Tichys Einblick
Zeitenwende

Hamburg oder die Spaltung Deutschlands

Von Konrad Adenauer bis Helmut Kohl setzte die CDU auf Eingrenzung der Konservativen, Angela Merkel setzte so lange auf deren Ausgrenzung, bis die Mitte nun leer ist.

@ Sean Gallup/Getty Images

Die Gewaltexzesse in Hamburg zeigen, wie sehr sich Grüne und SPD auf die uralte Politik der LINKEN eingelassen und die Spaltung der Gesellschaft in „gute Linke“ und „böse Rechte“ mitgemacht haben. Spätestens jetzt wird es Zeit für Teile der CDU und der SPD, einen neuen demokratischen Konsens zu finden.

Die gemeinsame Ablehnung linksextremer wie rechtsextremer Ideologien gehörte lange zum Konsens der Bundesrepublik Deutschland. SPD und Union mögen sich beharkt haben, am Ende siegte die Gemeinsamkeit der Demokraten; es wurden Kompromisse erstritten und gefunden und buchstäblich gemeinsam mit viel Pils in der Bar des Pressehauses besiegelt und begossen. Nostalgie? Nein. Gemeinsame Erfahrung prägte die Akteure, die Erfahrung, dass die Weimarer Republik von extremen Ideologien in die Zange genommen und zerstört wurde. Dagegen stand das „Nie wieder!“ der früheren Generation von Parlamentariern und Journalisten.

Der Konsens hielt auch die Gründung der Grünen und ihren Einzug in den Deutschen Bundestag aus, er überstand die rotgrüne Koalition von Gerhard Schröder. Er bröckelt aber sichtbar, seit die linke Anhängerschaft der SPD die Koalition und Wiedereingemeindung der früheren SED und heutigen Partei „Die LINKE“ sucht. Vielleicht wollen sie es persönlich nicht, aber sie wissen es wohl nicht besser, die Linken in der SPD wie Stegner, Nahles, Schwesig samt Martin Schulz, aber sie folgen damit eine Traditionslinie, die sich in der SED/DIE LINKE fortsetzt: Es geht um die Frage der „Bündnispolitik“, eine Frage, der sich liberale und konservative Kräfte so nie ausgesetzt sahen: Die NPD war nie stark genug, auch weil sie von der Union kleingehalten wurde. Es galt die Aussage von Franz-Josef Strauß: „Rechts von der CSU darf es keine demokratisch legitimierte politische Partei geben“.

Nach Hamburg erleben wir das vorläufige Scheitern der linken Bündnispolitik, weil ihre Absicht und ihr Ziel wie der damit verbunden Schrecken sichtbar wurden. In den frühen 30er Jahren war Kern der von der KPdSU dominierten Komintern-Ideologie: der Kampf gegen Sozialdemokraten, Sozialisten und linksbürgerliche Kräfte, auch wenn diese sich selbst als Teil der Arbeiterbewegung betrachteten. Selbst während der Phase des Aufstiegs von Hitler in Deutschland und Mussolini in Italien sahen die von Moskau ideologisch und oft auch finanziell abhängigen Kommunistischen Parteien im Rahmen der Sozialfaschismusthese den Hauptgegner in den Sozialdemokraten. Am Ende starben Sozialdemokraten und Kommunisten in KZs und Gestapo-Kellern.

Seit 1935 wurden Sozialisten, Sozialdemokraten und andere linksbürgerlichen Kräfte als Bündnispartner in einer Einheitsfront betrachtet und selbst eine gemeinsame Einheitspartei wurde als langfristiges Ziel gesehen – verwirklicht wurde sie als SED in der DDR, in die die SPD zwangsweise eingegliedert wurde. Diese Idee der Einheitsfront aller „demokratischen Kräfte“ gegen den Faschismus lebte nach der Wiedervereinigung von Links wieder auf. DIE LINKE als Nachfolgeorganisation mit Mitgliedern, Mitteln, Ideologie und Organisationsstruktur der SED versuchte sich aus ihrer Isolation zu befreien, in der sie sich zunächst befand: Es war die Gemeinsamkeit der Union und Sozialdemokraten gegen die Feinde von Links, die zunächst Koalitionen mit der LINKEN verhinderte.

Es ist eine gewisse politische Genialität, dass die LINKE den gemeinsamen „Kampf gegen rechts“ als Ausbruch aus diesem Gefängnis der Ausgrenzung erfand. Freudig sprangen viele SPD-Politiker darauf an, und mit ihnen gefolgsam Journalisten.

Die Systemgegner kommen aus der Mitte
Anfangs reichte es nur für ein paar Koalitionen auf Landesebene zwischen SPD und Linkspartei; seither fehlt es nicht an Versuchen, auch auf Bundesebene r2g, also zusammen mit den Grünen, eine Koalition als erstrebenswert erscheinen zu lassen. Zuletzt war es Martin Schulz, der sich in den saarländischen Landtagswahlen nach links aus dem Fenster lehnte. Dabei hat sich nicht die LINKE politisch verändert und sich wirklich als demokratiefähig erwiesen. Sie hat nur das Konzept der Mitte, die Gemeinsamkeit der Demokraten im Kampf gegen links wie rechts aufgebrochen und durch eine Bipolarität ersetzt: Alle fortschrittlichen demokratischen oder sonst wie fortschrittlichen Parteien gegen rechts!

