Im ersten Halbjahr 2017 sind laut Angaben der italienischen Regierung 85.183 Flüchtlinge und Migranten nach Italien gekommen. In den deutschen Medien wird vermittelt: Italien benötigt dringend Hilfe – es sei überfordert mit der Situation. Für den gleichen Zeitraum vermeldet das BAMF für Deutschland insgesamt 90.389 neue Flüchtlinge und Migranten. In den Medien klingt dies eher wie: es kommen kaum noch Flüchtlinge an. Ein guter Zeitpunkt, die aktuellen Zahlen für Deutschland erneut aufzubereiten.
Von Januar 2015 bis Juni 2017 haben gemäß offizieller Zahlen des BMI (bzw. des BAMF) insgesamt fast 1,4 Millionen Flüchtlinge und Migranten in Deutschland Asyl beantragt. Im gleichen Zeitraum wurden laut eurostat in Italien knapp 292.000 Asylanträge gestellt. Zum Vergleich: 2017 leben in Deutschland 82,8 Mio. Menschen – in Italien 60,6 Millionen (Quelle: ebenfalls eurostat).
Anhand der folgenden beiden Grafiken lässt sich ableiten, wie der immense Rückstau beim BAMF – der durch die Masse an Ankommenden in 2015 entstanden war – inzwischen größtenteils abgearbeitet wurde. In der zweiten Jahreshälfte 2015 konnten viele Personen einfach nur in EASY erfasst werden. Die Kapazitäten für eine zeitnahe Entgegennahme eines Asylantrages waren schlichtweg nicht vorhanden. Diese wurden dann nach und nach aufgebaut. Hierbei galt wohl das Prinzip „Masse vor Qualität“ – wie am Fall des Bundeswehrsoldaten Franco A. im Nachgang festgestellt wurde.
Die Zahl der offenen Asylanträge ist nun seit Mai 2017 wieder auf einem geringeren Niveau als im Januar 2015.
Aktuell werden in Deutschland monatlich rund 15.000 „Asylsuchende“ im neuen Kerndatensystem erfasst. Dieses hat das alte EASY-System abgelöst und soll „…nunmehr eine valide, auf Personendaten basierende, der Antragserfassung zeitlich vorgelagerte, Asylgesuch-Statistik zur Verfügung stellen“. Es verwundert mich da schon etwas, dass auch im neuen Kerndatensystem eine große Abweichung zwischen den monatlich veröffentlichten und den für das erste Halbjahr 2017 kumuliert genannten Zahlen auftritt. Die Summe aller monatlichen Zahlen des BAMF ergibt rund 83.000 – die Summe für HJ1-2017 gibt das BAMF mit den bereits oben erwähnten rund 90.400 an.
Es gab in den Kommentaren zu diversen Artikeln auf TE in den letzten Tagen einige Unklarheiten bzgl. der „richtigen“ Zahlen zu Asylberechtigten und Personen mit anderen Schutzformen. Daher hier eine Tabelle, die die wesentlichen Zahlen zusammenfasst. Datenquelle: die offiziellen Zahlen des BMI / BAMF.
Der Anteil der Personen, die tatsächlich als Asylsuchende anerkannt wurden, beläuft sich über den Zeitraum der zurückliegenden 2,5 Jahre auf 0,5 Prozent! Schon verrückt – lassen wir doch weiterhin alle Personen ins Land, die an der Grenze ohne Pass auftauchen und das Wort „Asyl“ aussprechen können. Die übrigen Personen mit Schutzanerkenntnis hätten wir auf Basis des aktuellen EuGH-Urteils wohl nicht aufnehmen müssen. Das war eine freiwillige Leistung ohne rechtliche Grundlage. Wenn wir zumindest die 630.000 Personen ohne Schutzanerkenntnis wieder abschieben könnten – aber der Status hierzu ist hinlänglich bekannt. Bei der von Frau Merkel angekündigten „nationalen Kraftanstrengung zur Rückführung derer, die abgelehnt wurden“ geht so gar nichts voran.
Solange die Zahl der neu ankommenden Migranten und Flüchtlinge nicht wieder sprunghaft ansteigt, sollte das BAMF die Prozesse jetzt einigermaßen im Griff haben. Die noch offenen 146.550 Asylanträge werden in den nächsten Monaten abgearbeitet.
Zum anderen trifft es die Bundesagentur für Arbeit und die Sozialsysteme im Deutschland. Bei der Bundesagentur für Arbeit werden monatlich Daten zu „Personen nichteuropäischer Asylherkunftsländer“ veröffentlicht (Nebenbemerkung: bei einer Quote von 0,5% Anerkennung als Asylberechtigter könnte gern eine andere, treffendere Bezeichnung verwendet werden).
Diese Daten werden immer 3 Monate zeitversetzt bekanntgegeben. Im März gab es 812.000 regelleistungsberechtige Personen aus den acht nichteuropäischen Asylherkunftsländern [AFG, ER, IRQ, IR, NGR, PK, SO, SYR], die Anspruch auf Gesamtregelleistung (Arbeitslosengeld II oder Sozialgeld) haben. Der Zuwachs in Q1-2017 betrug etwa 113.000 Personen – somit sollte die Zahl im Juni 2017 bei etwa 925.000 liegen.
Die Zahl der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten dürfte bis Juni 2017 auf etwa 635.000 angestiegen sein. Die große Frage der Zukunft wird sein, ob und wie es gelingen kann, einen relevanten Teil der erwerbsfähigen Personen tatsächlich in ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis zu bringen.
Mario Schultz hat wieder für die Leser von Tichys Einblick gerne übersehene Zahlen dargestellt.