Wer Sinn für Humor hat, der über das Niveau der heute-show hinaus reicht, kam in dieser Woche voll auf seine Kosten. Trump beim Papst in Rom. Obama bei den Protestanten in Berlin. Welch köstlicher Zufall.
I.
Der mächtigste Mann der westlichen Welt, sammelt religiös konnotierte Symbolszenen. An der Klagemauer in Jerusalem, beim Säbeltanz mit wahabitischem König, beim Keep Smiling mit Papst, der ihm politisch so nahe steht wie der Mufti von Mekka. Der ehemals mächtigste Mann der westlichen Welt, der zum Weltfrieden nicht mehr beisteuerte als den Empfang des Friedensnobelpreises, agiert bei der großen Luther-Show als Pop-Moralist. Glaubens-Entertainment, wo auch immer Politiker Religion missbrauchen oder sich an Religionen anwanzen. Den Rotz am Ärmel geben sie dann anderswo.
II.
Kirchentag vor dem Bundestag, vor dem Brandenburger Tor: Ich erlaube mir die unzeitgemäße Ansicht, dies für abscheulich zu halten. Die leitenden Protestanten sind sichtbar stolz auf ihr Staatskirchentum. Vater Staat ist ihr wahrer, treudeutsch verherrlichter Gott. Sie sonnen sich im Glanz der Mächtigen, statt ihnen die Leviten zu lesen. Die vom Steuerstaat ausgebeuteten und vom Nanny-Staat entmündigten Christen sind ihnen gleichgültig. Die Freiheit des Christenmenschen: nur noch ein Witz in diesem Pfarrerstochter-Mainstream-Verein mit seiner viertägigen Dauerwerbesendung zur Wahl.
III.
Ich bin lieber ein schlechter Katholik als ein guter Protestant. Der Papst ist im Vorteil. Ob man ihn mag oder nicht, spielt keine Rolle, weil jeder Papst kleiner ist als seine 2000jährige Institution mit universalem Anspruch. Er kann nur Akzente setzen, Korrekturen vorschlagen, doch niemals seine Vorgänger revidieren. Protestanten dagegen haben sich dem Zeitgeist unterworfen, den jeweils herrschenden Kräften und Mächten ausgesetzt. Am Katholizismus kann ich mich wenigstens reiben. Die Protestanten bräuchten einen neuen Luther.
IV.
Was Präsidenten und Kanzler glauben, ist mir gleichgültig. Was sie wollen und tun, nicht. Mir fällt auf: Wo auch immer Religionen zu viel zu melden haben, sind die Gesellschaften der Moderne nicht gewachsen. Das gilt im Mittleren und Nahen Osten, im Bible-Belt der USA, und im „Reichstag“ gilt es auch.
V.
Ohne Buchdruck hätte Luther nichts erreicht. Die Schriftkultur neigt sich nach einem halben Jahrtausend ihrem Ende zu. Sie war nur die „Gutenberg-Parenthese“. Die Digitalisierung wird dazu führen, dass der Mensch nur noch mündlich mit intelligenten Maschinen kommuniziert. Man muss nicht mehr lesen (können). Immer weniger Menschen tun es heute schon, und wenn dann lieber kurze Sätze, sms, twitter. Sie lassen sich von visuellen Medien zu Tode unterhalten. Visualisierung und Sprechsprache verändern das Denken. Es wird schlichter, emotionaler, doch der wachsenden Komplexität der Welt nicht mehr gewachsen. Die Folge? Im 500. Jahr der Reformation geht nicht nur die Schriftkultur vor die Hunde, sondern mit ihr auch die Demokratie. Was würde Luther dazu sagen? Gegen den Verfall unserer Kultur müssten die Lutheraner auf die Barrikaden steigen, gerade jetzt, zum Reformationsjubiläum. Statt dessen rollen sie einer zurückgebliebenen, bildungsfernen Religion den fadenscheinigen Toleranz-Teppich aus.
VI.
Früher, es ist noch nicht so lange her, galt Religionskritik als links. Man war auf der Seite der Aufklärung, der Frauenrechte, der Freiheit. Heute gilt der Religionskritiker als islamophob, also als rechts. Wenn das kein Witz ist.
VII.
Auch in dieser Woche richteten Terroristen im Namen ihrer Religion ein Blutbad unter jungen Leuten an. In England geboren, in England zu Massenmördern geworden, in der Gesellschaft, die sie nährte, nur versäumte, sie auch zu erziehen.
VIII.
Ein anglikanischer Bischof zündete eine Kerze an. All you need is love. Die fällige Ermahnung als Selbstbetrug: Lassen wir unsere Gesellschaft nicht spalten! Vorgetragen in beigem Sakko und Schlabberhose zu violettem Bischofshemd und Brustkreuz. Nur eine Äußerlichkeit? Nicht einmal mehr Stil haben sie, die „Verteidiger“ des Abendlands. Die Szene hat Symbolwert: Wir wissen nicht mehr, was sich gehört. Das Bild der Woche war für mich ein anderes: Die Queen in quittengelb, starr wie der Prinz mit Schirm, Gehrock und Melone neben ihr. Zwei erratische Gestalten aus einem anderen Jahrtausend. Königliche Gardenparty mit Schweigeminute. Eine absurde Szene voller Würde und Trauer und Ratlosigkeit. Und verzweifeltem Witz.