Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) schürt wieder einmal die Neiddebatte im Lande. Wer so verantwortungslos tendenziös agiert wie das DIW regelmäßig, sollte keine öffentliche Förderung erhalten. Mit einem um Dreiviertel (!) kleineren Budget würde es sich zwar wahrscheinlich auch nicht auf objektivere Überlegungen besinnen, aber weniger Leute indoktrinieren können.
Das DIW unter ihrem derzeitigen Präsidenten Marcel Fratzscher hat es sich seit längerem zum Ziel erkoren, den Deutschen zu erklären, dass Vermögen böse sind. In diesem Sinne hat es wohl auch mit Freuden einen Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung des DGB angenommen, um das Erbvolumen in Deutschland neu abzuschätzen. Was auch immer den DGB daran interessiert.
Um dem eigenen Erstaunen abzuhelfen, muss man schätzen, was da für die staatliche/stattliche Umverteilungsmaschinerie noch alles zu holen sein könnte. Weil man ja eine Absicht verfolgt. Man will das Umfeld für eine höhere Erbschaftsteuer schaffen (wenn Vermögen schon böse sind, dann ist das Nachlassen derselben ganz, ganz böse). Weil die Deutschen aber tatsächlich noch ein ziemlich gesundes Verständnis von Eigentum und Familie haben und daher mehrheitlich Erbschaftsteuer generell eher doof finden, will das DIW es wenigstens über den Neid versuchen. Und dafür braucht man große Zahlen. Möglichst undifferenziert. Sonst würde der eine oder andere ja zum Beispiel merken, dass auch viele kleinere Zahlen eine große Zahl machen. Und so kommt man also auf eine Zahl. Eine große Zahl: Bis zu 400 Milliarden Euro per anno könnten in den nächsten zehn Jahren vererbt werden. [Theatralische Pause]
400 Milliarden Euro Hinterlassenschaften jedes Jahr ist eine Zahl, auf die wir stolz sein können und die wir bejubeln sollten. Das DIW sieht das offenbar anders. Es lässt sein Fazit in einer Pressemitteilung von der Studienmitautorin der Böckler-Stiftung ziehen: „Diese neuen Zahlen sollten Anstoß sein, das aktuelle Regime der hohen Freibeträge in der Erbschaft- und Schenkungsteuer auf den Prüfstand zu stellen.“
Dumm weil eine solche Argumentation einer freiheitlichen Gesellschaftsordnung unwürdig ist. Warum? Das will ich kurz erläutern: Die Leistungsfähigkeitsgerechtigkeit ist fraglos ein wichtiger Gedanke der Finanzierung eines gedeihlichen Gemeinwesens – neben der Leistungsgerechtigkeit, der Chancen- und Generationengerechtigkeit und der solidarischen Bedarfsgerechtigkeit. Die Idee der Leistungsfähigkeitsgerechtigkeit durchwirkt unsere gesamt Kultur – es ist quasi das institutionalisierte St.-Martins-Prinzip.
Entlang des viel zitierten Bildes von den starken Schultern, die mehr tragen müssen, dazu ein vereinfachtes Beispiel, was Leistungsfähigkeitsgerechtigkeit bedeutet: Wenn eine Gruppe aus sieben eher schwachen Personen und drei wirklich Starken zusammen Baumaterial mit insgesamt 100 Kilogramm tragen soll, wird wohl eine Gleichverteilung der Last auf alle als gerecht angesehen werden.
Zwei Sachen werden bei dieser Vereinfachung deutlich: Das Ausmaß der solidarischen Konzentration von Lasten hängt nicht ausschlaggebend von der Tragfähigkeit ab, sondern von der zu bewältigenden Last. Und: Gerechtigkeit heißt auch, dass alle mittragen müssen. Ich überlasse es an dieser Stelle Ihnen, die weit über die Erbschaftsteuer hinausgehenden Implikationen dieser zuendegedachten Leistungsfähigkeitsgerechtigkeit auf das ganze Abgabensystem zu vertiefen.
Die Erbschaftsteuer muss also aus Sicht der Leistungsfähigkeit erst einmal von der Notwendigkeit der Steigerung des Steueraufkommens her gedacht werden. Bei einem Wachstum des Steueraufkommens von 531 Milliarden 2010 auf 706 Milliarden Euro und voraussichtlich 732 Milliarden 2017 sowie geschätzt 852 Milliarden Euro in 2021 sollten da erhebliche Zweifel selbstverständlich sein.
Da könnte man also genauso gut zu dem umgekehrten Schluss kommen, dass aufgrund der hohen zu erwartenden Erbschaftsvolumen die Freibeträge bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer eher erweitert werden müssen.
Vom größten deutschen Wirtschaftsforschungsinstitut muss man so viel Tiefgang bei der thematischen Auseinandersetzung erwarten dürfen. Auch und gerade in seinen Pressemitteilungen. Andernfalls gehört schlicht der Geldhahn abgedreht. Eigentlich wäre schon längst die Zeit für diesen Schritt.
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Vom Autor ist im September 2015 eine umfassende Auseinandersetzung zu Gerechtigkeit und Neid rund ums Erben im FinanzBuch-Verlag erschienen: