Politiker müssen ihre Emotionen im Zaum halten. Klar! Ob ihnen das immer enorm viel Kraft abverlangt, ist fraglich. Jedenfalls hat man nicht den Eindruck, dass Terrorakte sie echt berühren. Theresa May war da – Wahltermin hin oder her – zuletzt eine Ausnahme. Was sie zum Londoner Blutbad sagte, war immerhin authentisch.
Was an Statements und Tweets aus dem Munde bzw. aus den Daddeldaumen deutscher Politiker durchgereicht wurde, war es nicht: Empathie von der Stange. Austauschbar. Als Etikett verwendbar für jeden Anschlag, jedes terroristische Blutbad, jeden Massenmord – egal ob in Berlin, Paris, Nizza, Manchester, London … Ausnahmen gibt es allenfalls, wenn es um 44 oder 29 ermordete Kopten in Ägypten geht. Dann dominiert das Schweigen.
Aktuelle Belege zu „London“ gefällig? Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier verlautbarte: „Die Nachrichten über den mörderischen Angriff in London erschüttern mich. In diesen Stunden sind wir Deutsche dem britischen Volk in besonderer Weise verbunden.“ Er sei in Gedanken bei den Opfern und Verletzten von London „und bei denen, die um einen nahen Menschen trauern oder fürchten. Ihnen gilt unser ganzes Mitgefühl.“ Bundeskanzlerin Angela Merkel ließ verbreiten: „Auch wenn der Hintergrund dieser Taten noch präzise aufzuklären ist, bekräftige ich für Deutschland und seine Bürger: Im Kampf gegen jede Form von Terrorismus stehen wir fest und entschlossen an der Seite Großbritanniens. Ich denke in diesen Stunden in Anteilnahme und Solidarität an unsere britischen Freunde und an alle Menschen in London.“ – Hängt die Anteilnahme an den Opfern von den Tätern ab?
Kanzlerkandidat Martin Schulz sagte: „Meine Gedanken sind bei den Opfern der feigen Attacken in London und ihren Angehörigen. Stehen fest an der Seite unserer britischen Freunde.“ Bundesjustizminister Heiko Maas twitterte: „Erschütternd. Erneut ist Großbritannien Ziel eines feigen Anschlages geworden. Unsere Gedanken sind bei unseren britischen Freunden.“ Copy- and Paste-Statements! Da war ja Londons Bürgermeister Sadiq Khan noch ehrlicher: „Terror gehört zum Leben in der Großstadt.“
Gewiss müssen sich Staatenlenker zu solchen Greueltaten öffentlich äußern. Aber muss es so schablonenhaft sein? Den Opfern hilft dies nicht. Den Toten ohnehin nicht mehr. Und den Verletzten auch nicht; sie tragen ihre Traumata womöglich ein Leben lang quälend mit sich. Den Angehörigen hilft es auch nicht, wenn sie jetzt ihre Toten identifizieren müssen, bevor sie sie zu Grabe tragen.
Empathie, das ist die Fähigkeit und die Bereitschaft, sich in den anderen gerade in schlimmsten Lagen hineinzuversetzen; sie ist eine der wichtigen menschlichen Tugenden. Geteiltes Leid ist halbes Leid, sagt der Volksmund. Aber mit folgenlosen 30-Sekunden-Empathie-Statements ist es nicht getan. Deshalb ist es für die Betroffenen, für die überlebenden Opfer und die Angehörigen wohl das Beste, dass sie all die europaweiten Empathieschablonen in all ihrer Trauer wohl gar nicht wahrnehmen können.