In der jüngsten Großen Koalition ging diese Strategie erstmals so richtig auf. Dieses manichäische Weltbild eignet sich bestens, umstrittene Ideologien wie Massenmigration gegen den erkennbaren Mehrheitswillen durchzusetzen: Wer gegen die GroKo agiert, ist im Zweifelsfall „rechts“. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat dafür schon früh die Weichen gestellt. Ihre Vorgänger bemühten sich allesamt, den rechten Rand irgendwie zu integrieren. Die Union hatte ihre Hardliner, eine „Stahlhelmfraktion“, Erzkonservative, oft unterstützt von Vertriebenenfunktionären, konservativen Katholiken und Evangelikalen. Es waren maßgebliche Politiker wie Franz-Josef Strauß, Baron zu Guttenberg, Alfred Dregger, Walter Wallmann, um nur einige zu nennen.  Sie machten zusammen mit den nach links ausgreifenden Sozialausschüssen oder zeitgeistigen Politikern wie Heiner Geißler und Norbert Blüm die integrative Wirkung der Union aus.

Angela Merkel setzte sehr früh auf Ausgrenzung. Demoskopisch getrieben schienen ihr Verluste „rechts“ verkraftbar angesichts der Hoffnung, in den rotgrün geprägten Großstadtmilieus Fuß zu fassen und Wähler zu gewinnen. Bekanntlich ist das im Ergebnis nicht gelungen. Ohne das überproportionale Stimmengewicht der CSU, die noch den früheren Rezepten folgt, wäre die CDU längst eine 30-Prozent-Partei. Umso verlockender für Merkel, die aufmuckenden rechten und konservativen Wähler mit Hilfe der linken Volksfrontideologie zu dämonisieren und auszugrenzen. Das ist ihr gut gelungen; seither regiert ihre Berliner Allparteienkoalition ohne nennenswerten parlamentarischen Widerstand der Linkspartei oder der Grünen im Land durch. Gestützt auf eine lammfromme Medienlandschaft treibt sie das ganze Land nach links, und wer dagegen argumentiert, ist eben rechtsradikal.

"Die Deutschen zwischen Größenwahn und Selbstverleugnung"
"Mal eben kurz die Welt retten"
Dummerweise kommt jetzt Hamburg dazwischen. Jetzt zeigt sich, dass Links das Land ausfasert, dass der Straßenterror, der versuchte Mord an Polizisten, die Verwüstung von Stadtvierteln aus Kreisen kommt, die von den LINKEN, vielen Grünen und Teilen der SPD unterstützt oder zumindest verharmlost und verniedlicht wurde. Plötzlich wird deutlich, dass sich diese Politik des Appeasement nach Links gegen weite Teile der Bevölkerung richtet, die den in Gewalt umschlagenden Antikapitalismus und die damit einhergehende Gewaltbereitschaft nicht dulden wollen. Links ist weder nett, noch human, auch nicht zukunftsfähig, sondern einfach nur vorgestrig. Spätestens jetzt müsste sich die SPD von ihrem linken Flügel wieder abgrenzen. Spätestens jetzt müsste sie ihre r2g-Träume beerdigen und vielleicht damit auch eine Machtoption (in der sie nicht die Macht wäre, sondern die Getriebene).

Spätestens jetzt müsste Merkel erkennen, dass die als rechts Geschmähten nicht die eigentlichen Gewalttäter sind, sondern dass der wirkliche Terror von links ausgeht. Spätestens jetzt bräuchte Deutschland wieder eine Gemeinsamkeit der Demokraten. Dummerweise hat sie allerdings zu viele der Demokraten als „Rechts“ ausgegrenzt, weil sie insbesondere der Einwanderungspolitik kritisch gegenüberstehen, die Energiepolitik für gescheitert erkennen und im Ausgreifen der linken Gefälligkeitspolitik keine Zukunft für Wohlstand und Frieden sehen. Aber damit müsste sie Eckpunkte ihrer eigenen Politik für gescheitert erklären – was sie nicht kann.

Das erklärt die zunehmende Polarisierung der deutschen Politik: Sie verfällt im Links-gegen-Rechts-Schema, wobei in Hamburg die Linke ihr moralisches Waterloo erlebte, wohin die CDU  die Einladung nach Hamburg ausgesprochen hatte. Die frühere Mitte gibt es kaum mehr, weil die SPD der muffigen Einheitsfront der LINKEN auf den Leim ging und die Merkel-CDU die SPD immer wieder schnell links überholte (SED-Slogan: Überholen ohne einzuholen). Die Mehrheit der Bevölkerung mag dem nicht mehr folgen. Die Verachtung, die viele Bürger heute der Politik und Politikern entgegenbringen, wird nur noch durch die Verachtung für deren Medien übertroffen.

Zwei Lager stehen sich gegenüber: Das gutorganisierte linke Lager, das mit seinen Mainstream-Medien glaubt, die Lufthoheit über den Stammtischen gewonnen zu haben – was stimmt. Nur wird am Stammtisch längst im Flüsterton formuliert, was die Hoheitsträger tief verunsichern müsste, würden sie es hören (können).

Das nicht-linke Lager mag sich nur in kleinen Teilen mit der Wahl der AfD anfreunden, nicht in erster Linie, weil einzelne Figuren und allseitige Kräche abstoßend wirken, sondern vor allem, weil die AfD im entscheidenden Kommunikationswettbewerb der Massenmediendemokratie kein Gewicht auf die Matte bringt: weder in den alten, noch den neuen Medien. Die FDP kann einiges aufsaugen; aber ob Christian Lindner mit schicker Digitalisierung viel mehr Wähler motivieren kann, ist höchst fraglich. Zumal auch gegen ihn die im Netz beliebte Gleichung steht: Egal, ob du CDU, CSU, FDP, SPD oder Grüne wählst, am Ende kriegst du Merkel.

Die mobile Version verlassen