Gastgeber kultivierter Abendveranstaltungen wissen um die einschläfernde Wirkung einer falschen Gästeliste. Und schon die Kleinsten lernen im Kinderkanal KIKA „Die Mischung macht’s – die Welt ist bunt. Doch nicht alles, was ´ne Schnauze hat, ist auch gleich ein Hund“. Wenn die strengen Regeln gekonnter Kombinatorik mutwillig außer Acht gelassen werden, befinden wir uns mit größtmöglicher Wahrscheinlichkeit beim Sonntagsschwatz von Anne Will.
Bislang waren wir bei der Frage nach der Zusammensetzung von Gästelisten in Polit-Talkshows auf die Vermutungen von Verschwörungstheoretikern angewiesen. Seit dieser Woche wissen wir es besser. Quotenkönig Günther Jauch offenbarte in einem Zeitungs-Interview, er habe seinen ARD-Vertrag seinerzeit auch wegen der „fürsorglichen Belagerung“ durch Interessensgruppen nicht verlängert. Wer mag an diesem Abend Frau Will „belagert“ haben?
Es saßen in der Runde Olaf Scholz, Bürgermeister der Antifa-Hochburg Hamburg, Sahra Wagenknecht von der Links-Partei, deren Wirtschaftserfahrung sich aufs Erstellen von Fünf-Jahres-Plänen (dieses Jahr gibt’s Damenstrümpfe, nächstes Jahr Bananen) beschränkt, ihre Parteigenossin Maurike Maaßen und eine alleinerziehende Mutter von drei Kindern, der eine Mieterhöhung über 50 Euro ins Haus steht. Ah, dann noch Armin Laschet, der immer dann von seiner fürsorglichen Belagerungstruppe geschickt wird, wenn gerade kein anderer kann.
Was haben wir in der Sendung gelernt? Die Welt ist ungerecht. Es gibt Leute mit Yachten (Milliardäre!), und Leute mit Fahrrad, es gibt junge, alte, schöne und weniger schöne. Und es gibt Statistiken, die kann man so lesen oder anders, oder man kann gleich ganz andere Statistiken heranziehen. Und wir haben gelernt, dass all das den Menschen, die hier so leben, im Augenblick mehr oder weniger schnurzpiepegal ist, sonst hätten ja Sahra und Olaf eine Wechselstimmung im Land erzeugt.
Überhaupt ist Olaf Scholz mit der großen Koalition eigentlich ganz zufrieden, und besonders mit den Leistungen seiner SPD. Außer mit der von Heiko, der das Mietpreisdingensgesetz verbaselt hat (nächster Justizminister Scholz?). Armin ist sowieso zufrieden, wie sollte er auch nicht als Ministerpräsident? Selbst Kameramann und Regie waren zu Tode gelangweilt, deshalb zoomten sie zur Ablenkung eine kleine Ewigkeit auf die Ohrringe von Sahra Wagenknecht, die im hellen Kostümchen einen hübschen Kontrast zu ihrer Gefolgschaft bot. Die schwer tätowierte Maurike durfte noch von ihrer Gewerkschaft Ver.di schwärmen, war aber wohl hauptsächlich eingeladen, weil bei ihrem letzten TV-Auftritt der SPD-Kanzlerkandidat um ihr Vertrauen bettelte und ihr im Gegenzug allerhand Versprechungen machte.
Irgendwann, nicht sichtbar für den TV-Zuschauer, muss die verzweifelte Regie wohl am Rand wild mit den Armen gestikuliert haben, endlich ein bisschen Gas zu geben. Jedenfalls attackierte plötzlich Olaf die Sahra als Verschwörungstheoretikerin „wie Trump“. Für Trump sei Obama an allem Schuld, für Sahra Schröder. Die konterte mit der alten Argumentationskette, derzufolge die Sozialdemokraten sinngemäß der Reaktion angehören, weil sie sich nicht den Kommunisten anschließen (aus diesem Geist stammt übrigens die in Deutschland durchgängig falsch gebrauchte „Faschisten“-Beschimpfung). Natürlich hatte sie auch das ein oder andere Bonmot auf der Pfanne. Etwa: „Die Vorstandsvorsitzenden der Dax-Konzerne wählen sie sowieso nicht, Herr Scholz.“ (Bei Zetsche wären wir da nicht so sicher!)
Dann belegte Scholz noch, dass Juristen manchmal durchaus Weltwirtschaft können, aber eher selten. „In allen Industrieländern wächst der Niedriglohnsektor.“ Seit der Globalisierung. Weswegen der Trump ja gegen diese Art der Globalisierung ist. Das aber hat Scholz wohl so noch nie gelesen.
Wahrscheinlich hätte er uns auch nicht erklären können, wieso man Millionen unqualifizierte Zuwanderer ins Land holt, wenn schon ohne diesen Zustrom die Zahl der Sozialwohnungen nicht reicht. Oder wer der Leidtragende ist, wenn die mit Sozialamtsmietübernahme auf einen angespannten Mietmarkt drängen. Aber das wurde ja auch nicht gefragt. Irgendwie kam dann noch so eine Statistik aufs Tapet, nach der die unteren 40% nicht vom „Aufschwung“ profitieren, nur die „oberen 60%“. Das nehmen wir als Hinweis, was uns „oberen 60%“, also allen Nettosteuerzahlern, ins Haus steht: eine fette Steuererhöhung! Gute Nacht.