Als ich Hans-Dietrich Genscher 1968 in seinem Bundeshausbüro zum ersten Mal traf, gab mir ein hochgewachsener Mann die Tür in die Hand, den ich nicht erkannte. Das ist der Helmut Kohl, sagte Genscher, der wird Bundeskanzler. Genscher peilte die Koalition mit Kohl für nach der Bundestagswahl 1969 an. Dazu kam es nur nicht, weil Scheel und Brandt ihm einen Strich durch die Rechnung machten.
Kohl gehört zu den Spitzenpolitikern, die ich emotional nie einschätzen konnte. Ich kannte praktisch das ganze Team um Generalsekretär Geißler recht gut (ein besseres gab es in keiner Parteizentrale). Von ihnen hatte ich denselben Eindruck. War Helmut Kohl unnahbar? Emotional berührt haben Kohl selbst wohl nur wenige wie Mitterand, Gorbatschow und Bush senior – und am Ende seiner Tage Willy Brandt. Aber vielleicht war Kohl von seiner eigenen Rolle berührt, nicht von den anderen.
Hart habe ich ihn in Erinnerung. Etwa Heiner Geißler gegenüber, der allerdings auch nicht zimperlich war, und auch gegen Norbert Blüm. Profis werden mich belächeln und sagen, anders kommt man nicht nach oben und bleibt nicht dort. Das weiß ich. Und trotzdem gibt es Unterschiede.
Der Kanzler der Einheit ist ihm als Geschenk in den Schoß gefallen und er hat es angenommen. An Heldengeschichten glaube ich nicht. Aber selbstverständlich wird Kohls Heldengeschichte der deutschen Einheit in den Geschichtsbüchern stehen. Dafür sorgen schon jene, die davon ihr eigenes Mitheldentum ableiten, das mit der Zeit immer größer wird.
Kohl leitete die Wende ökonomisch ein, Schröder vollendete sie und das allein trägt Merkel politisch bis heute (noch).
Helmut Kohl verkörpert wie kaum ein anderer den Traum der Kriegskinder vom vereinten Europa. Das war ihm unübersehbar ein Herzensanliegen. Vielleicht ist dies, was mir von ihm bleibt.