Aber bevor wir zu dem, was im Fernsehen „Aufarbeitung“ heißt, kommen, beginnen wir unsere kleine Geschichte mit einem Knall: Mit den Worten „Frau Ditfurth hat Lenders (Hamburger Hauptkommissar Joachim Lenders) in unverschämter Weise angegangen. Frau Ditfurth ist persönlich, von ihrem Verhalten und in ihrer Argumentation unerträglich…“ nestelte sich Wolfgang Bosbach das Mikro von der Krawatte, stand auf und ging. Und weil Herbert Wehners Satz „Wer rausgeht, muss auch wieder reinkommen“ heute genauso nicht mehr gilt wie „Wer Ehre hat, muss auch Verantwortung übernehmen und zurücktreten“, kehrte Bosbach auch nicht mehr zurück.
Maischberger, die anscheinend ernsthaft so eine Art Gleichgewicht der Debattenkräfte im Sinn hatte – Jan van Aken (Die Linke), Hamburger Demoorganisator, Katarina Barley, SPD-Familienministerin und Jutta Ditfurth, linke „Aktivistin“ auf der einen Seite, Bosbach, Lenders und Jörges (?) auf der anderen – wollte die entstandene Schieflage korrigieren und wandte sich an Ditfurth:
„Jetzt muss ich sie auch bitten, die Sendung zu verlassen …“
„Nein.“
„…Weil ich tatsächlich glaube, dass wir dann weiter in Ruhe diskutieren können. Die Sendung ist so aus dem Ruder gelaufen wie diese Demonstration …“
Aber das adelige Fräulein hatte ihr Sitzfleisch in Jahrzehnten grünlinker Parteiarbeit genügend geschult, um die Angelegenheit auszusitzen.
Leider spiegeln der Abgang Bosbachs und die gesamte Sendung äußerst präzise den Zustand der Republik. Mit Bosbach geht der letzte argumentationsstarke Konservative von Bord des nunmehr Geisterschiffs, das trotz ausgehendem Treibstoffes die Fahrt in ein erhofftes sozialistisches Paradies fortsetzt.
Hans-Ulrich Jörges, der Mann vom Stern, sieht das etwas klarer: Wie kann man eine Veranstaltung „Welcome to Hell“ nennen. Dann weiß er über den Schwarzen Block zu berichten, dass die einen hohen Organisationsgrad haben. Die Sohlen der Stiefel schwarz gefärbt, um Spitzel zu enttarnen, neue Handys, um sich elektronischer Überwachung zu entziehen und Kommandos zu übermitteln. Code-Worte, um sich umzuziehen und in der friedlichen Menge unterzutauchen. Jörges: „Die sind politisch, die sind links.“
Und schon sind wir bei der SPD, die seit „154 Jahren“ nichts mit Gewalt zu schaffen habe, empörte sich Katarina Barley (die von Manuela Schwesig das Familienministerium übernommen hat). Das ist nämlich die frische Losung der 100%-Schulz-Partei: Gewalt kann gar nicht links sein. Vielleicht hat sie sich noch nicht in die Akten des Ministeriums eingearbeitet, wer alles finanziell „gegen Rechts“ unterstützt wird. Vielleicht hat sie das Getwittere von Stegner und Maas nicht auf dem Schirm, was man ihr nicht verdenken kann. Interessante SPD-Lesart der Krawalle: Hauptsächlich zugereiste Gewalttäter, sogar aus dem Ausland. Und Kevin, der 19-jährige Doofie aus der Bild-Zeitung. Damit sie trotz der Sprachregelung die Gesinnungsgenossen vom Rande nicht ganz verschreckt, machte sie deutlich, sie halte es für falsch, die „alleinige Schuld für die Krawalle bei der Polizei“ zu suchen. Also, ein ganz klein bisschen Schuld haben die anderen auch?
Bosbach, als er noch dabei saß, blieb sachlich, griff die Koalitionspartnerin trotzdem nicht an. Er stellte aber fest, dass „immer derselbe Phänotyp bei Demonstrationen auftaucht“. Und seit Jahren „dulden wir rechtsfreie Räume und gehen zur Tagesordnung über“. Er forderte parteiübergreifende Konsequenzen bei rechter und auch linker Gewalt. Weil es aber aus SPD-Sicht keine linke Gewalt gibt, wird auch seine zentrale Forderung ins Leere laufen: „Mich interessiert nur, ob Konsequenzen gezogen werden.“
Dazu passt die Schlagzeile des Tages: „Alle Verdächtigen von brutalem Hinterhalt auf Dach wieder frei.“ Noch Fragen, Herr Bosbach? Hauptkommissar Lenders (CDU-Mitglied) dürfte die perfiden Verharmlosungsstrategien seiner Gegner aus dem politischen Alltag in Hamburg zur Genüge kennen. Er zitierte seinen Chef mit „Jeder Extremist ist Mist, sie beschmeißen uns alle mit Steinen.“ Lenders weiß, dass die Rote Flora heute das „strategische Kontrollzentrum“ für linke Gewalteinsätze ist. „Und Hamburg bewirbt die Rota Flora touristisch“, wundert sich Jörges. Auf der Roten Flora, nachts um halb eins, ob du ein Molotow-Cocktail hast, oder keins …
Nun, ganz so lange ist das noch nicht her, dass Linke an der innerdeutschen Grenze Mitbürger erschossen haben, Genosse. (Die NSU-Geschichte ist wohl auch noch nicht abschließend geklärt?). Und der IS köpfend durch Deutschland? N o c h nicht.
Auch Jörges war das einer zu viel: „Ich verstehe ihr Motiv. Aber sie verwechseln rechten Terrorismus mit linker Gewalt.“ Van Aken verwechselt gar nichts. Er verdreht ganz bewusst, damit am Ende stehen bleibt: Was regt ihr euch alle auf? Ist doch überhaupt nichts passiert in Hamburg. Und er weiß, gegen Demagogen bleibt der Sachliche auf der Strecke.
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p. s.: Und das ist eine Kostprobe aus dem Netz, deren Löschung Maas und seine Hilfstruppen nicht verlangen werden: