstration nach Dresden fuhr. Im Gepäck die Fahne, die dort schon bekannt ist. Gekauft für 14,90 im Internet ist sie immer mit dabei. Ohne dass es deshalb irgendwann Ärger gab. Im Gegenteil. Die meisten finden sie so lustig wie treffend. So bekommt er immer wieder Zustimmung und Beifall, wenn er Schwarzrotgold mit einer Banane in der Mitte über seinen Schultern trägt. „Und das nun schon seit zwei Jahren.“

Auch vor den Polizisten, die jeden Montag für die Sicherheit der Demonstranten sorgen. Ohne dass die uniformierte Staatsmacht jemals Anstoß an dieser Art der politischen Meinungsäußerung nahm. Am 14. August änderte sich das:

„Wir haben etwas abseitsgestanden, da kamen plötzlich die 6 Polizisten, stellten sich in einen Block um mich herum und baten mich ihnen zum Einsatzfahrzeug zu folgen. Ich bin da schweigend mitgegangen.“

Wolfgang Raum sah die Flaggeneskorte aus einiger Entfernung:

„Ich bin dann hinterher. Um zu sagen, die Flagge gehört mir, ich bin der eigentliche Besitzer. Ich habe sie gekauft. An dem Tag hatte ich sie gerade mal nicht in der Hand und ich wollte nicht, dass Ralf dafür bestraft wird. Da habe ich ihnen meinen Ausweis gezeigt. Einer hat ihn genommen, ist zum Auto und hat sich dort irgendwelche Notizen gemacht.“

Die anderen bewachten Ralf weiter: „Den beiden Mädels unter ihnen war das außerordentlich peinlich. Aber ihr Chef wollte sich wohl etwas profilieren. Er sagte mir, die Flagge geben sie jetzt mal raus, die müssen wir einziehen. Ich sagte bitteschön, ich habe mich da nicht gewehrt oder sonst etwas. Er hat sie ins Auto gelegt und mir dann ein Sicherstellungsprotokoll gegeben.“

Darauf ist zu lesen, die Übergabe wurde verweigert. „Das stimmt nicht, deshalb habe ich das auch nicht unterschrieben.“ Zum Glück vielleicht. Seine Frau Karin: „Dummerweise ist unsere Rechtsschutzversicherung gerade abgelaufen.“ Aber nicht nur deshalb war sie besorgt:  „Ich bin ihnen ja auch gleich hinterhergelaufen, damit ihm nichts passiert. Er hat 8 Stends.“

Für Ralf Etzold ist das eigentlich kein Problem: „Mich kann nichts mehr umhauen. Zu Hause angekommen war ich auch ganz ruhig. Aber man hat, wenn man mit der Polizei zu tun bekommt, immer erst mal ein flaues Gefühl. Als gelernter DDR-Bürger ist das normal.“

Und als der Brief von der Staatsanwaltschaft kam? Darauf antwortet lieber seine Frau: „Ein bisschen schockiert war er schon.“ So fällt es ihm leichter zuzugeben:
„Naja, egal ist einem das im ersten Augenblick nicht. Da kommst du schon ins überlegen. Da kreisen die Räder. Eigentlich habe ich ja nichts gemacht.“

Außer eine Deutschlandflagge mit einer Banane als Mittelpunkt in aller Öffentlichkeit zu tragen. Seit Monaten also weht die Bananenflagge – und plötzlich Polizei? Haben die Beamten Bananen auf den Augen?

Die Staatsanwaltschaft Dresden antwortet darauf so: Bezugnehmend auf Ihre telefonische Anfrage kann ich Ihnen mitteilen, dass bislang keine Erkenntnisse vorliegen, dass diese Flaggen bereits längere Zeit bei den Demonstrationen mitgeführt wurden. Insoweit sind die Ermittlungen indes noch nicht abgeschlossen.

Dabei war er damit sogar schon mal im Fernsehen zu sehen. In einem Beitrag des MDR gab er mit der Bananenflagge auf der Schulter ein Interview.

Aber auch der Dresdner Polizei ist das Stück Staatsverleumdung vorher noch nie aufgefallen. Einer ihrer Sprecher antwortet auf eine Nachfrage:

Richtig ist, dass bis vor zwei Wochen keine entsprechenden Anzeigen gefertigt wurden. Es entzieht sich aber meiner Kenntnis, ob die Flaggen bis dato nicht wahrgenommen oder durch die Einsatzbeamten als nicht strafbar eingestuft wurden. Am 14.08. stellten die Einsatzkräfte aufgrund ihrer Beobachtungen jedenfalls eine Anfrage an den Polizeiführer, welcher einen Anfangsverdacht für eine Straftat bejahte. Daraufhin trafen die Einsatzbeamten ihre Maßnahmen.

Seitdem wird die Solidarität mit Ralf Etzold immer größer. Statt einer waren am letzten Montag schon mehr als zehn „Bananenflaggen“ zu sehen. Wenn auch nicht für lange. Jeder, der eine trug, wurde abgeführt und seine Flagge konfisziert. Manche hoffen schon wieder auf eine Bananenrevolution.

Denn länger durften nur die ersten wehen. Madeleine Feige und der Künstler freuten sich:

„Wir wollen ja bis zum Schluss für die Freiheit der Meinung und der Kunst eintreten.“

Die endete als drei Polizisten die drei Skulpturen wieder entkleideten und die Organisatoren zur „Feststellung ihrer Daten“ mitnahmen. Nicht ohne sie dabei vor ein Polizeiauto zu stellen um sie von allen Seiten zu fotografieren. Auch sie werden demnächst Post von der Staatsanwaltschaft bekommen. Aber einschüchtern?

„Das wäre ja ein Verrat an 89. Da sind wir schon mal für unsere Meinungsfreiheit auf die Straße gegangen. Die lassen wir uns jetzt nicht mehr nehmen.“

Auch Ralf Etzold nicht. Zumal er schon eine Strategie hat, wenn er deshalb wirklich vor Gericht muss: „Ich werde dem Richter sagen, dass ich damit nur zum Ausdruck bringen will, dass ich ein glücklicher Mensch bin. Weil wir heute in Deutschland Bananen für alle haben.“

Nur eine ganze Republik davon will er nicht. Dabei steht doch die Banane für die bunte Republik. Wer will schon in den sauren Apfel beißen?

Torsten Preuß ist freier Autor.

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