Ach herrje: Der deutsche Finanzminister macht’s wie der kirchentagsglücksselige Innenminister, der doch gerade noch eine deutsche Leitkultur via BamS mit Kirchenglockengeläut abfeiern wollte. Der nun in Berlin ausgerechnet mit einem islamischen Geistlichen auftrat und dort erklärte, der Islam, wenn er denn ein aufgeklärter, europäischer und der Demokratie zugewandter Islam sei, tauge als Kitt der Gesellschaft. Ja, könnte man anfügen, wenn das Eichhörnchen eine Giraffe wäre, dann müsste es nicht die Bäume hochklettern, sondern könnte gleich anfangen zu naschen.
Zum Finanzminister aber gleich. Bleiben wir vorerst noch bei Thomas de Maizière und der Frage, was noch alles wünschenswert wäre für dieses Deutschland und seine Deutschen: „Der Islam als Kitt der Gesellschaft.“ Wie bitte? Die Frage muss erlaubt sein: Hatte ihm ein evangelisches Blumenmädchen den orangen Schal zu eng zugezogen? Immerhin entpuppte sich der Islam gerade mal wieder als gesellschaftliche Herausforderung Nummer eins, ebenso wie islamistische Attentäter Staatsfeinde Nummer eins sind. Aber unser Innenminister versteigt sich darauf, zwischen uns und eine Millionen Einwanderer ausgerechnet den Islam als Kitt und Integrationshilfe schmieren zu wollen.
Und das ausgerechnet noch auf dem evangelischen Kirchentag. Eine Online-Zeitung untertitelte: „Orange sind die Schals der Kirchentagsbesucher, sanft ihr Gemüt.“ Sanft ist hier offensichtlich noch nicht die passende Bezeichnung. Und „schlicht“ wäre zu höflich ausgedrückt.
Es sei, so Schäuble, sogar ein Missverständnis von Religion, wenn sie in Fanatismus und Gewalt abgleite. Ach so: Nizza, Würzburg, London, Berlin, Paris, Istanbul und Manchester alles nur eine Reihe von Missverständnissen. Umso weiter man sich hineindenkt in diese ministerialen Verwirrungen, desto aufgebrachter wird man ja. Dachte man doch bisher, ein Missverständnis basiere darauf, dass etwas falsch verstanden wurde. Der Attentäter hat seine Religion also nur falsch verstanden. Hat dem falschen Vorbeter zugehört oder nur die falschen Prediger auf youtube abgespielt.
Was aber nun, wenn unseren beiden Ministern ein gravierendes Missverständnis unterlaufen wäre? Was, wenn diese monotheistischen Religionen überhaupt nicht friedlich sind oder sein wollen, sondern im Gegenteil, Fanatismus und Gewalt überhaupt erst die Grundlage dafür gewesen sind, dass auch wir unseren Jesus heute überhaupt noch wissentlich denken können? Am 27. Februar 380 erklärten drei Kaiser in Thessaloniki das Christentum zur Staatsreligion und stellten nichtchristliche Religionen unter Strafe. Von da an regierte das christliche Schwert und zog eine mächtige Blutspur durch die Zeit. So gesehen auch das eine beeindruckende Erfolgsgeschichte.
Einer der wirkmächtigsten Kirchenkritiker unserer Zeit, Karlheinz Deschner, arbeitete fast sein ganzes Leben daran, die Kriminalgeschichte des Christentums aufzuschreiben und wurde doch nicht fertig damit. Seine auf vielfältige Weise von der Kirche angefeindete Arbeit steht vorläufig am Ende einer langen Kette von Einfriedungen eines gewalttätigen Christentums hin zu einem, das – zumindest in Europa – keinem mehr weh tut.
Der Münchner Erzbischof Reinhard Kardinal Marx erklärte Ende 2016 in einem Christ&Welt-Interview: Die Gestaltung der Welt gehöre zum christlichen Auftrag. Nein Herr Kardinal, Ihre Aufgabe bleibt die Barmherzigkeit. Belassen Sie es gefälligst dabei. Für Gerechtigkeit hat ausschließlich die Politik zu sorgen. Das sind die Werte, das ist auch die Werteteilung, die unser Innenminister unmissverständlich zu vertreten hat. Auch auf einem Kirchentag und ganz besonderes gegenüber einem Gast aus dem islamischen Kulturkreis, der es auf besondere Weise verdient hat, diese europäischen unverhandelbaren Werte vermittelt zu bekommen, um sie dann gerne als Leitkultur den hier lebenden Muslimen zu übermitteln. Gerne auch in seiner Sprache.
Ob das jemals geschieht, kann unsere Sache nicht sein. Aber wenigstens den Versuch sollte man nicht verweigern wie aktuell gerade zwei unserer wichtigsten weltlichen Entscheider unter einem offensichtlich zu eng angelegten orangen Schal.