Gut, eines muss man der Partei Die Linke unbedingt zu Gute halten, als Heiko Maas seine Schweinerei engagierte, als man im Windschatten der „Ehe für Alle“ das Netzdurchsetzungsgesetz (NetzDG) legalisierte, da stimmte die Fraktion um Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch dagegen, wo sich beispielsweise die Grünen feige enthielten, um sich ihre Koalitionsoptionen für den kommenden Bundestag bloß in keine Richtung zu versauen.
Die Linke sagte also nein. Zeigte aber bis dato wenig sichtbares Engagement im Digitalen. Wie notwendig das allerdings ist, will man den Anschluss und die Debattenhoheit nicht verlieren, erkannte in der Partei zuerst Katja Kipping, neben Bernd Riexinger eine der Vorsitzenden der Partei.
„Eigentlich waren Anke Domscheit-Berg, Julia Schramm und Martin Delius ja alle mal bei den Piraten. Daher kenne ich sie, aber das ist natürlich eine ganze Weile her. Inzwischen sind die drei bei der Linken und machen da gemeinsame Sache.“
Die fünfte im Bunde ist übrigens die aufrechte Linke Petra Sitte. Die schrieb TE am Tage der Verabschiedung des NetzDG auf Nachfrage per Mail u.a.: „Bis heute fällt es mir schwer, zu akzeptieren, dass sich so viele Abgeordnete für diese Themen kaum interessieren.“ Sitte beschwerte sich zu Recht, dass die große Koalition auf den letzten Drücker ein Mehrfaches an Gesetzesentwürfen eingebracht hätte, als in der gesamten Wahlperiode zusammengenommen. Und Sitte hat sich tapfer durchgekämpft, nur was nutzt es am Ende, wenn die Große Koalition samt Grünen dafür stimmen oder sich enthalten. Da braucht man nicht einmal namentlich abzustimmen, der Fraktionszwang regelt den Rest automatisch.
Petra Sitte ist also ebenfalls Schutzherrin der glorreichen drei Piraten, die nun für die Linke den 10-Punkteplan quasi für eine digitale Zukunft von links entworfen haben. Für Anke Domscheit-Berg geht es um nicht weniger, als eine „Zukunftsvision“. Um den Versuch, „urlinke Ziele mit der Digitalisierung“ zu verbinden.
Und vor allem, was kann das werden, wenn ausgerechnet eine so umstrittene Person wie Julia Schramm federführend für die neue digitale linke Revolution sein soll? Wir erinnern uns: Frau Schramm, die heute so stolz darauf ist, Karl-Marx mit Designertaschen vereinbaren zu können, postete als Mitarbeiterin ausgerechnet der Kahane-Stiftung so verstörende Tweets wie diese hier: „Bomber Harris Flächenbrand, Deutschland wieder Ackerland“, und „Sauerkraut, Kartoffelbrei, Bomber Harris Feuer frei“ und befand, das sei ein guter und wahnsinnig oft retweeteter Gag.
Das allerdings ist ein kühner Auftakt. Ungefähr so kühn, als würde man von links behaupten, die Globalisierung sei ein Segen und kein Fluch für den deutschen Arbeitnehmer. Als gäbe es keine Auslagerung von Arbeitsplätzen, als gäbe es diese obszöne Kapitalkonzentration im Windschatten der Globalplayer überhaupt nicht. Also im linken Auge. Oder doch. Denn die „Verdammten der Globalisierung“ sind für Katja Kipping ja die Immigranten, die an der libyschen Küste auf ihre Überfahrt nach Europa warten.
Die zehn Punkte lauten beispielsweise „2. Gute Arbeit, nicht ständig Arbeit“. Hier geht es wohl darum, Arbeitszeit drastisch zu reduzieren, um allen die „Früchte der digitalen Revolution“ zugutekommen zu lassen. Das allerdings hatte Sascha Lobo schon 2006 über 303 Seiten ausgeschrieben, als er in „Wir nennen es Arbeit“ von einer digitalen Boheme fantasierte, an deren Spitze er sich selbstverständlich selbst etablieren wollte: Eine Entdeckung der Faulheit auf hohem digitalem Niveau also.
Unter „3. Emanzipation“ geht es um die Digitalisierung als Motor der Emanzipation und die unglaublich banale Feststellung, dass mehr Verfügung über die eigene Zeit hier ein Tor öffnen kann.
Unsere drei linken Piraten wünschen sich außerdem, dass die Digitalisierung durch soziale Garantien flankiert werden soll, „beispielsweise die soziale Absicherung der zwei Millionen Soloselbstständigen.“ Na klar, wenn der digitalen Boheme der Magen knurrt, sollen es wieder die Steuergelder der Friseusen richten. Oder wer immer dann noch durch diese lästige, diese unangenehme und schnöde Arbeit herkömmlicher Art in den gemeinsamen großen Zaubertrank zu tut.
Man will Rahmenbedingungen schaffen, „dass Technologien wie der 3D-Druck ihr großes Potenzial für das Gemeinwohl auch realisieren können und nicht durch kapitalistische Marktmechanismen künstlich beschränkt werde“.
Allen Ernstes wollen unsere glorreichen drei Neulinken, dass Bürger sich am 3-D Drucker billigen Wohnraum künftig selber „drucken“. Dafür müsse man dann nur noch den passenden Grund und Boden enteignen. Also die Eigentumsfrage neu verhandeln. Noch besser: „In ein paar Jahren können wir auch transplantierfähige Organe drucken, es müsste nie wieder eine Warteliste für Nieren oder Herzen geben.“
Ach so, zum Schluss des 10-Punkteplans verweist man dann noch auf eine Langfassung dieser digitalen Agenda. Mögen jeder selbst nachlesen, ob hier irgendwas vergessen wurde, das revolutionärer ist, als alles, was es in der Kurzfassung nicht stand und seine Entdeckungen bitte per Kommentar digital mitteilen. Ganz gleich, wo sie schreiben, ob nun auf dem Sofa der Boheme oder in der Kantine ihrer Fertigungsstätte. Ob mit echtem oder schon mit 3D-Drucker-geschlchtsmerkmalen. Eben dort, wo es leider immer noch staubt und die Funken sprühen, wo aber auch all das Geld zusammengetragen wird, das noch die abgedrehtesten Visionen der anderen bitte doch ernähren soll.
Nachtrag: Der Autor hier schätzt Katja Kipping als ernstzunehmende politische Stimme, als Protagonistin der einzigen Oppositionspartei im aktuellen Bundestag. Was sich die engagierte Linke allerdings dabei gedacht hat, diesen Knallchargen von den Piraten nicht nur Obdach zu gewähren, sondern deren Sprachrohr zu sein, erschließt sich ihm leider überhaupt nicht.