Eine Nachricht mit Sprengstoff: Der Staat zwingt Besitzer von Volkswagen mit Dieselmotoren dazu, ihre Fahrzeuge stillzulegen, wenn sie nicht eine neue Software installieren lassen. FOCUS dokumentiert den Fall eines Besitzers eines VW Amarok, der ein entsprechendes Schreiben des Kraftfahrt-Bundesamtes erhielt.
»Aus diesem Grund informieren wir Sie hiermit darüber, dass zum 28.8.2017 die übermittlung ihrer Halter- und Fahrzeugdaten des auf Sie zugelassenen und von der Rückrufaktion betroffen Fahrzeuges durch das KBA an die für Sie zuständige örtliche Zulassungsbehörde erfolgt. Diese kann daraufhin die Einleitung von Maßnahmen, insbesondere die Untersagung des weiteren Betriebs des Fahrzeuges auf öffentlichen Straßen, gemäß Paragraph 5 Abs. 1 Fahrzeug-Zulassungsverordnung (FZV) in eigener Zuständigkeit veranlassen.« Klar, dass sowas auch kostet.
Volkswagen ruft derzeit weltweit rund 11 Millionen Autos zurück, die mit den EA 189 Dieselmotoren 1,2 l, 1,6 l und 2 l TDI ausgestattet sind. In den Werkstätten wird eine neue Steuerungssoftware installiert. In die Ansaugleitung der 1,6 L Motoren haben die Entwickler eine Anleihe beim Großmotorenbau genommen; es wird zusätzlich ein Gitter aus Kunststoff eingesetzt, das die Strömungsverhältnisse verändern und gleichmäßiger machen soll. Dadurch soll der Luftmassenmesser genauere Daten über die einströmenden Luftmengen liefern und die Verbrennung genauer steuern.
Mit diesem Update der Steuerungssoftware des Motors verändert Volkswagen die Verbrennungsverhältnisse im Zylinder und will damit schädliche Stoffe im Abgas reduzieren. Außerdem wird dabei jene ominöse Abschalteinrichtung verändert, mit der das System erkennt, ob sich das Auto auf einem Prüfstand oder auf der Straße befindet. Der Rechner des Autos muss erkennen, ob sich das Auto auf einem Prüfstand befindet oder auf der Straße. Er bezieht die Drehzahl der einzelnen Räder mit in seiner Steuerung ein.
Der Besitzer des VW Amaroks lehnte es ab, ein Software-Update machen zu lassen. Nicht geklärt ist, was bei technischen Problemen nach dieser Rückrufaktion geschieht. Besitzer von Autos, bei denen die neue Software aufgespielt wurde, berichten von einem schlechteren Motorenlauf und höherem Verbrauch. Probleme können auch mit dem Ventil der Abgasrückführung entstehen, das sich zusetzen könne.
Welche Auswirkungen diese tiefgreifenden Veränderungen im Motorsystem auf Dauer haben, weiß derzeit niemand. Denn vermutlich werden die Entwickler die Verbrennungstemperaturen durch erhöhte Abgasrückführungsraten reduziert haben. Die belasten das entsprechende Ventil wiederum höher mit der Folge geringerer Standzeiten. Dabei entstehen nicht so viele Stickoxide, dafür aber mehr Ruß. Der wird im Partikelfilter gesammelt und in Abständen verbrannt, was den Filter wahrscheinlich auch mehr belastet.
Für die VW-Ingenieure in jedem Fall jedenfalls keine Zeit, ausführlich zu testen. Immerhin gibt es rund 10.000 unterschiedliche Kombinationen von Autos, Motoren und Getrieben. Jede Kombination benötigt eigene Einstellungen. Ungeklärt ist bisher immer noch, wer das Risiko trägt, wenn der Motor schneller seinen Geist aufgibt oder der NOx-Speicherkat zerstört wird. Bereits jetzt ist der Betrieb der Partikelfilter von erheblichen Problemen begleitet. Es gibt Berichte, nach denen Motoren zerstört wurden, nachdem sie einige Zeit mit der neuen Steuerung gelaufen sind. Kosten: rund 10.000 Euro. VW selbst bestreitet einen negativen Einfluß des Updates.
Jetzt will der Staat Autobesitzern das Auto stillegen, falls sie nicht an der Rückrufaktion teilnehmen. Einen solchen Eingriff gab es außer den Enteignungen der Kraftwerksindustrie bisher im Nachkriegsdeutschland noch nie.
Vom Kraftfahrt-Bundesamt erfährt man dazu nichts, es gibt noch nicht einmal eine Stellungnahme ab. Auch nicht, warum das Amt plötzlich einen solchen Druck macht. Eine Reaktion auf jene Aussage der EU-Industriekommissarin Elzbieta Bienkowska, die alle betroffenen Diesel-Autos schnell stillegen will, wenn sie nicht nachgerüstet werden. Das würde für die gesamte EU gelten. Bisher aber kommen zum Beispiel aus Frankreich noch keine solchen Panikmeldungen. Dort fahren auch viele Diesel-Fahrzeuge.