Es gibt viele Wege, wie man mit dem Thema der Ladenöffnung am Sonntag umgehen kann. Ein Weg ist der, den die großen Kaufhausketten Karstadt, Kaufhof und KaDeWe eingeschlagen haben. In einem öffentlichen Aufruf appellierten die Kaufhausriesen an die Politik, die Voraussetzungen für eine Freigabe der Öffnung an Sonntagen zu schaffen. Die Konkurrenz im Netz würde an Sonntagen 20 bis 30 Prozent ihrer Umsätze machen. Das könnten die Kaufhäuser nicht ignorieren. Doch eine rechtliche Änderung ist nicht ganz einfach.
Seit der Föderalismus-Reform 2006 sind Ladenschlussgesetze zwar Ländersache, aber die Ladenöffnung an Sonntagen wird immer noch begrenzt durch Artikel 140 Grundgesetz. Diese Norm verweist auf die Weimarer Verfassung von 1919, wo die Sonntage „als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung“ geschützt wurden. Zahlreiche Klagen waren bisher mit Verweis auf Artikel 140 erfolgreich. So wurde ein Vorstoß des Landes Berlin, bei dem an allen Adventssonntagen der Verkauf zwischen 13 und 18 Uhr erlauben sollte, vom Bundesverfassungsgericht mit Verweis auf Art. 140 GG gekippt.
Da mutet der Vorstoß einiger Grünen besonders grotesk an, die den Spieß jetzt einfach umdrehen wollen. Die niedersächsischen Grünen, die sich gerade auf den Landtagswahlkampf im nächsten Jahr vorbereiten, wollen die Möglichkeiten von Online-Shopping und Callcentern an Sonntagen einschränken. Laut deren Landes-Chef Stefan Körner gehe es den Grünen um gleiche Wettbewerbsbedingungen für Einzelhandel und Online-Vertrieb. Es soll allen gleich schlecht gehen. Nach Veggie-Day, Folien-Spargel-Verbot und Autofasten kommt jetzt der Heide-Protektionismus. Kein Online-Shoppen an Sonntagen in der Lüneburger Heide und Umgebung. Hermann Löns, die Heide brennt!
Da sind sie wieder, die Nanny-State-Grünen, die unsere Gewohnheiten steuern und lenken wollen. Nicht der Einzelne soll entscheiden, wann er einkaufen will, ob online oder in der Innenstadt, sondern Regierungen, Parlamente und Politiker sollen diese Entscheidung treffen. Das moralisierende und rückwärtsgewandte Spießbürgertum trägt einmal wieder einen Sieg davon in der Partei, die sich gerne als Erbe der emanzipatorischen 68er und der Friedlichen Revolution von 1989 inszeniert.
Wer heute in Berlin und anderen Großstädten abends und nachts noch schnell das Nötigste einkaufen will, findet inzwischen eine Vielzahl dieser Tante-Emma-Läden wieder. Sie sprießen wie Pilze aus dem Boden. Auf dem Land haben sich die Tankstellen zu kleinen Supermärkten entwickelt. Bald 100 Jahre nach Inkrafttreten des Weimarer Verfassungsartikels sollte eigentlich dessen Ende endlich eingeleitet werden. Das Internet macht nicht an der Lüneburger Heide, Niedersachsen oder Deutschland halt, sondern verändert auch den Einzelhandel und seine Vertriebswege fundamental. Wer davor die Augen verschließt und meint, wir könnten uns hinter einem starren Arbeitsrecht, Landesöffnungsgesetzen oder Weimarer Verfassungsartikeln verstecken, wird erleben, dass die Menschen am Ende mit den Füßen abstimmen. Davon werden weder der Einzelhandel, noch der Online-Handel in Deutschland profitieren, sondern lediglich neue Geschäftsmodelle andernorts entstehen. Dann können die Grünen zwar beruhigt „Hermann Löns, die Heide brennt“ beim Autofasten singen, die Freiheit selbst über das eigene Leben zu entscheiden, ist aber für die Bürger wieder ein Stückchen kleiner geworden.