An dieser Stelle hatten wir vorgerechnet, dass der Plan der SPD zur Abschaffung der Abgeltungssteuer bei Unternehmern in der Spitze eine Steuerlast von über 65% zur Konsequenz haben kann. Wir hatten direkt bei der SPD-Pressestelle nachgefragt. Doch die versprochene Antwort blieb aus. Warum schweigt die SPD?
Offenbar ist die Sache mit der Abgeltungssteuer doch nicht so einfach, wie es im SPD-Wahlprogramm scheinen mag, wo es lapidar heißt: „Wir wollen Einkommen aus Arbeit und Kapital wieder gleich besteuern, indem wir die Abgeltungsteuer abschaffen.“
Am 27. Juni hatte Tichys Einblick die Pressestelle des SPD-Parteivorstandes angeschrieben und gefragt:
„Wir beschäftigen uns intensiv mit dem Steuerprogramm der SPD. Darin steht, dass die Abgeltungssteuer abgeschafft werden soll. Diese gilt heute bekanntlich sowohl für Zins- wie auch für Dividendeneinkünfte.
Unsere Fragen:
1. Soll die Abgeltungssteuer tatsächlich sowohl für Zins- wie auch für Dividideneinkünfte abgeschafft werden?
2. Was soll dann an die Stelle treten? Sollen diese Einkünfte dann mit dem vollen persönlichen Steuersatz versteuert werden? Oder will man zu dem bis zur Einführung der Abgeltungssteuer geltenden Halbeinkünfteverfahren zurückkehren?“
Nachdem die Anfrage nicht beantwortet wurde, hakte Tichys Einblick nochmal nach und die SPD versprach am 28. Juni: „Ihre Anfrage hat uns erreicht. Wir sitzen dran.“
Doch auch vier Tage nachdem die aus nur drei Sätzen bestehenden Fragen übermittelt worden waren, gibt es bis zum Wochenende immer noch keine Antwort. Warum tun sich die Genossen so schwer damit, die einfache Frage zu beantworten, ob nur die Zins- oder auch die Dividendeneinkünfte gemeint seien – und was an die Stelle der Abgeltungssteuer treten soll?
Zinsen höher besteuern
Unstrittig ist, dass die SPD die Abgeltungssteuer für Zinsen abschaffen will. Die SPD hat immer wieder bekundet, es sei „ungerecht“, dass Zinseinkünfte mit 25% versteuert würden, während der persönliche Einkommensteuersatz in der Spitze bis zu 45% betrage (jeweils plus Soli). Schafft man die Abgeltungssteuer ab und besteuert die Zinseinkünfte mit dem persönlichen Steuersatz, dann hat das für viele Menschen, die besser verdienen, zur Folge, dass Zinsen höher besteuert werden. Dann stellen sich jedoch zwei Fragen:
- Was bringt das dem Staat in einer Zeit, in der die Zinsen gegen Null tendieren? Mit wie viel Mehreinnahmen ist zu rechnen, wenn der Fiskus z.B. von einem halben Prozent Zinsen künftig in der Spitze doppelt so viel abkassiert wie bisher? Diese Frage reichen wir hiermit der SPD nach. Sie hat ja alles „fein durchgerechnet“, wie immer wieder betont wird.
- Ist es nicht eine Frechheit, wenn der Staat die Steuern für die niedrigen Zinsen massiv erhöhen will, obwohl er der Hauptnutznießer dieser Niedrigzinsen ist? Die DZ Bank hat berechnet, dass die Niedrigzinsen den Sparer vom Jahr 2009 bis 2017 436 Milliarden Euro kosten. Von 2010 bis 2016 waren es 344 Mrd. Euro, im Jahr 2017 können noch mal 92 Mrd. dazu kommen. Was der Bürger weniger hat, hat der Staat mehr. Wie kleptokratisch muss die SPD sein, wenn sie just in dieser Situation vorschlägt, die Steuern auf die Zinsen massiv zu erhöhen? Nach den SPD- Plänen sollen die Steuern auf Zinsen, die heute inklusive Soli ca. 26,4% betragen, künftig in der Spitze auf ca. 50,64% steigen, wie ich in dem erwähnten Artikel vorgerechnet hatte.
Sollen Unternehmer über 65% Steuern zahlen?
Die SPD ist eine Antwort auf die Frage schuldig geblieben, ob die Abgeltungssteuer nur für Zinseinkünfte oder auch für Dividenden abgeschafft werden soll. Wir müssen die SPD also beim Wort nehmen: Da die Abgeltungssteuer heute sowohl für Zinsen wie auch für Dividenden gilt, hätte eine Abschaffung zur Folge, dass ein Unternehmer die Ausschüttungen aus seiner GmbH künftig mit dem persönlichen Steuersatz zu versteuern hätte. Wenn die SPD etwas anderes wollte, z.B. eine Rückkehr zum Halbeinkünfteverfahren, das bis 2008 galt, müsste sie es sagen. Sagt sie aber nicht. Ich hatte dazu vorgerechnet:
Künftig würde es nach den SPD-Plänen dagegen so aussehen: Ein Unternehmer, der seine Firma als GmbH organisiert und dem höchsten Steuersatz in der Einkommensteuer unterliegt, hätte laut SPD-Plänen eine Grenzsteuerbelastung von 50,64%, die auf die verbliebenen 70 Unternehmensgewinn (nach Körperschaftssteuer und Gewerbesteuer) angewendet würde. Er müsste in der Spitze also noch einmal 35,45 Prozent Steuern bezahlen. Zusammen mit den 30, die er auf Unternehmensebene bezahlt hat, wären das 65,45 Prozent.
SPD-Pläne schöngeredet
In den Medien werden die SPD-Pläne schöngeredet. DIE WELT kommentierte auf Seite 1: „Die SPD hat ein maßvolles Steuerprogramm vorgestellt, das in feiner Rechenarbeit potenziellen Wählern sagt, woran sie sind.“ Wenn das alles so glasklar und maßvoll ist: Warum ist die SPD nicht willens oder nicht in der Lage, die einfachen Fragen, die wir ihr gestellt haben, zu beantworten? Wäre es so einfach, könnte man diese Fragen bestimmt in einer Stunde beantworten. Und nun brüten die Genossen in der SPD-Parteizentrale seit Tagen darüber.
„Keine Angabe“: Auch sonst ist vieles unklar
Warum antwortet die SPD nicht? Weil die Genossen ihr über Monate angeblich fein durchgerechnetes Programm vielleicht doch nicht durchdacht haben? Oder weil sie dem Wähler nicht sagen wollen, woran er ist?